
Diabetes mellitus ist eine gravierende Stoffwechselerkrankung. Ohne extern zugeführtes Insulin würden Menschen mit Diabetes mellitus Typ 1 (T1DM) nicht überleben können. Wie viel Insulin sie brauchen, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Der Bedarf und, wie gut der Diabetes eingestellt ist können wiederum Einfluss auf die Gesundheit des jeweiligen Patienten nehmen. Wird zu viel Insulin gegeben, kann es zu einer Hyperinsulinämie kommen. Sie wird als möglicher Risikofaktor für die Entstehung von Krebserkrankungen diskutiert. Die Assoziation zwischen Diabetes und onkologischen Erkrankungen ist jedoch umstritten.
Eine amerikanische Forschergruppe hat sich deshalb in einer retrospektiven Studie näher mit dem Thema befasst. Die Ergebnisse wurden im Journal »JAMA Oncology« publiziert.
Zielsetzung
Es gibt bisher wenig Daten zu einer möglichen Assoziation von Typ-1-Diabetes und der Krebsinzidenz. Die Studie soll mit einer Datenanalyse der Risikofaktoren für Krebs bei Patientinnen und Patienten mit einem Diabetes mellitus Typ 1 neue Erkenntnisse gewinnen.
Methodik
Für die amerikanische Studie wurden Daten aus dem Diabetes Control and Complications Trial (DCCT) und der Epidemiology of Diabetes Interventions and Complications (EDIC)-Studie verwendet. Für die DCCT-Studie wurden zwischen 1983 und 1989 an 29 Zentren in Nordamerika 1.441 Patientinnen und Patienten rekrutiert. Als 1993 die EDIC-Studie als Follow-Up-Studie begann, konnten von diesen 1.375 noch lebende Freiwillige erneut rekrutiert werden. Bis 2012 nahmen 1.304 der Freiwilligen an jährlichen Befragungen zu Krebserkrankungen teil, eine Person wurde aus anderen Gründen aus der Analyse ausgeschlossen.
Anhand der Daten wurde die jeweilige Krebsinzidenz inklusive 95%-Konfidenzintervallen (95%-KI) berechnet. Um zu untersuchen, ob verschiedene Risikofaktoren der Diabetikerinnen und Diabetiker sich auf die Krebsinzidenz auswirken, wurden sowohl eine Cox-Regression als auch Hazard-Regressionsmodelle durchgeführt. Das zweizeitige p galt mit Werten <0,05 als signifikant.
Ergänzend wurden multivariable Modelle durchgeführt. Dafür wurden die täglichen durchschnittlichen Insulindosen in drei Kategorien unterteilt: niedrig (<0,5 Einheiten/kg), medium (≥0,5 und <0,8 Einheiten/kg) und hoch (≥0,8 Einheiten/kg). Zusätzlich wurden verschiedene weitere Variablen analysiert und ein- oder ausgeschlossen wie demographische Faktoren, Gewicht, Body-Mass-Index (BMI), Suchtmittel, Sport, familiäre Vorgeschichte von Bluthochdruck, Typ 1 und Typ 2 Diabetes mellitus, Myokardinfarkte, traditionelle metabolische Risikofaktoren, Medikamente, weitere Diabeteswerte wie der HbA1c, die Dauer der Erkrankung und ähnliche.
Ergebnisse
In den insgesamt 1.303 ausgewerteten Datensätzen erkrankten während des Betrachtungszeitraums 7% (93) der Freiwilligen in der Kohorte an Krebs. Die Inzidenzrate lag pro 1.000 Personenjahren bei 2,8 (95%-KI 2,2 bis 3,3). Die Mehrheit der Betroffenen war mit 61% weiblich. Die meisten entwickelten eine Krebserkrankung 21 bis 28 Jahre nach Diagnose (58%), während ein Drittel innerhalb von 11 bis 20 Jahren erkrankte und 9% innerhalb von 10 Jahren.
Alter und Geschlecht waren ebenfalls mit der Krebsinzidenz assoziiert. Die Hazard Ratio für Alter lag bei 1,08 (95%-KI 1,05 bis 1,12), die für das weibliche Geschlecht bei 1,74 (95%-KI 1,15 bis 2,64). Sportgewohnheiten und das HDL-Cholesterin waren umgekehrt assoziiert mit dem Krebsrisiko. Aber nur die Insulindosis zeigte konstant in beiden getesteten Modellen eine eindeutige Assoziation zur Krebsinzidenz (p=0,03). Die Hazard Radio lag - je nach Modell - bei 5,93 (95%-KI 1,21 bis 29,06) oder bei 4,13 (95%-KI 1,13 bis 15,17). Entscheidend war hierbei die tägliche durchschnittliche Insulindosis. Je höher die Dosis, umso höher war auch die Krebsinzidenz mit 2,11 pro 1.000 Personenjahren in der Gruppe mit einer niedrigen Dosis, 2,87 in der Medium-Gruppe und 2,91 in der Gruppe mit der hohen Dosis.
Fazit
Die tägliche durchschnittliche Insulindosis ist bei Menschen mit Diabetes mellitus Typ 1 assoziiert mit dem Risiko für Krebserkrankungen. Hazard Ratios waren signifikant höher in der Gruppe Teilnehmender, die durchschnittlich mindestens 0,8 Einheiten Insulin pro kg Körpergewicht am Tag erhielten.
Das ist jedoch zunächst nur eine Assoziation. Anhand der Daten lässt sich nicht sagen, ob hohe tägliche Insulindosen tatsächlich kausal sind für ein möglicherweise erhöhtes Krebsrisiko der Betroffenen. Das wird auch in der Studie beschrieben. Die Assoziation könnte auch Folge von Störfaktoren sein, da die Studienpopulation relativ klein war. Um endgültige Aussagen machen zu können, braucht es weitere Studien.