Kaposi-Sarkom

Das Kaposi-Sarkom ist eine vaskuläre Neoplasie, die vor allem bei geschwächtem Immunsystem – hierzulande speziell im Rahmen von HIV/AIDS – auftritt. Auslöser ist das Humane Herpesvirus Typ 8.

Kaposi-Sarkom

Definition

Das Kaposi-Sarkom (ICD-10 C46.-) ist eine seltene, primär multilokuläre Systemerkrankung. In erster Linie werden vier Subtypen unterschieden: das klassische Kaposi-Sarkom, Kaposi-Sarkome bei iatrogener Immunsuppression, das endemische Kaposi-Sarkom bei jungen Afrikanern und das epidemische HIV-assoziierte Kaposi-Sarkom. Vor kurzem wurde eine fünfte Variante identifiziert, die nicht HIV-infizierte homosexuelle Männer betrifft. Hierzulande ist das Kaposi-Sarkom im Rahmen einer HIV-Infektion oder AIDS-Erkrankung am bedeutsamsten. Der vaskuläre Tumor präsentiert sich als maligne endotheliale Neoplasie der Haut und Schleimhäute. Ferner können innere Organe und das Lymphsystem betroffen sein. Alle Kaposi-Sarkome entstehen auf der Grundlage einer Infektion mit dem Humanen Herpesvirus Typ 8 (HHV-8).

Typische Symptome sind rötlich-braune bis violett-rote Makulae, bevorzugt in den Hautspaltlinien, die sich im Verlauf zu konfluierenden Plaques und/oder infiltrierenden schmerzhaften Knoten ausweiten. Begleitend finden sich häufig massive Ödeme und Schwellungen, später auch Ulzerationen, Einblutungen und zentrale Nekrosen. Die Diagnose wird anhand der Klinik, Biopsie und Histopathologie gestellt. Ein HIV-Test ist obligat. Therapeutisch ist die antivirale Kombinationstherapie (combined entiretroviral therapy [cART]) von entscheidender Bedeutung. Ergänzend können Lokaltherapien (Kryochirurgie, Elektrokoagulation, Exzision oder Bestrahlung) und Chemotherapien (verlinken auf Zytostatika) zur Anwendung kommen. Die Prognose richtet sich nach der Erkrankungsform. So gelten das klassische und das iatrogene Kaposi-Sarkom bei Immundepression als weniger maligne und aggressiv als die endemische und epidemische HIV-assoziierte Sarkom-Variante [1,2].

Epidemiologie

Weltweit sind mehr als 100 Millionen Menschen mit dem Humanen Herpesvirus Typ 8 (HHV-8) infiziert. Die geografische Verteilung ist sehr heterogen, mit besonders hohen Inzidenzen in Afrika und im Mittelmeerraum. Doch nicht alle Menschen mit einer HHV-8-Infektion erkranken an einem Kaposi-Sarkom. In Europa wird die Inzidenzrate mit etwa 1:300.000 angegeben. Frauen sind deutlich seltener betroffen als Männer [2].

Am klassischen (sporadischen) Kaposi-Sarkom erkranken vor allem Männer über 50 Jahre, speziell jüdischer Herkunft und aus dem osteuropäisch-mediterranen Bereich stammend (etwa aus Polen, Russland, Italien und Äquatorialafrika). Der Altersgipfel liegt um das 70. Lebensjahr. Das Verhältnis Männer zu Frauen beträgt circa 15:1. Die Inzidenzrate wird auf etwa 1:10 Millionen Einwohner pro Jahr geschätzt [1,3].

Das afrikanische endemische Kaposi-Sarkom kommt vorwiegend in Afrika südlich der Sahara vor. Hauptsächlich erkranken Kinder und junge Männer im Alter von circa 35 Jahren. 1971 machten Kaposi-Sarkome in Uganda 3 bis 9 Prozent aller Krebserkrankungen aus. 1983 ist ein starker Inzidenzanstieg in Sambia dokumentiert [1–3].

Bei iatrogen immunsupprimierten Transplantatempfängern findet sich ein Kaposi-Sarkom in 4 Prozent der Fälle. Besonders prädestiniert scheinen ethnische Gruppen zu sein, die ebenfalls ein erhöhtes Risiko für das klassische Kaposi-Sarkom aufweisen [1,3].

