
Hintergrund
An NTD leiden weltweit mehr als 1,5 Milliarden Menschen; die Hälfte von ihnen sind Kinder. Rund eine halbe Million Menschen versterben jährlich aufgrund einer NTD. Weitere Probleme sind die häufige Chronifizierung der NTDs sowie krankheitsbedingte Behinderungen, körperlichen Entstellungen, Stigmatisierung, Ausgrenzung und andere weitreichende Beeinträchtigungen.
Krankheiten mit höchster Priorität
Die Liste der vernachlässigten Tropenerkrankungen ist lang. Sie werden von Bakterien, Viren, Pilzen, Einzellern, Würmern, Insekten oder Reptilien verursacht. Gemäß der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die Bekämpfung der folgenden NTDs höchste Priorität:
- Bakterielle NTDs
- Buruli-Ulcus
- Trachom
- Lepra
- Frambösie
- Virale NTDs
- Dengue-Fieber
- Chikungunya
- Tollwut
- durch Pilze verursachte NTDs
- Myzetom
- Chromoblastomykose
- andere systemische Mykosen
- von Einzellern ausgelöste NTDs
- Afrikanische Schlafkrankheit
- Chagas-Krankheit
- Leishmaniosen
- Helminthosen
- Bilharziose (Schistosomiasis)
- Bodenübertragene Wurmerkrankungen (Spul-, Haken- und Peitschenwürmer)
- Echinokokkose
- Flussblindheit (Onchozerkose)
- Befall mit Guineawurm bzw. Medinawurm (Drakunkulose/Dracontiasis)
- Lebensmittel-übertragene Wurmerkrankungen
- Lymphatische Filariose, insbesondere Elephantiasis
- Lebensmittel-übertragener Trematoden-Befall (zum Beispiel Befall mit Leber- oder Lungenegeln = Fasziolose und Paragonimose)
- Blasenwurm (Zystizerkose)
- Durch Insekten und Reptilien verursachte NTDs
- Krätze (Scabies)
- Bisse von Giftschlangen
Armut und NTDs
In der Regel betreffen die aufgeführten Erkrankungen arme, vernachlässigte Bevölkerungsgruppen in Schwellen- und Entwicklungsländern. Manche NTDs sind aber auch außerhalb tropischer Länder, etwa in europäischen Regionen, zu finden. Armut fördert die Ansteckung, was die Not wiederum verstärkt – kranke Kinder bleiben der Schule und betroffene Erwachsene der Arbeit fern. Darüber hinaus wirken sich schwach entwickelte Hygienestandards negativ auf die Ausbreitung der NTDs aus. Überdies bestehen enge Zusammenhänge zwischen NTDs und Mangelernährung. So führen einige Wurmerkrankungen zu verminderter Nährstoffaufnahme und Eisenmangel oder Menschen geben aus Angst vor Ansteckung den Ackerbau in Gebieten auf, in denen man besonders ansteckungsgefährdet ist.
Ferner stellt die Versorgung der Bevölkerung mit Impfstoffen und Medikamenten eine logistische Herausforderung dar, etwa die Einhaltung der Kühlkette oder die Verteilung in entlegene Gebiete.
Programme zur Bekämpfung der NTDs
Seit 1987 gibt es Programme zur Ausrottung von armutsassoziierten vernachlässigten Tropenkrankheiten. 2012 wurden diese noch einmal ausgeweitet. Im Rahmen der „London Declaration“ verpflichteten sich zahlreiche forschende Pharma-Unternehmen aus Industrienationendazu, an der Eindämmung von vernachlässigten tropischen Krankheiten bis 2020 mitzuwirken.
Prävention und Therapie
Zur Bekämpfung der NTDs werden neben der Aufklärung der Bevölkerung zwei Strategien verfolgt:
- flächendeckende Präventivbehandlung (preventive chemotherapy, PCT) aller potenziell Betroffenen
- gezielte Therapie (intensified disease management, IDM) der tatsächlich Erkrankten
Damit konnten bislang 42 Länder eine oder mehrere NTDs eliminieren.
Erfolge
In der Demokratischen Republik Kongo fahren Ärzteteams systematisch von Dorf zu Dorf und untersuchen Bewohner, die dazu bereit sind, auf mögliche Infektionen. So konnte im Falle der afrikanischen Schlafkrankheit die Prävalenz von geschätzt 200.000 Infizierten im Jahr 1996 auf heute weniger als 5.000 Betroffene reduziert werden. Ein anderes Beispiel ist die Flussblindheit; sie wurde in einer Reihe von Ländern so dezimiert, dass die Krankheit kein Problem der öffentlichen Gesundheitsversorgung mehr darstellt.
Children without Worms ist ein Programm gegen boden-übertragene Würmer.
Ziel ist es, Kinder von Spul-, Haken- und Peitschenwürmern zu befreien, die im Darm leben. 2012 konnten laut WHO circa 29 Prozent aller Kleinkinder und 37 Prozent aller Schulkinder in Gefährdungsgebieten behandelt werden.
WHO-Roadmap 2030
Der ursprüngliche Plan der London Declaration, zehn NTDs in weniger als zehn Jahren zu kontrollieren oder ganz zu eliminieren, konnte nur zum Teil umgesetzt werden. Zur Verwirklichung der Ziele hat die WHO im Januar 2021 eine NTD-Roadmap bis 2030 beschlossen. Der neue Aktionsplan setzt auf eine Integration der NTD-Bekämpfung in die nationalen und regionalen Gesundheitssysteme, eine eng getaktete Fortschrittskontrolle und die verstärkte Kooperation aller Beteiligten, einschließlich forschender Pharmaunternehmen.