
In Deutschland leiden etwa 25 Millionen Menschen an einer arteriellen Hypertonie, dazu zählen insbesondere auch Personen mit Diabetes mellitus. Während die Prävalenz bei Typ-1-Diabetikern mit Nicht-Betroffenen vergleichbar ist, haben Typ-2-Diabetiker eine etwa doppelt- bis dreifach höhere Bluthochdruck-Prävalenz. Es besteht dabei eine enge Assoziation zu Übergewicht und mikro- sowie makrovaskulären Endorganschäden. Eine ausreichende Blutdrucksenkung auf 130 mmHg bis 140 mmHg kann bereits durch nichtmedikamentöse Maßnahmen erreicht werden [2]. Bei dem XXXII. Internationalen Fortbildungskurs in praktisch-klinischer Diabetologie des Diabeteszentrums Thüringen e.V. (DZT) referierte PD Dr. rer. Nat. Nicolle Müller vom Universitätsklinikum Jena, über die Datenlage zur nichtmedikamentösen Therapie des Bluthochdrucks.
Basis Schulungsprogramme
Die Basis der nichtmedikamentösen Therapie sei im Wesentlichen die Schulung, erklärte Müller. Dabei gibt es sowohl spezielle Programme für Menschen mit Bluthochdruck als auch Diabetesprogramme, die Aspekte zur Hypertonie behandeln.
Nichtmedikamentöse Maßnahmen zur Senkung und Kontrolle des Blutdrucks werden beispielsweise in der S3-Leitline der Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) »Hausärztliche Risikoberatung zur kardiovaskulären Prävention« beschrieben. Auch hier heißt es, dass Lebensstilinterventionen die Basis der antihypertensiven Therapie bei allen Patienten mit arterieller Hypertonie bilden sollten [3].
Da es sich bei den Schulungsprogrammen um komplexe Interventionen handele, könne nicht im Detail gesagt werden, worauf genau sich die Blutdrucksenkung zurückführen lasse. Eine Betrachtung der Datenlage zu den einzelnen Interventionen solle darüber genauer Aufschluss geben, so Müller.
Blutdruck-Selbstkontrolle
Aufregung und die bekannte Weißkittelhypertonie können die Messung von Blutdruckwerten in der Arztpraxis beeinträchtigen. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass die Blutdruck-Selbstkontrolle einen besseren Prädiktor für kardiovaskuläre Outcome-Kriterien darstellt.
In einer Metaanalyse wurden 15 randomisierte Studien betrachtet, die die Blutdruck-Selbstkontrolle mit der Kontrolle durch Fachpersonal verglichen. Es konnte gezeigt werden, dass über 12 Monate die Selbstkontrolle mit einem reduzierten systolischen Blutdruck von -3,2 mmg Hg (95%-Konfidenzintervall [KI] -4,9 bis -1,6 mmHg) im Vergleich zum üblichen Vorgehen einherging.
Die Effektivität der Blutdrucksenkung hing dabei stark von der Intensität der begleitenden Intervention ab. Es zeigte sich kein Effekt bei ausschließlicher Blutdruck-Selbstkontrolle (-1,0 mmHg, 95%-KI -3,3 bis 1,2) bis hin zu einer starken Blutdrucksenkung von 6,1 mmHg (95%-KI -9,0 bis -3,2) bei intensivem Support [4]. Dies zeige, dass es sinnvoll wäre, die vom Patienten gemessenen Blutdruckwerte gemeinsam mit dem Arzt auszuwerten und zu besprechen, erläuterte Müller.
Kardiovaskuläres Risiko
Eine weitere Metaanalyse untersuchte acht groß angelegte, prospektive Langzeitstudien mit insgesamt 17.688 Teilnehmenden und einem Follow-up von beinahe 100.000 Personenjahren. Auch hier erwies sich der zu Hause gemessene Blutdruck durchweg als signifikanter Prädiktor für kardiovaskuläre Ereignisse. Die Ergebnisse zeigten insgesamt eine Erhöhung der kardiovaskulären Ereignisse pro 1 mmHg systolischer Blutdrucksteigerung um 1,5% (Hazard Ratio HR 1,015, 95%-KI 1,010 bis 1,020) bei der Blutdruck-Selbstkontrolle im Vergleich zu 0,7% (HR 1,007; 95%-KI 1,004 bis 1,011) bei Messungen in der Praxis [5].