Die Inzidenz des epidemischen HIV-assoziierten Kaposi-Sarkoms korresliert mit der Anzahl an HIV/AIDS-Patienten. Durch die mittlerweile effektive antiretrovirale HIV-Therapie ist die Erkrankungsrate jedoch deutlich zurückgegangen. Nichtsdestotrotz ist das Kaposi-Sarkom immer noch das häufigste AIDS-assoziierte Malignom – sowohl in den USA als auch in Deutschland. Das Risiko für die maligne Neoplasie ist bei HIV/AIDS etwa 20.000-mal höher als bei Menschen ohne eine HI-Virusinfektion und 300fach erhöht im Vergleich zu anderen immunsupprimierten Patienten. Bei den verschiedenen HIV-Transmissionsgruppen ist die Wahrscheinlichkeit, ein Kaposi-Sarkom zu entwickeln, bei homosexuellen Männern 20-mal höher als bei Patienten mit einer Hämophilie. In den letzten Jahren wird das HIV-assoziierte Kaposi-Sarkom vermehrt bei Patienten mit höheren Helferzellzahlen und niedriger HIV-Viruslast diagnostiziert, ebenso bei Patienten unter einer erfolgreichen cART [1,3–8].

Ursachen

Alle bekannten Formen des Kaposi-Sarkoms entwickeln sich als Reaktion auf eine HHV-8-Infektion. In mehr als 95 Prozent der Fälle können dessen DNS-Sequenzen in Endothelzellen und Spindelzellen nachgewiesen werden – egal ob es sich um HIV/AIDS-assoziierte Neoplasien oder Kaposi-Sarkome von HIV-negativen Patienten handelt. HHV-8 finden sich auch bei anderen Erkrankungen, zum Beispiel in bestimmten B-Zell-Lymphomen (body cavity-based large B-cell lymphoma) und im multizentrischen Morbus Castleman – nicht jedoch in anderen vaskulären Neoplasien. Wie genau das HHV-8 übertragen wird, ist noch unklar. Ähnlich wie bei anderen Herpesviren ist eine Weitergabe durch Speichel, sexuell, vertikal und über Blut sehr wahrscheinlich. In einigen Regionen, etwa in Italien oder Zentralafrika, sind HHV-8 8 bei bis zu 50 Prozent der Normalbevölkerung nachweisbar. Eine genetische Disposition (Assoziation mit HLA-DR5) wird diskutiert [1,8–11].

Pathogenese

Die Pathogenese wird gravierend vom Humanen Herpesvirus Typ 8 bestimmt. HHV-8:

  • blockiert über das latente nukleäre Antigen (LNA-1) die Expression des Tumorsuppressorgens p53.
  • verhindert die Proliferationsabwehr durch das Retinoblastom-Protein (RB-Protein).
  • initiiert mit dem Ras-Protein – einem Proto-Onkogen – die Umwandlung der Endothelzellen.

Im Ergebnis werden inflammatorische Zytokine ausgeschüttet, die eine endotheliale Expression des Fibroblasten-Wachstumsfaktors (FGF) bewirken und die Endothelien zur fortlaufenden Proliferation zwingen. Neben dem Proliferationsimpuls bekommen die neoplastischen Endothelzellen eine topologische Orientierung vom HIV-TAT-Protein, das essentiell für die virale Replikation ist und die Tumorbildung entscheidend beeinflusst [8,12–14].

Symptome

Initial finden sich bei allen Subtypen solitäre erythematöse – zunächst asymptomatische – rötlich-braune bis violett-rote Flecken und Papeln, vornehmlich in den Spaltlinien der Haut. Im weiteren Verlauf entwickeln sich daraus konfluierende dunkelviolette bis braun-schwarze Plaques und/oder infiltrierend wachsende, schmerzhafte knotige Tumoren. Die Läsionen breiten sich proximal, zunehmend disseminiert und mit häufiger Beteiligung der Schleimhäute aus. Einblutungen verursachen periläsionale Verfärbungen (ockergelbe Purpura), Spontanregressionen und hämorrhagische Hyperpigmentierungen [2].

Alle beschriebenen Läsionen können gleichzeitig nebeneinander bestehen und an jeder beliebigen Körperregion auftreten. Mechanische Belastungen und Traumen führen oft zum ulzerösen Zerfall, insbesondere plantar. Massive Ödeme bis hin zu Elephantiasis-ähnlichen Schwellungen – vorwiegend im Gesicht, am Skrotum und an den unteren Extremitäten – sind beschrieben, überdies kontusiforme Hauteinblutungen, zentrale Nekrosen und blutende Ulzerationen [2].

