
Krebs während der Schwangerschaft ist mit einer Inzidenz von 1/1000 Schwangerschaften eher selten. Mit steigendem Alter bei der ersten Entbindung wird in den kommenden Jahren ein Anstieg erwartet. Das Management von Krebs während der Schwangerschaft stellt eine komplexe medizinische Situation dar und erfordert ein multidisziplinäres Team, um das therapeutische Potenzial für die Mutter sowie mögliche Risiken für den Fötus angemessen zu bewerten. Bisherige Erfahrungen zeigen, dass auch bei Schwangeren radio- und chemotherapeutische sowie operative Maßnahmen angewandt werden können, wie Prof. Frédéric Amant vom Dept. Gynecological Oncology der University Hospitals of Leuven, Belgien, anlässlich des ESMO 2018 Kongresses in München betonte [1].
Klare Empfehlung für die Chemotherapie
Obwohl Brustkrebs mit 32% die am häufigsten diagnostizierte Malignität bei schwangeren Frauen darstellt, handelt es sich dabei um eine eher seltene Erkrankung.
Die Brustkrebstumoren scheinen in der Schwangerschaftssituation bei jungen Frauen besondere biologische Merkmale aufzuweisen. Zusammen mit der Tendenz zu einem fortgeschritteneren Krebs wegen oft verspäteter Diagnose, werden teils schlechtere Behandlungsergebnisse beobachtet als bei nicht schwangeren Frauen [2].
Gerade deshalb empfiehlt Amant dringend, die Behandlung dieser Pateinten in Zentren mit ausreichend Fachwissen gemäß den verfügbaren Leitlinien durchzuführen.
Generell Vorgaben für eine sichere Anwendung der Chemotherapie in der Schwangerschaft
Seit 2015 gibt es Empfehlungen zur Chemotherapie bei Brustkrebs in der Schwangerschaft. Die Therapie soll möglichst nah an den Empfehlungen für nicht-schwangere, junge Patientinnen durchgeführt werden. Die meisten Behandlungen, einschließlich einer systemischen Therapie mit Taxanen und Platin-Agenzien können während der Schwangerschaft nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung für Mutter und Kind sicher durchgeführt werden. Es sollte stets eine Dosisanpassung and das aktuelle mütterliche Gewicht vorgenommen werden.
Die Chemotherapie ist während des ersten Trimesters aufgrund eines höheren Risikos für fötale Fehlbildungen kontraindiziert, ist aber im zweiten und dritten Trimester möglich. Andere Behandlungen, wie zum Beispiel eine Strahlentherapie oder eine Behandlung gegen den humanen epidermalen Wachstumsrezeptor sind im Allgemeinen während der Schwangerschaft nicht angezeigt, können jedoch in einigen Fällen in Betracht gezogen werden [3].
Aktualisierte Empfehlungen
In einem aktuellen Reviewartikel fassen Peccatori und Kollegen den Stand des Wissens zur Versorgung von Frauen mit Brustkrebs während der Schwangerschaft, mit Schwerpunkt auf Biologie, Diagnose und Staging, lokalen und systemischen Behandlungen, Geburtshilfe und Langzeit-Follow-up von Kindern mit pränataler Exposition gegenüber Antikrebsbehandlungen zusammen [4].
Unterstützende Therapien zur Chemotherapie
Bei Bedarf können Antiemetika und Kortikosteroide verordnet werden. Bei den Kortikosteroiden wird bevorzugt Methylprednisolon empfohlen, jedoch nicht im ersten Trimester.
Bisher gibt es keine Anzeichen für Schädigungen der Kinder
Aufgrund der Barrierefunktion der Plazenta, besitzen Föten abhängig vom Gestationsalter einen gewissen Schutz gegenüber Chemotherapeutika, die bei der Mutter angewendet werden. Oft kommt es jedoch durch die pränatale Exposition zum verfrühten Einsetzen der Wehen, so dass für die Entbindung eine neonatale Intensivversorgung gewährleistet sein sollte. In der Nachsorge sollte bei diesen Kindern auf kognitive Beeinträchtigungen sowie kardiovaskuläre und metabolische Spätfolgen geachtet werden [5].
Kinder von Frauen, die während der Schwangerschaft eine Chemotherapie erhalten hatten, scheinen weder eine höhere Missbildungsrate noch mehr Beeinträchtigungen in den kognitiven Fähigkeiten aufzuweisen als Kinder unbehandelter Frauen. Bei 21 Kindern, die einer Taxanbehandlung ausgesetzt waren, zeigte sich nach sechs Jahren ein geringfügig reduzierter verbaler IQ. Allerdings handelt es sich hier um Daten aus einer Interimsanalyse und es lässt sich eine Verzerrung in Bezug auf den familiären Hintergrund der Kinder nicht ausschließen. Die Daten müssen in einem größeren Kollektiv überprüft werden.
International Network on Cancer, Infertility and Pregnancy (INCIP)
Aufgrund der geringen Inzidenz von Krebs in der Schwangerschaft, bedarf es eines kooperativen Ansatzes, um ausreichend Erfahrungsdaten zu sammeln, aus denen zukünftig Behandlungsempfehlungen abgeleitet werden können. Seit seiner Gründung im Jahr 2005 fördert das Netzwerk (https://www.esgo.org/network/incip/) mit inzwischen 95 teilnehmenden medizinischen Einrichtungen aus 30 Ländern weltweit die Forschung an Krebserkrankungen in der Schwangerschaft, um den Wissensstand aller Beschäftigten im Gesundheitswesen und in der Öffentlichkeit zu verbessern.
Das primäre Ziel ist die Einrichtung eines internationalen Registers mit Informationen über Patientinnen mit Krebs während der Schwangerschaft und über die Erhaltung der Fruchtbarkeit während der Krebsbehandlung. Die Daten beziehen sich auf die onkologische, geburtshilfliche und neonatale Situation. Es sind alle Krebsarten und Behandlungen (Chirurgie, Chemotherapie, Strahlentherapie) berücksichtigt, einschließlich der Beendigung der Schwangerschaft. Auch die Informationen bezüglich der Methoden zur Fertilitätserhaltung beziehen sich auf alle Krebsarten und Behandlungsmodalitäten. Aktuell enthält die Datenbank Angaben zu 1625 Patientinnen, die den INCIP-Mitgliedern zur Verfügung stehen. Darüber hinaus soll diese Plattform helfen, Ideen zu generieren und die Recherche für Kollaborationen zu erleichtern.
Der Erfolg des Netzwerkes ist sichtbar: Insgesamt wurden in den Jahren von 2005 bis 2015 weniger Schwangerschaftsabbrüche im Zuge einer Krebserkrankung vorgenommen. Es wurden mehr Behandlungen durchgeführt und die Frühgeburtenrate konnte gesenkt werden.