
Hintergrund
Vorhofflimmern (VF) ist mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten von Schlaganfällen, Herzinsuffizienz, kognitiven Beeinträchtigungen und erhöhter Mortalität assoziiert. Diese Komorbiditäten erhöhen wiederum das kardiovaskuläre Risiko, verschlechtern die Herzfunktion und bedingen das Fortschreiten von paroxysmalen zu persistierendem VF. Die Behandlung der Risikofaktoren kann den Ausgang von VF-Patienten verbessern und die Leitlinien-gerechte Therapie (LGT) der Komorbiditäten kann helfen das Risiko, dass mit diesen assoziiert ist, zu senken. Die Mehrheit der VF-Patienten erhält jedoch nicht alle zur Verfügung stehenden LGT die für Ihre vorhandenen Komorbiditäten notwendig sind.
Zielsetzung
Der Einfluss der LGT der Komorbiditäten auf das klinische Outcome von VF-Patienten ist bis heute nicht vollständig untersucht. Daher wurde die Hypothese aufgestellt, dass die Anwendung aller geeigneten LGT für Komorbiditäten in VF-Patienten mit einer geringeren Rate an unerwünschten Ereignissen assoziiert ist sowie mit einem geringeren Fortschreiten des VF (paroxysmal zu persistierend).
Methodik
Die Studienpopulation setzte sich aus Probanden der beiden Register ORBIT-AF und ORBIT-AF II zusammen. In diese Register wurden ambulant behandelte Erwachsene mit echokardiographisch dokumentiertem VF eingeschlossen, die sich einem halbjährlichem Follow-Up über zwei Jahre unterzogen haben. Für den Einschluss in die aktuelle Studie musste mindestens eine der folgenden Erkrankungen mit Option zur LGT diagnostiziert und bei Einschluss vorhanden sein: koronare Herzkrankheit, Diabetes mellitus, Herzinsuffizienz, Hyperlipidämie, Hypertonie, periphere Gefäßerkrankung, obstruktive Schlafapnoe.
Das Hauptziel der Studie war das Auftreten von schweren kardialen/neurovaskulären Ereignissen (MACNE [major adverse cardiac/neurovascular events]). Hierzu gehören: Tod kardiovaskulärer Ursache, Myokardinfarkt, embolische Ereignisse und das Neuauftreten von Herzinsuffizienz.
Zu den sekundären Zielen der Studie die Gesamtmortalität, das Neuauftreten von Herzinsuffizienz und das Fortschreiten des Vorhofflimmerns.
Ergebnisse
Studienpopulation:
- Von den 23.531 Patienten der beiden Register ORBIT-AF und ORBIT-AF wurden 20.434 Probanden in die aktuelle Studie eingeschlossen. 2.446 Patienten wurden aufgrund fehlender LGT Erkrankungen bei Basis ausgeschlossen und 651 Patienten aufgrund fehlender Follow-up Daten.
- Das mittlere Alter betrug 72,3 ± 10,8 Jahre. 41,7% der Probanden waren weiblich und 87,1% weiß.
- 6.782 Patienten (33,2%) erhielten alle für sie notwendigen LGT und 13.652 Patienten (66,8%) erhielten nur eine teilweise oder keine LGT.
- Patienten mit Hyperlipidämie (75,6%) hatten den höchsten Anteil alle LGT ihrer Komorbiditäten entsprechend zu erhalten. Patienten mit Diabetes mellitus hatten mit 43,1% den geringsten Anteil.
Klinische Ergebnisse:
- Insgesamt wurden 1.678 MACNE-Ereignisse (5 Ereignisse pro 100 Patientenjahre) und 1.809 Todesfälle (Ereignisrate (ER) = 5,2) dokumentiert.
- Bei 419 Patienten wurde ein erneutes Neuauftreten von VF dokumentiert (ER = 1,8).
- Bei 2.738 (24,4%) von 11.238 Patienten gab es ein Fortschreiten des VF von paroxysmal zu persistierend im Laufe des Follow-up.
- Es zeigte sich ein Trend zwischen der Anwendung aller möglichen LGT und einem verminderten Risiko des Auftretens von MACNE (Hazard Ratio (HR): 0,84, 95%-Konfidenzintervall (KI): 0,75-0,95). Ein Trend zum verminderten Auftreten von MACNE und Gesamtmortalität war erkennbar erreichte jedoch keine statistische Signifikanz (HR 0,90, 95%-KI: 0,79-1,02, p = 0,09 und HR: 0,90, 95%-KI 0,80-1,01, P=0,08).
Spezifische LGT der Komorbiditäten und klinische Ergebnisse
- Keine der LGT für spezifische Komorbiditäten war mit dem primären Endpunkt assoziiert.
- Für den Endpunkt der Gesamtmortalität war die Einnahme der LGT für Herzinsuffizienz mit einem geringeren Mortalitäts-Risiko assoziiert (HR: 0,77, 95%-KI: 0,67-0,89, p < 0,001).
- Die Einnahme aller LGT für koronare Herzerkrankungen war verhältnismäßig mit einer erhöhten VF-Progression assoziiert (Odd Ratio (OR): 1,17, 95%-KI: 1,01-1,34).
- Die Anwendung eines kontinuierlich positiven Atemwegsdruck bei obstruktiver Schlafapnoe verringerte verhältnismäßig die VF-Progression (OR: 0,75, 95%-KI: 0,62-0,90).
- Die Einnahme aller LGT für Diabetes mellitus, Hyperlipidämie, Hypertonie und peripheren Gefäßerkrankungen zeigte keinen Einfluss auf das klinische Outcome.
Fazit
Eine LGT zur Behandlung der Komorbiditäten bei Patienten mit VF wird in der Routine unzureichend eingesetzt. Lediglich 33% der Patienten haben in dieser Studie alle für sie notwendigen LGT für ihre diagnostizierten Komorbiditäten erhalten. Der höchste Einfluss einer Anwendung der LGT und einer geringeren Gesamtmortalität bzw. einer VF-Progression wurde bei Herzinsuffizienz und obstruktiver Schlafapnoe festgestellt.