
Als in den 90er Jahren die Hormonersatztherapie (HRT) auf den Markt kam, wurde sie zunächst enthusiastisch begrüßt. Endlich hatte man eine Therapieoption gegen Wechseljahresbeschwerden und vor allem etwas, um die Osteoporose zu bremsen. Doch bald stellten sich Berichte über massive Nebenwirkungen ein: allen voran das deutlich erhöhte Risiko für Thromboembolien.
Krebsrisiko unterscheidet sich nach Entitäten
Des Weiteren ergab sich in der US-amerikanischen Women's Health Initiative-Studie, dass unter HRT auch das Brustkrebs- und Ovarialkarzinom-Risiko steigt. Was bei diesen alarmierenden Ergebnissen in den Hintergrund geriet, war die Tatsache, dass in der Women-Health-Study auch durchaus Positives in Sachen Malignome festgestellt wurde. Denn bei anderen nicht so stark hormonabhängigen Krebsentitäten sank unter HRT das Risiko.
Einfluss der HRT auf Magenkrebs?
Trifft dies aber auch auf Magenkrebs zu? Weltweit ist Magenkrebs immerhin die sechsthäufigste Krebsart und war 2020 für 768.793 Menschen die Todesursache. Obwohl seit einigen Jahren dank neuer Therapieoptionen (etwa die Eradikation von Helicobacter pylori mittels Säureblocker und Antibiotika) die Erkrankungszahlen rückläufig sind, wird die Zahl der Magenkrebsfälle für das Jahr 2035 auf 1.596.319 geschätzt.
Metaanalyse mit fast 2 Mio. Teilnehmerinnen
Ob hier die HRT möglicherweise das Magenkrebsrisiko senken könnte, wollte eine internationale Forschergruppe genau wissen [1]. Sie filterten für ihre Metaanalyse aus über 1000 Studien 11 Studien heraus, die zwischen 2003 und 2021 veröffentlicht wurden. Das Datenmaterial umfasste Kohorten aus 16 Ländern (unter anderem Kanada, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten). Insgesamt wurden die Daten von 1.919.089 Teilnehmerinnen in die Metaanalyse einbezogen.
Fast ein Drittel weniger Magenkrebs unter HRT
Das Ergebnis der Metaanalyse: Unter den Teilnehmerinnen war das gepoolte geschätzte Risiko für Magenkrebs bei denjenigen, die eine HRT erhielten, um 28% niedriger als bei den Frauen, die keine HRT erhalten hatten (relatives Risiko [RR] 0,72; 95% Konfidenzintervall [KI] 0,64-0,81).
HRT-Zusammensetzung spielt keine Rolle
Die Forscher schlüsselten dieses Ergebnis in einer Subgruppenanalyse auch nach den HRT-Formulierungen auf: Bei den Teilnehmerinnen, die eine reine Östrogen-HRT erhalten hatten, war das Magenkrebsrisiko um 37% geringer als bei denjenigen ohne HRT (RR 0,63; 95% KI 0,51-0,77). Bestand die HRT aus einer kombinierten Östrogen-Gestagen-Formulierung lag das Magenkrebs-Risiko um 30% niedriger im Vergleich zu den Nicht-Anwenderinnen (RR 0,70; 95% KI 0,57-0,87). Anders ausgedrückt: die Risikoreduktion für Magenkrebs ist unabhängig von der hormonellen Zusammensetzung der HRT.
HRT keine Präventionsstrategie gegen Magenkrebs
Das heißt jedoch nicht, dass HRT als primäre Präventionsmaßnahme in Sachen Magenkrebs zu verstehen ist, betonen die Autoren. Weitere Untersuchungen seien erforderlich, um das Gleichgewicht zwischen Nutzen und Schaden der HRT im Rahmen der Prävention chronischer Krankheiten zu prüfen.
Mechanismen weiter erforschen
Des Weiteren müssten die Mechanismen, die dem Zusammenhang zwischen Hormonersatztherapie und Magenkrebsrisiko zugrunde liegen, geklärt werden. Hierbei steht vor allem der Östrogenrezeptor beta im Fokus, der in Adenokarzinomen des Magens nachgewiesen werden konnte. Die Hormonbindung an diesen Rezeptor könnte zu einer Hemmung des Wachstums von Krebszellen und zur Apoptose führen.