Körperliche Bewegung
Das Schulungsprogramm des deutschen Ärzteverlags empfiehlt eher Ausdauer- statt Krafttraining. Müller stellte zwei Studien zu isometrischem Training und regelmäßigem Laufen vor. Die Ergebnisse der Blutdrucksenkung waren mit etwa -4 mmHg systolisch vergleichbar.
Eine Metaanalyse von 15 randomisierten, kontrollierten Studien untersuchte den Effekt körperlicher Bewegung auf den Blutdruck. Die Teilnehmenden bewegten sich drei- bis fünfmal pro Woche und die Studiendauer betrug 8 bis 24 Wochen. Das Training reduzierte den Blutdruck signifikant um etwa -5 mmHg systolisch und -3 mmHg diastolisch [6].
Gewichtsreduktion & kalorienreduzierte Kost
Übergewicht ist ein wichtiger Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen. Inhalt der Schulungsprogramme ist daher auch die kalorienreduzierte Kost zur Gewichtsreduktion.
In einem Cochrane-Review wurden die Langzeiteffekte einer Gewichtsreduktion durch Diäten bei erwachsenen Patienten mit primärer Hypertonie betrachtet. Es wurden randomisierte kontrollierte Studien mit einer Mindestlaufzeit von 24 Wochen (6 bis 36 Monate) eingeschlossen. Die Studienteilnehmer nahmen im Mittel 4,0 kg (95%-KI -4,8 bis -3,2) ab. Im Vergleich zur Kontrollgruppe ohne Intervention zeigte eine gewichtsreduzierende Diät eine Blutdrucksenkung von -4,5 mmHg (95%-KI -7,2 bis -1,8) systolisch und -3,2 mmHg (95%-KI -4,8 bis -1,5) diastolisch [7].
Reduktion der Antihypertensiva-Einnahme
Die randomisierte, offene DiRECT-Studie (Diabetes Remission Clinical Trial) untersuchte die Veränderungen des Blutdrucks bei 143 Patienten mit Typ-2-Diabetes durch Formula-Diäten über 12 bis maximal 20 Wochen. Teilnehmende mit antihypertensiver Therapie (n=78) sollten diese zu Beginn der Studie absetzen. Von den 69 Patienten bei denen dies möglich war, mussten 46 die medikamentöse Behandlung im Laufe der Studie wieder aufnehmen, 23 waren zum Ende der Studie und 19 nach 24 Monaten noch ohne antihypertensive Therapie. In dieser Gruppe sank der Blutdruck erst nach etwa neun Wochen signifikant um -4,5 mmHg systolisch und -2,5 mmHg diastolisch (jeweils p=0,03) [8].
Salzreduzierte Kost
Für Patienten mit Hypertonie wird eine maximale Dosis von 6 g Kochsalz (NaCl) pro Tag empfohlen.
Ein Cochrane-Review untersuchte 195 Studien, die den Einfluss einer niedrigen im Vergleich mit einer hohen Kochsalzmenge auf den Blutdruck betrachteten. Der Blutdruck sank im Mittel um -5,7 mmHg systolisch und -2,9 mmHg diastolisch. Nach einem Follow-up von bis zu 12,7 Jahren zeigte sich keine Risikoreduktion der Gesamtsterblichkeit und keine signifikante Risikoreduktion der kardiovaskulären Sterblichkeit [9].
Kochsalzsubstitution
Neben einer salzreduzierten Kost werden auch Untersuchungen mit Salzsubstitutionen durchgeführt. In einer randomisierten, offenen chinesischen Studie wurden 20.995 Personen in eine Kontrollgruppe, die übliches Kochsalz (100% NaCl) und eine Interventionsgruppe, die ein Salz aus 75% NaCl und 25% KCl erhielt, 1:1 randomisiert.