Neben Haut, Schleimhaut und Lymphknoten gibt es Ausprägungen mit viszeraler Beteiligung, speziell des Gastrointestinaltrakts sowie der Leber, Lunge, Niere und Milz. Ein isolierter lymphatischer oder viszeraler Befall ohne dermale Beteiligung ist möglich [2].

Bei den Subtypen gibt es folgende Besonderheiten:

Klassisches Kaposi-Sarkom

Das klassische Kaposi-Sarkom ist durch indolente multiple rötlich-bläulich-bräunliche Plaques und Knötchen, vor allem im Bereich der unteren Extremitäten, charakterisiert. Diese können über Jahre bis Jahrzehnte ohne weiteres Fortschreiten persistieren. Eine aufsteigende Progredienz und viszerale Beteiligung sind selten, aber möglich. Mitunter kommt es zu Lymphödemen oder Hyperkeratosen [1].

Endemisches afrikanisches Kaposi-Sarkom

Beim endemischen afrikanischen Kaposi-Sarkom sind vier klinische Verlaufsformen beschrieben [1]:

  • relativ gutartiger Verlauf: noduläre Hautveränderungen, ähnlich denen beim klassischen Kaposi-Sarkom
  • aggressiver, lokalisierter Verlauf: kutane Verlaufsform mit Infiltrationen in Weichteilgewebe und Knochen, letaler Ausgang innerhalb von fünf bis sieben Jahren
  • diffuser Verlauf: mukokutaner und viszeraler Befall
  • fulminanter Verlauf: Lymphadenopathie und Viszeralbefall, in der Regel ohne Hautbeteiligung, betroffen sind vor allem Kleinkinder

Kaposi-Sarkom bei Immunsuppression

Das Kaposi-Sarkom als Folge einer iatrogenen Immunsuppression tritt typischerweise mehrere Jahre nach einer Organtransplantation auf, grundsätzlich können jedoch alle immunsupprimierten Patienten betroffen sein. Chronische, aber auch rasch progrediente fulminante Verläufe sind beschrieben. Nach Beendigung der immunsuppressiven Therapie verschwinden viele Kaposi-Sarkome im Rahmen einer Remission [1].

Epidemisches HIV-assoziiertes Kaposi-Sarkom

Das epidemische HIV-assoziierte Kaposi-Sarkom ist ein multilokuläres Geschehen. Die Neoplasie wird gewöhnlich bei bislang nicht antiretroviral behandelten HIV-Infizierten erstdiagnostiziert. Die typischen Läsionen entwickeln sich oft innerhalb weniger Tage. Zu Beginn fallen meist symmetrische, an den distalen Extremitäten erscheinende Makulae in den Hautspaltlinien auf, später entwickeln sich daraus Papeln oder papulöse Tumore. Vor Einsatz der cART fanden sich die Primäreffloreszenzen vor allem an der Mundschleimhaut, der Glans penis und den Fußsohlen.

Die dermale Symptomatik wird häufig als belastend und stigmatisierend empfunden; weitaus gravierender ist jedoch die viszerale Beteiligung. So gut wie alle Organe können betroffen sein, speziell Gastrointestinaltrakt, Herz, Leber und Lungen. Hier kann es schnell zu lebensbedrohlichen Situationen kommen. Beteiligungen des ZNS und der Augen sind selten [1].

Diagnostik

Die Diagnose eines Kaposi-Sarkoms sollte als Stufendiagnose erfolgen. Der klinische Verdacht im Rahmen der Primärdiagnose wird anhand der Anamnese, Klinik und körperlichen Untersuchung gestellt. Ein erfahrender Arzt erkennt den Gefäßtumor oft schon blickdiagnostisch, insbesondere bei Patienten mit bekannter HIV-Infektion oder sonstiger Art der Immundefizienz. Die Diagnosesicherung erfolgt per Biopsie und Histopathologie. Ein HIV-Test ist obligat.

