
Hintergrund
Bei Frauen kommt es im Laufe ihres Lebens zu bedeutenden Änderungen des Sexualhormonhaushalts, die die kardiovaskuläre Gesundheit beeinflussen können. Es gibt spezifisch weibliche Risikofaktoren, die die Gesundheit von Herz und Kreislauf bereits von jungen bis mittelalten Frauen gefährden. Hierzu zählen zum Beispiel Schwangerschaftsdiabetes, Hypertonie während der Schwangerschaft oder der Übergang zur Menopause. Gerade die Menopause stellt einen gravierenden Einschnitt in das Leben von Frauen dar, der auch Auswirkungen auf den Alterungsprozess und die kardiovaskuläre Gesundheit hat.
Kardiovaskuläre Auswirkungen der Menopause
Östrogene regulieren die Gefäßreaktivität, den Blutdruck, die Endothelfunktion und das kardiale Remodeling. Veränderungen des Östrogenspiegels haben außerdem Auswirkungen auf das Immunsystem, die wiederum eng mit der vaskulären Funktion und dem Alterungsprozess verbunden sind. Wenn der Östrogenspiegel nach dem Einsetzen der Menopause im Alter von 40-60 Jahre (im Durchschnitt 51 Jahren) abfällt, steigen die kardiovaskulären Risiken für Frauen, insbesondere das Hypertonie-Risiko.
Interdisziplinäres Konsensuspapier
In einem Konsensuspapier haben europäische Kardiologen, Gynäkologen und Endokrinologen den aktuellen Kenntnisstand zu den gynäkologischen und obstretischen Einflussfaktoren auf die kardiovaskuläre Gesundheit nach der Menopause zusammengefasst und praktisch-klinische Empfehlungen zur Prävention und Behandlung spezifisch weiblicher kardiovaskulärer Risiken entsprechend der aktuellen Standards der unterschiedlichen Fachrichtungen gegeben. Das Konsensuspapier wurde im European Heart Journal open access veröffentlicht. [1]
Fehlinterpretiert und unterdiagnostiziert: Bluthochdruck
Ein besonderes Augenmerk der Autoren des Konsensuspapiers lag auf der Hypertonie bei Frauen in der Menopause. Bis zu 50% der Frauen entwickeln Bluthochdruck bereits vor ihrem 60. Geburtstag, die Symptome hierfür werden jedoch häufig falsch interpretiert. Die Erstautorin Professorin Angela Maas, Direktorin des Women’s Cardiac Health Programme der Radboud University Medical Centre, Nijmegen in den Niederlanden erklärte hierzu in einer Pressemeldung der European Heart Society: „Bluthochdruck wird bei Männern Hypertonie genannt, bei Frauen jedoch irrtümlicherweise als Stress- oder menopausales Symptom deklariert. Wir wissen, dass der Blutdruck bei Frauen weniger gut behandelt wird als bei Männern.“ Die schlechtere Behandlung setze Frauen einem vermeidbaren erhöhten Risiko für Vorhofflimmern, Herzinsuffizienz und Schlaganfällen aus, ergänzte Maas. [2]
Identifikation von Risikopatientinnen
Aus der Krankengeschichte von Frauen lassen sich Informationen zu spezifisch weiblichen Risikofaktoren gewinnen, die gezielt zur frühen Identifikation von Risikopatientinnen genutzt werden können. Bluthochdruck in der Schwangerschaft kann ein Vorzeichen für Hypertonie in der Menopause sein und Präeklampsie ist mit einem vierfach erhöhten Risiko von Herzversagen und Hypertonie sowie einer Verdopplung des Schlaganfallrisikos verknüpft. Das kardiovaskuläre Risiko von Frauen steigt mit jedem Jahr, indem die Menopause vor dem 40. Geburtstag eintritt, um 3%. Autoimmune inflammatorische Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis und Lupus kommen bei Frauen häufiger als bei Männern und erhöhen das kardiovaskuläre Risiko zusätzlich.
Frühes Eingreifen kann schützen
Wenn der Bluthochdruck bei Frauen in den 40gern oder 50gern nicht adäquat behandelt wird, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie mit 70 unter einer schwer behandelbaren Hypertonie leiden hoch. Das Konsensuspapier gibt Empfehlungen zum Management der Herzgesundheit von Frauen während der Menopause, nach Komplikationen in der Schwangerschaft und anderen gynäkologischen Erkrankungen und berücksichtigt dabei auch Lebensstil und Ernährung.
Hormontherapien und Transgenderfrauen
Vor der Einleitung einer Hormontherapie zur Behandlung menopausaler Beschwerden wie Nachtschweiß oder Hitzewallungen sollte das kardiovaskuläre Risiko der Patienten sorgfältig abgeklärt werden. Bei Hochrisikopatientinnen sollte auf Hormonersatztherapien verzichtet werden. Transgenderfrauen benötigen eine lebenslange Hormontherapie, die zu einem im Laufe der Zeit steigenden Thromboserisiko führt. Um dieses zu kontrollieren, sollten diese Patientinnen ermutigt werden, einen gesunden Lebensstil zu pflegen.
Multidisziplinäre Zusammenarbeit
“Eine gute Zusammenarbeit zwischen Kardiologen Gynäkologen und Endokrinologen ist nötig, um die bestmögliche Betreuung und Behandlung weibliche Patientinnen zu gewährleisten.“, empfiehlt Maas. Eine gründliche Anamnese auch der gynäkologischen Vorgeschichte von Frauen kann dabei helfen spezielle kardiovaskuläre Risiken frühzeitig zu identifizieren und ihnen entgegenzuwirken.