Bilharziose

Bilharziose wird durch eine Infektion mit in (sub-)tropischem Süßwasser vorkommenden Schistosomen (Pärchenegel) ausgelöst. Chronisch manifestiert sich diese Wurmerkrankung oft intestinal, hepatosplenisch oder urogenital. Therapeutisch steht Praziquantel zur Verfügung.

Bilharziose

Definition

Schistosomen (Pärchenegel) sind eine Gattung von Saugwürmern, deren humanpathogene Vertreter primär in den (Sub-)Tropen vorkommen. Im Unterschied zu anderen Saugwürmern sind sie getrenntgeschlechtlich und besitzen einen Geschlechtsdimorphismus.

Bilharziose ist eine durch Schistosomen ausgelöste Infektionskrankheit. In Süßwasser gelangende Eier entwickeln sich in Wasserschnecken und die Larven durchbohren die menschliche Haut. Die Infektion kann akut zu einem fieberhaften Verlauf, dem sog. Katayama-Syndrom, führen.

Durch die Eiablage der ausgereiften Würmer ist häufig das intestinale, hepatosplenische oder urogenitale Organsystem betroffen. Von den ausscheidenden Organsystemen gelangen sie dann wieder in die Umwelt [1].

Entwicklungszyklus

Die adulten männlichen und weiblichen Würmer leben zusammen in venösen Blutgefäßen der menschlichen Endwirte. Dort paaren sie sich und produzieren befruchtete Eier. Die Eier verbleiben entweder im Gewebe des Wirts, sorgen dort für inflammatorische Prozesse und sterben oder sie gelangen über den Blutstrom in Faeces oder Urin und damit in die Umwelt. Beim Erreichen von Frischwasser schlüpfen aus den Eiern Miracidien (Larven), die wiederum in Süßwasser lebende Wasserschnecken befallen.

In den Schnecken als Zwischenwirt durchlaufen die Parasiten über 4–6 Wochen hinweg asexuelle Replikation im Sporozysten-Stadium. Die Sporozysten entwickeln sich zu Zerkarien und werden in das Gewässer abgegeben. Nachdem Zerkarien die Haut von Menschen durchbohrt haben, verlieren sie ihren Schwanz und die Larven entwickeln sich zu noch nicht ausgereiften Würmern (Schistosomula).

Die Schistosomula gelangen direkt oder über Lymphgefäße in venöse Blutgefäße und werden über den Blutkreislauf in die Leber transportiert. Von dort migrieren sie zu mesenterischen Venen, in denen sie zu adulten Würmern unterschiedlichen Geschlechts reifen. Schistosoma haematobium nutzt für die Fortpflanzung bzw. Eiablage die venösen Gefäße der Blase.

In den Venen des Darms bzw. der Blase erfolgt die geschlechtliche Fortpflanzung und die weiblichen Pärchenegel produzieren Eier ab ca. fünf Wochen nach der initialen Infektion. Die adulten Würmer leben im Durchschnitt 3–10 Jahre, in Einzelfällen aber auch bis zu 40 Jahre in dem menschlichen Endwirt [1,2].

Bilharziose

Epidemiologie

Parasiten

Zu den drei wichtigsten Subspezies von Schistosoma, die Bilharziose auslösen können, gehören Schistosoma haematobium, Schistosoma mansoni und Schistosoma japonicum.
Die geographische Verteilung der verschiedenen Arten ist wie folgt:

  • S. haematobium: Subsahara- und Nordafrika, Naher Osten, Ausbruch auf Korsika [3,4]
  • S. mansoni: Subsahara- und Nordafrika, Naher Osten, Karibik, Südamerika [3]
  • S. japonicum: China, Philippinen, Indonesien [3]
  • S. intercalatum und S. guineensis: West- und Zentralafrika [1,3,5]
  • S. mekongi: entlang des Mekong-Flusses im südlichen Laos und nördlichen Kambodscha [3,6]

Erkrankung

Bilharziose kommt primär in den (Sub )Tropen vor und gilt als vernachlässigte Tropenkrankheit. Schätzungsweise 779 Millionen Menschen weltweit sind dem Risiko ausgesetzt an Bilharziose zu erkranken und über 250 Millionen Menschen weltweit sind infiziert; allein mehr als 200 Millionen Infizierte leben in Afrika [7].

