Kardiovaskuläre Risikosenkung: Sport hilft nur bedingt

Übergewichtige und adipöse Menschen haben ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko unabhängig von ihrer körperlichen Aktivität. Sind sie körperlich aktiv, wird das Risiko nur bedingt gesenkt. Nur durch Gewichtsabnahme kann das Risiko effizient verringert werden.

Mann auf Laufband

Hintergrund

Es bestehen keine Zweifel, dass Übergewicht und Adipositas das kardiometabolische Risiko deutlich erhöhen. Die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas hat in unserer Bevölkerung inzwischen pandemische Ausmaße erreicht.

Eine kürzlich veröffentlichte Meta-Analyse zeigt jedoch, dass eine geringe kardiorespiratorische Fitness (CRF) ein stärkerer Prädiktor für kardiovaskuläre Erkrankungen (CVD) ist als die Adipositas. Körperliche Aktivität (KA), die die CRF verbessert, sollte hiernach mehr in den Fokus gerückt werden, da dies für adipöse Menschen leichter umzusetzen ist als eine Gewichtsabnahme. Die Richtigkeit des Paradoxes „dick, aber fit“ muss daher in weiteren Studien untersucht werden.

Zielsetzung

Das Ziel der Beobachtungsstudie war es, den gemeinsamen Zusammenhang zwischen verschiedenen BMI-Kategorien und Werten der KA auf die Prävalenz der wichtigsten CVD-Risikofaktoren zu untersuchen.

Methodik

Probanden der Beobachtungsstudie waren Versicherte einer großen Berufsgenossenschaft im Alter zwischen 18 und 64 Jahren, die ihre mündliche Einwilligung gaben und im Rahmen ihrer Krankenversicherung routinemäßig medizinisch untersucht wurden.

Zunächst wurden die Teilnehmer nach ihrem BMI in die Kategorien normalgewichtig (BMI: 20,0-24,9 kg/m2), übergewichtig (BMI: 25,0-29,9 kg/m2) und adipös (BMI ≥ 30 kg/m2) eingestuft. Anschließend erfolgte die Einteilung der Probanden anhand ihrer KA in inaktiv, unzureichend aktiv oder aktiv. Die Empfehlungen der WHO wurden hierfür zu Grunde gelegt.  Zusätzlich wurden Daten der körperlichen Untersuchungen erfasst. Hierzu gehörten die Prävalenz eines Diabetes mellitus (medikamentöse Behandlung oder Blutzuckerspiegel > 125 mg/dL), Hypercholesterinämie (medikamentöse Behandlung oder Gesamtcholesterin ≥ 240 mg/dL) und Hypertonie (medikamentöse Behandlung oder systolischer/diastolischer Blutdruck ≥ 140/90 mmHg).

Der Zusammenhang zwischen jeder BMI/KA-Gruppe und der Prävalenz der CVD-Risikofaktoren wurde mittels logistischer Regression bestimmt. Das Modell wurde vorab um demografische und deskriptive Variablen bereinigt.

Ergebnisse

Charakteristika der Probanden

In die Datenanalyse gingen Daten von 527.662 Probanden ein. Es waren 32% der Teilnehmer weiblich und das mittlere Alter lag bei 42,3 ± 9,4 Jahren. Der BMI lag im Mittel bei 26,2 ± 4,3 kg/m2. Normalgewichtig waren 42% der Probanden, 41% waren übergewichtig und 18% adipös. Es waren 63,5% aller Probanden körperlich nicht aktiv, 12,3% unzureichend aktiv und 24,2% gingen regelmäßig einer KA nach. Eine diagnostizierte Hypercholesterinämie hatten 30%, eine Hypertonie 15% und Diabetes lag bei 3% aller Probanden vor.

Studienergebnisse

Eine regelmäßige oder auch unzureichende körperliche Aktivität reichte innerhalb aller BMI-Kategorien im Vergleich zur körperlichen Inaktivität aus, das Diabetes- und Hypertonie-Risiko zu senken, wie eine Dosis-Wirkungsbeziehung zeigte. Sie konnte jedoch nicht die negativen Auswirkungen von Übergewicht bzw. Adipositas kompensieren.

Im Detail zeigte sich, dass im Vergleich zu normalgewichtigen, aktiven Personen adipöse und inaktive Männer 5,94-mal (95%-Konfidenzintervall (CI) 5,68–6.,21; p<0.001) häufiger hohen Blutdruck hatten und bei Frauen das Risiko sogar um 7,28-fach (95%-CI 6,59–8,04; p<0,001) erhöht war. Eine KA bei Adipösen konnte dieses Risiko nur bedingt senken, es war bei Männern immer noch um den Faktor 4,93 (95%-CI 4,64–5,24; p<0,001) und bei Frauen um 5,45 (95%-CI 4,62–6,44; p<0,001) erhöht. Im Gegensatz hierzu hatten normalgewichtige männliche Probanden bei moderater KA lediglich ein 25%ig erhöhtes und Frauen ein 30%ig erhöhtes Risiko.

Vergleichbare Ergebnisse zeigten sich beim Diabetes-Risiko. Dieses war bei adipösen Männern mit inaktiver KA um den Faktor 5,42 (95%-CI 4,91–5,98; p<0,001) und bei Frauen um den Faktor 6,26 (95%-CI 5,10–7,69; p<0,001) erhöht. Die KA konnte das Risiko entsprechend auf 3,62-fach (95%-CI 3,18–4,12; p<0,001) bzw. 4,18-fach (95%-CI 2,96–5,92; p<0,001) im Vergleich zu aktiven Normalgewichtigen senken. Aber auch normalgewichtige Männer und Frauen ohne KA zeigten bereits ein erhöhtes Risiko für Stoffwechselstörungen, mit einer Erhöhung von 56% bei Männern und 27% bei Frauen.

Fazit

Die bevölkerungsbasierte Querschnittsstudie aus Spanien zeigt, dass eine Erhöhung der KA über alle BMI-Kategorien hinweg Vorteile in Form einer Dosis-Wirkungsbeziehung für das Risiko von Hypertonie und Diabetes hat. Die Risiken sinken mit steigender KA. Jedoch reicht eine KA allein nicht aus, das Risiko von kardiovaskulären Erkrankungen bei übergewichtigen und adipösen Menschen zu senken. Hier muss eine Gewichtsabnahme per se das primäre Ziel sein, um das CVD-Risiko zu reduzieren.

Autor:
Stand:
09.03.2021
Quelle:
  1. Valenzuela P.L. et al. (2021): Joint association of physical activity and body mass index with cardiovascular risk: a nationwide population-based cross-sectional study. European Journal of Preventive Cardiology, DOI: 10.1093/eurjpc/zwaa151
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