Zur Ausbreitungsdiagnostik folgen:

  • Abdomensonografie
  • Röntgen Thorax
  • Computertomografie (CT) Thorax
  • CT Abdomen
  • Endoskopie des Gastrointestinaltrakts
  • Bronchoskopie

Histologie

Das Kaposi-Sarkom ist ein mesenchymaler Tumor der Blut- und Lymphgefäße. Das histologische Erscheinungsbild ist vielgestaltig, der Befund verändert sich mit dem klinischen Verlauf. Kaposi-Sarkome bestehen aus drei Komponenten [1,15]:

  • angiomatöse Phase
  • spindelzellige Phase
  • entzündliche Phase

Fleck-(Patch-)Stadium

Beim Kaposi-Sarkom im Frühstadium finden sich im mittleren und oberen Stratum reticulare der Dermis unmittelbar neben größeren Plexusgefäßen multizentrisch diskrete perivaskuläre Spindelzellproliferationen mit schlitzförmigen Spalten. Diese werden von lymphoplasmozellulären Infiltraten, extravasalen Erythrozyten, Hämosiderinablagerungen und Siderophagen (pseudogranulomatöses Muster) begleitet.

Der Papillarkörper und seine Gefäße bleiben zunächst ausgespart. Zusätzlich können sich endothelausgekleidete Gefäßspalten mit leeren Lumina präsentieren. Die neu gebildeten Gefäßspalten und -lakunen umfassen die Adnexen und präexistenten vaskulären Strukturen halbinselförmig (Promontoriumszeichen). Initial sind Mitosen und endotheliale Apoptosen selten, Zell- und Kernatypien fehlen [1,15,16].

Plaque-Stadium

Im Plaque-Stadium sind auch die Papillarkörper betroffen. Das gesamte Korium ist von Spindelzellen durchsetzt, die zu kurzen, zellreichen Faszikeln oder Strängen gebündelt sind. Zwischen den Spindelzellen befinden sich kleinste erythrozytenreiche schlitzförmige Spalten, die die Spindelzellbündel auflockern. Peripher sind gestaute, mit Erythrozyten angeschoppte, erweiterte serumfreie, wie ausgestopft wirkende Gefäße (stuffing) erkennbar. Spindelzellapoptosen sind möglich, jedoch keine signifikanten endothelialen Kernatypien. Intra- und extrazellulär können erythrozytäre Abbaustufen in Form von hyalinen PAS-positiven Globuli (hyaline bodies) nachgewiesen werden [1,15,16].

Knoten- oder Tumorstadium

Im Knoten- oder Tumorstadium sind mitosereiche, dicht gepackte, Faktor XIIIa-positive, CD-31-positive und CD-34-positive faszikulär strukturierte Spindelzelltumore mit eingeschlossenen erythrozytenreichen Spalten und moderaten Kernatypien charakteristisch. Anaplastische äquatorialafrikanische Kaposi-Varianten präsentieren hingegen ausgeprägte nukleäre Atypien.

Bei exophytischem Wachstum sind die Spindelzelltumore häufig von einer epithelialen Collerette, bei expansiv nodulären Varianten von einer bindegewebigen Pseudokapsel eingefasst. PAS-positive hyaline erythrozytäre Haufen und apoptotische Spindelzellen treten gehäuft auf.

Ältere Läsionen zeigen neben Hämorrhagien und Eisenspeicherungen Nekrosen.

Bei Tumorregression sind plasmazellreiche, entzündliche Rundzellinfitrate typisch [1,15,16].

Immunhistologie

Differenzialdiagnostisch hilfreich ist der serologische Nachweis von anti-HHV-8-Antikörpern oder der direkte Nachweis von HHV-8-DNA mittels PCR aus dem Tumorgewebe oder im Vollblut [1].

Differenzialdiagnose

Die Differenzialdiagnose kann stadienabhängig folgende Erkrankungen umfassen (kein Anspruch auf Vollständigkeit): [1–3]

  • pyogenes Granulom
  • interstitielles Granuloma anulare
  • fibröses Histiozytom
  • hämosiderotisches Hämangiom
  • dermale Naevuszellnaevi
  • Melanome und Melanommetastasen
  • pigmentierte Basaliome
  • Purpura lichenoides pigmentosa (Morbus Gougerot-Blum)
  • Purpura pigmentosa progressiva (Morbus Schamberg)
  • Erythema elevatum diutinum (EED)
  • atriovenöse Malformationen
  • Akroangiodermatitis bei chronischer Veneninsuffizienz
  • Akroangiodermatitis (Morbus Mali)
  • bazilliäre Angiomatose
  • Angiosarkome
  • Angiokeratome
  • Lymphangiosarkome

Zur histologischen Absicherung bringt im Zweifelsfall eine Exzisionsbiopsie Klarheit.

