
Für die Selektion geeigneter Brustkrebspatientinnen für eine Immuntherapie gibt es derzeit nur wenige Biomarker, viele davon nur Surrogatmarker. Neuer Untersuchungen weisen darauf hin, dass das Genom des Tumors seine Immunität prägt, auch wenn weitere Faktoren wie Gewebeumfeld und externe Einflüsse die Stärke und den zeitlichen Rahmen der körpereigenen Krebsabwehr beeinflussen. Änderungen in der Genexpression des Tumors aufgrund epigenetischer Modifikationen und die Expression von mikroRNA tragen vermutlich direkt zur Immunmikroumgebung und der Immunogenität eines Tumors bei, erläuterte Prof. Guiseppe Curigliano vom European Institute of Oncology in Mailand, Italien, in seinem Vortrag auf dem ESMO-Kongress 2018 in München [1].
Aktuell verfügbare Biomarker
Derzeit stehen nur wenige Biomarker zur Verfügung, fasste Curigliano die Ausgangssituation zusammen:
- Immunohistochemisch bestimmtes PD-L1Protein (PD-L1 ICH)
- Immunzellen
- Gensignaturen
- Tumormutationslast (tumour mutational burden, TMB)
- Tumor-infiltrierende Leukozyten (tumour infiltrating lymphocytes, TIL)
Immunsignaturen
Um mögliche genetische Determinanten der Immunantwort zu charakterisieren verglichen Hendrickx und Kollegen (Curigliano ist Co-Autor der Publikation) Kopienzahländerungen, somatische Mutationen und Expressionsdaten aus dem Cancer Genome Atlas (TCGA) mit den Sequenzierungsdaten von Tumoren von 1004 Patientinnent. Die Forscher definierten verschiedene Immunphänotypen (ICR1 bis ICR4), die durch fortschreitende Expression von Transkripten gekennzeichnet waren, die zuvor mit einer immunvermittelten Abstoßungsreaktion assoziiert worden waren. Der ICR4-Phänotyp (ICR4), der ebenfalls eine Hochregulation von immunregulatorischen Transkripten wie PDL1, PD1, FOXP3, IDO1 und CTLA4 zeigt, war mit einem verlängerten Überleben der Patienten verbunden. Mutationen von TP53 waren im immun-günstigen Phänotyp (ICR4) angereichert. Umgekehrt war das Vorhandensein von MAP3K1- und MAP2K4-Mutationen eng mit einem immunen ungünstigen Phänotyp (ICR1) assoziiert. Diese Befunde deuten darauf hin, dass mutationsbedingte Störungen der MAPK-Signalwege mit der negativen Regulation der intratumoralen Immunantwort bei Brustkrebs zusammenhängen. Modulationen von MAPK-Signalwegen könnten also experimentell getestet werden, um die Immunsensitivität von Brustkrebs zu verbessern [2].
Klinische Daten zu Biomarkern
In der IMpassion130-Studie mit einer Kombitherapie aus Atezolizumab und nab-Paclitaxel bei Patienten mit metastasiertem tripel-negativem Brustkrebs zeigte sich in der Analyse des progressionsfreien Überlebens ein deutlicher Vorteil für PD-L1-positive Patientinnen [3]. Curigliano hofft, dass sich die PD-L1-Expression als prädiktiver Biomarker in der initialen Patientenselektion etablieren wird.
Thomas und Kollegen entdeckten Zusammenhänge zwischen der TMB und dem Überleben von Patientinnen, deren Tumore zuvor beschriebenen prognostischen Immunkategorien zugeordnet worden waren. Dabei handelte es sich um ein gutes, schwaches oder geringes Vorkommen von Immuninfiltraten (favourable, week oder poor immune infiltrate disposition: FID, WID, PID). Die Tumorimmunkategorien korrelierten bei Patientinnen mit hoher TMB mit dem Überleben, jedoch nicht bei Patienten mit niedriger TMB. Diese Ergebnisse weisen auf eine bisher unbeachtete Rolle der TMB als eine Determinante des immunvermittelten Überlebens von Brustkrebspatientenhin und identifizieren immunregulatorische Mechanismen, die bei immunologisch „kalten“ Tumoren vorkommen. Damit ergibt sich ein Potential für die therapeutische Stratifizierung [4].
Ausblick
Curigliano erwartet, dass sich auch aus folgenden Bereichen weitere Perspektiven für die Charakterisierung von Tumoren mit Aussagekraft für die Therapiewahl ergeben werden:
- Mikrosatelliteninstabilität (MSI): Bei MSI kommt es zu Längenveränderungen innerhalb kurzer, repetitiver DNA-Sequenzen als Folge defekter DNA-Reparatur. Findet sich MSI im Tumor eines Patienten, ist dies ein Hinweis auf einen Gendefekt im DNA-Reparatursystem.
- Mikrobiom: Die den Menschen besiedelnden Mikroorganismen stellen einen Teil des menschlichen Stoffwechselsystems dar und haben maßgeblichen Einfluss auf den Menschen. Veränderungen des Mikrobioms stehen unter anderem mit Krebserkrankungen in Zusammenhang.
- Immunophänotypen von Tumoren: Die Immunität gegen Krebs beim Menschen kann in drei Hauptphänotypen unterteilt werden: den Phänotyp der Immunwüste, den Phänotyp des Immunausschlusses und den Phänotyp der Entzündung. Jeder ist mit spezifischen zugrunde liegenden biologischen Mechanismen verbunden, die verhindern können, dass die Immunantwort des Wirts den Krebs auslöschen kann [5].
- Immunlandschaft: Aus der Analyse der Immunfiltrate in Tumoren lassen sich Hinweise darauf gewinnen, wie sich eine Immunantwort aktivieren lassen könnte.
- Cancer-immune set-point: Das Gleichgewicht zwischen den Faktoren, die fördern oder unterdrücken Antikrebs-Immunität. Der Sollwert repräsentiert daher den Schwellenwert, der für eine Person mit Krebs überschritten werden, um auf Immuntherapie zu reagieren. Mithilfe dieses Konzepts lässt sich erklären, warum die Antworten von Menschen mit offensichtlich ähnlichen Tumoren erheblich variieren können [5].