Nach einem Follow-up von durchschnittlich 4,7 Jahren zeigte sich eine Blutdrucksenkung von etwa 3 mmHg systolisch. Außerdem konnte eine geringere Anzahl kardiovaskulärer Ereignisse (49 vs. 56 Ereignisse pro 1.000 Personenjahren, Rate Ratio 0,87; 95%-KI 0,80 bis 0,94; p<0,001) sowie Todesfälle (39 vs. 45 Ereignisse pro 1.000 Personenjahre; Rate Ratio 0,88; 95%-KI 0,82 bis 0,95; p<0,001) in der Interventionsgruppe festgestellt werden. Hyperkaliämien traten in beiden Gruppen mit vergleichbarer Häufigkeit auf [10].
Stressreduktion
Die verschiedenen Entspannungsmethoden ersetzten keine medikamentöse Therapie und zeigten in Studien bisher keine dauerhafte blutdrucksenkende Wirkung, erklärte Müller.
Ein Cochrane-Review betrachtete 25 randomisierte, kontrollierte Studien, die eine Entspannungstherapie mit einer aktiven oder Scheinbehandlung bei Personen mit erhöhtem Blutdruck verglichen. Es zeigte sich eine geringe, aber signifikante Reduktion des Blutdrucks von -5,5 mmHg (95%-KI -8,2 bis -2,8) systolisch und -3,5 mmHg (95%-KI: -5,3 bis -1,6) diastolisch.
In neun Studien mit Verblindung der Prüfer sowie 15 Studien, die eine Entspannungs- mit einer Scheintherapie verglichen, zeigte sich keine signifikante Blutdrucksenkung. Insgesamt waren die betrachteten Studien sehr heterogen und meist von schlechter Qualität, sodass die Evidenz als schwach eingestuft wird [11].
Alkoholkonsum
Es wird empfohlen den Alkoholkonsum bei Hypertonie möglichst zu beschränken, da Alkohol den Blutdruck erhöhen kann. Die Datenlage hierzu sei nach wie vor sehr schlecht, so Müller.
In einem Cochrane-Review wurden 1210 Studien ohne wesentliches Ergebnis untersucht. Es zeigten sich kein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko (RR 0,80, 95%-KI 0,36 bis 1,79) oder ein signifikanter Einfluss auf den Blutdruck. Die Evidenzlage ist wie bereits erwähnt aufgrund heterogener Designs und schlechter Qualität der Studien sehr schwach [12].
Rauchen
Patienten, die rauchen, wird empfohlen, möglichst damit aufzuhören. Für Auswirkungen des Rauchverzicht auf den Blutdruck fehlt allerdings bisher die Evidenz [3,13]. Müller betonte aber, dass die Schädlichkeit des Rauchens unstrittig sei.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass für nichtmedikamentöse Maßnahmen des Bluthochdrucks nur schwache wissenschaftliche Nachweise über eine Reduktion kardiovaskulärer Endpunkte vorliegen. Dennoch stellen diese einen wichtigen Bestandteil der antihypertensiven Therapie dar.
Die folgende Tabelle [2] gibt eine Übersicht über zu erwartende Blutdrucksenkung der einzelnen Maßnahmen. Müller wies jedoch auch darauf hin, dass es bei der Hypertonietherapie nicht um die Behandlung von Werten gehe, sondern darum, die Komplikationen des Bluthochdrucks zu verhindern.
Maßnahme | Zu erwartende Blutdrucksenkung |
Körperliche Aktivität (5 Tage/Woche 30 min. oder 3x 1 Stunde/Woche) | 4-9 mmHg |
Gewichtsreduktion (pro Kilogramm bei Übergewicht) | 1-2 mmHg |
Salzreduktion | 5-8 mmHg |
Alkohol | 2-4 mmHg |
Rauchen | 2-5 mmHg |