Die Prävalenz von Bilharziose ist durch das Zusammenspiel von den Wirtsschnecken, Menschen und deren Wasserkontakt geographisch stark punktuell gehäuft und kann sich selbst zwischen benachbarten Dörfern stark unterscheiden.

Die globale Bedeutung von Bilharziose wird dadurch gestützt, dass schätzungsweise zwischen 1,7–4,5 Millionen krankheitskorrigierte Lebensjahre (disease-adjusted life years, DALY) durch die Erkrankung verloren gehen. Einige Autoren kritisieren diese Schätzungen als deutlich zu niedrig und gehen teilweise von 70 Millionen verlorenen krankheitskorrigierten Lebensjahren aus [8-10].

Ursachen

Bilharziose ist eine Wurmerkrankung, die durch eine Infektion mit den Larven von Saugwürmern der Gattung Schistosoma (Pärchenegel) verursacht wird. Menschen infizieren sich bei Hautkontakt mit den in tropischen Süßwasser vorkommenden Zerkarien der Pärchenegel z. B. beim Baden.

Pathogenese

Zerkariendermatitis

Nachdem Zerkarien die Haut durchbohrt haben, werden einige über den Blutstrom zur Leber transportiert. Jedoch sterben einige Zerkarien bereits in der Haut und lösen über die angeborene Immunantwort eine akute Hypersensitivitätsreaktion aus. Humanpathogene Zerkarien lösen i. d. R. nur zu einer gering ausgeprägten Dermatitis.

Zerkariendermatitis wird häufig durch Vogelschistosomen ausgelöst, die eigentlich Wasservögel als Endwirt haben und für die der Mensch einen Fehlwirt darstellt. Ein Befall durch die Zerkarien dieser Parasiten ist für den Menschen unangenehm, aber in der Regel ungefährlich. Die Schwere der Dermatitis nimmt bei wiederholter Exposition zu [1].

Katayama-Fieber

Der akut symptomatische Beginn der Bilharziose ist auch bekannt als Katayama-Syndrom, eine Immunreaktion auf Antigene, die während der Migration von Schistosomula oder zu Beginn der Eiablage freigesetzt werden.

Es tritt normalerweise in erstinfizierten Menschen 2–12 Wochen nach der initialen Infektion oder einer heftigen Reinfektion auf. Daher ist es häufiger bei Reiserückkehrern zu beobachten als bei Menschen, die in Endemiegebieten leben [1,11].

Bilharziose

Das Krankheitsbild der Bilharziose wird durch die Eiablage, die Migration der Eier in das Darm- bzw. Harnblasenlumen und die Immunreaktion auf die Eier ausgelöst. Die Eier sekretieren proinflammatorische Glykoproteine, die die Migration der Eier von den Blutgefäßen in das Lumen des Darms oder der Harnblase erleichtern.

Viele Eier werden nicht exkretiert, verbleiben im Gewebe in z. B. Leber oder Darm und verursachen dort durch die Immunreaktion des Wirts Granulome mit chronischer Entzündung. Wenn Eier in kleinere portalvenöse Gefäße der Leber gespült werden und dort Granulome bilden, kann dies zu Hepatosplenomegalie und periportaler Fibrose führen (hepatosplenische Bilharziose) [1,2].

Die adulten Würmer selbst verursachen i. d. R. keine Symptome, da sie über somatische Stammzellen ihre Neodermis (Tegument) regenerieren und Wirtsantigene an ihre Neodermis binden, um die Wurmantigene vor dem Immunsystem des Wirts zu verbergen [1].

Symptome

Zu den Symptomen

  • Zerkariendermatitis: akute Hypersensitivitätsreaktion an Eintrittsstellen der Zerkarien
  • Katayama-Syndrom: Fieber, Abgeschlagenheit, Urtikaria, Kopf-, Bauch-, Muskel- und Gelenkschmerzen
  • Intestinale Bilharziose: Intermittierende Bauchschmerzen, Diarrhö, Darmblutung
  • Hepatosplenische Bilharziose: Hepatosplenomegalie, periportale Fibrose (Symmers’sche Leberfibrose), portale Hypertension
  • Urogenitale Bilharziose (S. haematobium): Hämaturie, Dysurie, Beckenschmerzen, abnormaler vaginaler Ausfluss, Juckreiz der Genitale, Kontaktblutung, Hämospermie, schmerzhafte Ejakulation

Ektopische Manifestationen

  • Neurobilharziose: Transverse Myelitis, epileptische Anfälle, Enzephalopathie, Kopfschmerzen, visuelle Einschränkungen, motorische Einschränkung, Ataxie
  • Pulmonalbilharziose: Lungenfibrose, pulmonale Hypertension [1,2]

Diagnostik

Bei zurückliegendem Aufenthalt in einem Bilharziose-Endemiegebiet und nachfolgenden Symptomen bzw. Befunden sollte eine diagnostische Abklärung erfolgen.

