Künstliche Intelligenz stratifiziert Herztodrisiko

Ein auf künstlicher Intelligenz basierendes Scoringsystem sagt genauer als bisherige Risikobewertungssysteme vorher, wie hoch die Wahrscheinlichkeit von Patienten mit einer Herzkrankheit oder kardiovaskulären Risikofaktoren ist, in den nächsten zehn Jahren zu sterben.

Künstliche Intelligenz

Hintergrund

Eine Risikostratifizierung wird bei Patienten durchgeführt, die an einer kardiovaskulären Krankheit leiden oder ein hohes kardiovaskuläres Risiko aufweisen. Es dient dazu, das Krankheitsmanagement dem Risikoprofil des Patienten anzupassen, um kardiovaskulären Ereignissen wie Myokardinfarkt, Schlaganfall oder plötzlichem Herztod, vorzubeugen. Gebräuchliche Bewertungssysteme nutzen eine begrenzte Menge klinischer Daten, wie beispielsweise Alter, Geschlecht, Rauchverhalten, Blutdruck und Cholesterinwerte. Anders als die gebräuchlichen Scoringsysteme nutzt ein neues System, das auf künstlicher Intelligenz beruht, neben klinischen Daten auch die Bilddaten einer kardiovaskulären Stress-Magnetresonanztomographie (Stress-CMR). Der „Stress“ wird hier durch Substanzen hervorgerufen, die dem Patienten im MRT-Scanner verabreicht werden und die die physiologischen Effekte körperlicher Anstrengung auf das Herz nachahmen.

Größere Datenverarbeitungskapazität

Maschinelles Lernen befähigt das neue Scoringsystem große Mengen verschiedener Informationen gleichzeitig zu verarbeiten und miteinander in Beziehung zu bringen. „Für Kliniker mögen einige der Daten, die das neue Scoringsystem erhebt und verarbeitet, als nicht relevant für die Risikostratifikation erscheinen, aber über das maschinelle Lernen können Zusammenhänge entdeckt werden, von denen wir nicht wussten, dass sie existieren,“ erklärte Dr. Theo Pezel vom Johns Hopkins Hospital, Baltimore. Um die Vorhersagefähigkeit des neuen Systems im Vergleich zu gebräuchlichen Methoden der Risikostratifizierung zu vergleichen, führte ein Team um Pezel eine Studie mit fast 32.000 Patienten-Datensätzen durch. Ihre Ergebnisse präsentierten die Autoren auf dem EuroEcho Kongress 2021 der European Society of Cardiology.

Zielsetzung

In der Studie wurde untersucht, wie genau ein Scoringsystem, das auf maschinellem Lernen beruht und neben klinischen Daten auch die Bilddaten einer Stress-CMR nutzt, bei der Vorhersage der 10-Jahres-Gesamtmortalität bei Patienten mit Verdacht auf oder bestätigter Koronarer Herzkrankheit (KHK) ist. Die Vorhersagegenauigkeit des auf künstlicher Intelligenz basierenden Scoringsystems wurde mit der Leistung traditioneller Systeme verglichen.

Methoden

In die Studie aufgenommen wurden 31.752 Patienten, zwischen 2008 und 2018 zur Stress-CMR in ein Pariser Zentrum überwiesen worden waren. Die Überweisungsgründe waren Brustschmerzen, Kurzatmigkeit bei Anstrengung oder ein hohes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen bei gleichzeitiger Symptomfreiheit. Als hohes kardiovaskuläres Risiko wurde das Vorliegen von mindestens zwei Risikofaktoren, wie Hypertonie, Diabetes, Hyperlipidämie und aktuelles Rauchen, definiert. Das Durchschnittsalter der Patienten betrug 64 Jahre, 66 % waren männlich. Daten zu 23 klinischen und 11 CMR Parametern wurden erhoben. Zur Erhebung der Gesamtmortalität wurden die Patienten im Median 6 Jahre nachbeobachtet. Die Sterbedaten wurden vom nationalen Sterberegister in Frankreich bezogen. Während der Nachbeobachtungsphase starben 2.679 (8,4 %) der Patienten.

Schritte des maschinellen Lernens

Das maschinelle Lernen erfolgte in zwei Schritten. Im ersten Schritt wurde es genutzt, um zu selektieren, welche der klinischen und CMR Parameter Todesfälle vorhersagen konnten und welche nicht. Im zweiten Schritt erstellte das maschinelle Lernen basierend auf den in Schritt 1 als aussagekräftig erkannten Parametern einen Algorithmus, der diese unterschiedlich gewichtete, um die Vorhersage zu optimieren. Den Patienten wurde darauf hin ein Score von 0 (geringes Risiko) bis 10 (hohes Risiko) für die Sterbewahrscheinlichkeit innerhalb von 10 Jahren zugewiesen.

Vergleich der Vorhersagegenauigkeit

Die Vorhersagegenauigkeit wurde mit der von folgenden Scoringsystemen verglichen: Systematic COronary Risk Evaluation (SCORE), QRISK3, Framingham Risk Score (FRS) und a kürzlich entwickelten Score, der klinische und CMR Daten (clinical-stressCMR [C-CMR-10])2 nutzte. Alle Systeme wurden mit den gleichen Daten gefüttert, um das 10-Jahres-Gesamtmortalitätsrisiko zu errechnen. Keines der Vergleichssysteme wendete maschinelles Lernen an.

Ergebnisse

Das auf dem maschinellen Lernen basierende Scoringsystem konnte mit 76%iger Genauigkeit (area under the curve [AUC] 0,76) vorhersagen, welche Patienten sterben oder leben würden. „Das bedeutet, dass das System bei ungefähr 3 von 4 Patienten eine korrekte Vorhersage machte,“ erklärte Pezel. Im Vergleich mit den anderen Scoringsystem war die AUC für die Vorhersage der 10-Jahres-Gesamtmortalitätdes auf maschinellem Lernen basierenden Systems signifikant größer. Diese erzielten im Einzelnen folgende AUCs: SCORE = 0,66, QRISK3 = 0,64, FRS = 0,63 und C-CMR-10 = 0,68.

Fazit

Pezel zog folgendes Fazit aus den Studienergebnissen: "Die Stress CMR ist eine sichere Technik, die ohne Strahlung funktioniert. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die Auswertung von Bildinformationen und klinischen Daten durch einen durch maschinelles Lernen erstellten Algorithmus ein äußerst nützliches Hilfsmittel für die Vorbeugung von kardiovaskulären Krankheiten und plötzlichen Herztod bei Patienten mit kardiovaskulären Symptomen oder Risikofaktoren sein könnte.“

Autor:
Stand:
27.12.2021
Quelle:

European Society of Cardiology (ESC) (2021): Machine learning predicts risk of death in patients with suspected or known heart disease. Pressemitteilung vom 11. Dezember 2021.

  • Teilen
  • Teilen
  • Teilen
  • Drucken
  • Senden

Anzeige