Ein Screening sollte auch bei beschwerdefreien Personen durchgeführt werden, die aus Bilharziose-Endemiegebieten eingereist sind, wenn sie dort Süßwasserkontakt gehabt haben, sich für längere Zeit dort aufgehalten haben oder bei den Mitreisenden Bilharziose nachgewiesen wurde. Die Screening-Untersuchung sollte frühestens drei Monate nach der letzten möglichen Exposition stattfinden [12].

Basisdiagnostik

Die serologische Untersuchung auf spezifische Antikörper gegen humanpathogene Schistosomenspezies genügt bei der Screening-Untersuchung von asymptomatischen Patienten. Bei symptomatischen Patienten sollte zudem immer ein parasitologischer Ei-Nachweis im Urin, Stuhl oder ggf. in Gewebeproben angestrebt werden.

Untersuchungen auf Basis von Polymerase-Kettenreaktion (PCR) können im Einzelfall nützlich sein und können z. B. bei weiterbestehendem Verdacht auf Katayama-Syndrom bzw. Bilharziose trotz fehlendem Ei-Nachweis genutzt werden. Point-of-care-Urintests können die zirkulierenden Antigene CCA und CAA nachweisen, die bei dem Verzehr von Erythrozyten durch adulte Schistosomen entstehen. Die Konzentration dieser Antigene korreliert stark mit der Intensität der Infektion. Die Antigentests eignen sich weniger für den Gebrauch in nicht-endemischen Gebieten, da die Patienten dort mit weniger Würmern infiziert sind [1,12].

Ein Nachweis von vitalen Eiern gilt immer als bestätigte Bilharziose. Eine negative Serologie bei Screening-Untersuchungen kann mit ausreichender Sicherheit eine Bilharziose ausschließen.

Eine positive Serologie bei negativem Ei-Nachweis sollte eine Konsultation eines Tropenmediziners zur Folge haben. Immunologische Kreuzreaktionen mit anderen Helminthen sind möglich, daher sollte ggf. eine serologische Untersuchung auf Fasciola hepatica erfolgen. Sofern kein Anhalt auf eine Kreuzreaktion vorliegt, sollte möglicherweise der Versuch eines Ei-Nachweises wiederholt werden, zusätzliche Direktnachweisverfahren (PCR oder Antigentest) genutzt werden und/oder eine präemptive bzw. probatorische Therapie mit Praziquantel durchgeführt werden [12].

Weiterführende Diagnostik

Bei positiver Serologie oder Ei-Nachweis sollte zum Nachweis und Beurteilung einer Organschädigung immer eine Sonographie des Abdomens erfolgen. Zusätzlich ist ein Blutbild mit Differentialblutbild, Lebertransaminasen, γ-GT, Bilirubin, Alkalische Phosphatase, Urinstatus und Sediment, Kreatinin, Gesamteiweiß und Elektrophorese indiziert.

Ggf. sind weitere organspezifische Untersuchungen wie z. B. eine Koloskopie notwendig [12].

Therapie

Für die Therapie der Bilharziose wird primär nur Praziquantel genutzt. Die WHO bevorzugt in ihren Empfehlungen eine Therapiedauer von einem Tag, die S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit (DTG) empfiehlt eine Behandlungsdauer von drei Tagen (außer bei schweren Leberfunktionsstörungen). Je nach Schistosomenspezies werden unterschiedliche Dosierungen genutzt [12].

  • Infektion mit S. haematobium und/oder S. mansoni: Praziquantel 40 mg/kg Körpergewicht pro Tag über 3 Tage
  • Infektion mit S. intercalatum, S. mekongi, S. guineensis oder S. japonicum: Praziquantel 60 mg/kg Körpergewicht pro Tag über 3 Tage

Katayama-Syndrom

Da Praziquantel nur unzureichend auf Schistosomula wirkt und es Anzeichen dafür gibt, dass eine Praziquantel-Therapie in diesem Stadium zu einer Verschlechterung führen kann, ist eine Therapie mit Praziquantel in diesem Stadium nicht indiziert.

Die Therapie ist symptomatisch und der Patient sollte in eine tropenmedizinische Einrichtung verlegt oder dort vorgestellt werden. Bei schweren Verläufen oder bei neurologischen Symptomen kann der Einsatz von Kortikosteroiden erwogen werden.

Drei Monate nach vermutetem Infektionszeitpunkt sollte (erneut) die Basisdiagnostik mit parasitologischem Ei-Nachweis und serologischer Untersuchung erfolgen. Der Patient sollte dann je nach Schistosomenspezies in eine der oben genannten Therapiegruppen eingeordnet werden [12].

Prognose

Bilharziose kann mit Praziquantel effektiv und sicher therapiert werden. Im Verlauf der Erkrankung können die Organschäden jedoch die Lebensqualität und Lebenserwartung einschränken [1,2].

Prophylaxe

Individuell kann der Infektion mit Schistosomen durch Vermeiden von Süßwasserkontakt in Endemiegebieten vorgebeugt werden. Dafür sind Aufklärung, Zugang zu sauberem Wasser und guten Sanitäranlagen notwendig. Die präventive Therapie mit Praziquantel trägt stark zur Kontrolle von Bilharziose in Subsahara-Afrika bei [1,2,13].

Hinweise

AWMF online: Diagnostik und Therapie der Schistosomiasis (Bilharziose)

Autor:
Stand:
24.10.2022
Quelle:
  1. McManus et al. (2018): Schistosomiasis. Nature Reviews Disease Primers, DOI: 10.1038/s41572-018-0013-8
  2. Colley et al. (2014): Human schistosomiasis. The Lancet, DOI: 10.1016/S0140-6736(13)61949-2
  3. Gryseels et al. (2006): Human schistosomiasis. The Lancet, DOI: 10.1016/S0140-6736(06)69440-3
  4. Boissier et al. (2016): Outbreak of urogenital schistosomiasis in Corsica (France): an epidemiological case study. The Lancet Infectious Diseases, DOI: 10.1016/S1473-3099(16)00175-4
  5. Tchuem Tchuenté et al. (2003): Schistosoma intercalatum: an endangered species in Cameroon? Trends in Parasitology, DOI: 10.1016/S1471-4922(03)00193-4
  6. Muth et al. (2010): Chapter 7 - Schistosoma mekongi in Cambodia and Lao People's Democratic Republic. Advances in Parasitology, DOI: 10.1016/S0065-308X(10)72007-8
  7. Steinmann et al. (2006): Schistosomiasis and water resources development: systematic review, meta-analysis, and estimates of people at risk. The Lancet Infectious Diseases, DOI: 10.1016/S1473-3099(06)70521-7
  8. GBD 2016 DALYs and HALE Collaborators (2017): Global, regional, and national disability-adjusted life-years (DALYs) for 333 diseases and injuries and healthy life expectancy (HALE) for 195 countries and territories, 1990–2016: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2016. The Lancet, DOI: 10.1016/S0140-6736(17)32130-X
  9. King, Dickmann, Tisch (2005): Reassessment of the cost of chronic helmintic infection: a meta-analysis of disability-related outcomes in endemic schistosomiasis. The Lancet, DOI: 10.1016/S0140-6736(05)66457-4
  10. Hotez, Fenwick (2009): Schistosomiasis in Africa: An emerging tragedy in our new global health decade. PLoS Neglected Tropical Diseases, DOI: 10.1371/journal.pntd.0000485
  11. Ross et al. (2007): Katayama syndrome. The Lancet Infectious Diseases, DOI: 10.1016/S1473-3099(07)70053-1
  12. AWMF (2017): S1-Leitlinie 042-005 Diagnostik und Therapie der Schistosomiasis (Bilharziose). [Internet]
  13. Kokaliaris et al. (2022): Effect of preventive chemotherapy with praziquantel on schistosomiasis among school-aged children in sub-Saharan Africa: a spatiotemporal modelling study. The Lancet Infectious Diseases, DOI: 10.1016/S1473-3099(21)00090-6

Abbildung

Adapted from „Schistosoma mansoni Infection Cycle”, by BioRender.com

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