Therapie

Bislang gibt es keine spezifischen Empfehlungen im Sinn eines Standardbehandlungsprogramms. Das Therapiemanagement hängt von der klinischen Variante des Kaposi-Sarkoms und dem Vorherrschen einer lokalisierten oder systemischen Beteiligung ab. Neben der Wiederherstellung der systemischen Immunität liegt der Fokus auf lokaltherapeutischen Anwendungen [1][2].

Therapiestruktur

Die Therapiestruktur richtet sich nach dem Subtyp. Die aktuelle Leitlinie gibt dazu folgende Informationen [1]:

Klassisches Kaposi-Sarkom

Beim klassischen Kaposi-Sarkom werden aufgrund des oft hohen Lebensalters der Patienten individualisierte Therapiekonzepte eingesetzt, häufig kommen auch nur lokale Behandlungen zur Anwendung. Da das Kaposi-Sarkom auffallend strahlensensibel reagiert, bieten sich eine fraktionierte Röntgenweichstrahltherapie, Radiationen mit schnellen Elektronen oder Kobaltbestrahlungen an. Weitere lokaltherapeutische Maßnahmen umfassen Kryotherapien sowie Chemo- und Immuntherapien, etwa die intraläsionale Applikation von Vincaalkaloiden, Bleomycin oder Interferonen. Exzisionen können bei funktionell störenden Läsionen und raschem Handlungsbedarf sinnvoll sein. Bei schwerer Ausprägung, systemischem Befall und rascher Progredienz ist eine systemische Chemotherapie, im Regelfall mit pegyliertem liposomalem Doxorubicin, indiziert [1,9,17–20].

Endemisches Kaposi-Sarkom

Das endemische afrikanische Kaposi-Sarkom ist weitgehend gut mit systemischen Therapiemaßnahmen beherrschbar. Eine Ausnahme bildet die fulminant aggressive lymphadenopathische Verlaufsform [1].

Iatrogen-immunsuppressiv bedingtes Kaposi-Sarkom

Beim iatrogen-immunsuppressiv bedingten Kaposi-Sarkom bilden sich die Tumorherde nach Reduktion oder Beendigung der Immunsuppression im Allgemeinen vollständig zurück [1].

Epidemisches HIV-assoziiertes Kaposi-Sarkom

Beim epidemischen HIV-assoziierten Kaposi-Sarkom wird die Progression gewöhnlich mit einer cART bei vorher nicht antiretroviral behandelten Patienten gestoppt; selbst ein vollständiges Verschwinden der Sarkomläsionen ist erreichbar. Eine antiretrovirale Therapie beim HIV-Patienten sollte deshalb spätestens mit Auftreten eines Kaposi-Sarkoms begonnen werden. Welche Form der cART gewählt wird, ist für das Ansprechen des Tumorgewebes unerheblich; von Bedeutung sind ausschließlich deren virologische Effektivität und die cART-bedingte Immunrekonstitution.

Im Rahmen des Immunrekonstitutionssyndroms kann eine vorübergehende, zum Teil erhebliche Befundverschlechterung auftreten. Für diese Patienten ist zusätzlich eine systemische Chemotherapie indiziert. Bei gleichzeitiger Neudiagnose eines fortgeschrittenen Kaposi-Sarkoms mit Organbeteiligung und einer HIV-Infektion sollten ebenfalls eine antiretrovirale und eine systemische Kaposi-Sarkom-Therapie eingeleitet werden. Mitunter entwickeln auch bereits antiretroviral therapierte Patienten ein Kaposi-Sarkom. In diesen Fällen ist die Effizienz der antiretroviralen Therapie zu überprüfen und ggf. unter Zuhilfenahme der Resistenztestung zu optimieren [1,21].

Allgemeine Therapiemodalitäten

Die von der Leitlinie empfohlenen allgemeinen Therapiemodalitäten umfassen die systemische medikamentöse Tumorbehandlung und lokaltherapeutische Maßnahmen.

Medikamentöse Tumortherapie

Jedes fortgeschrittene Kaposi-Sarkom sollte – unabhängig von Subtyp und Verlaufsform – systemisch behandelt werden. Die bisherigen Erfahrungen erstrecken sich auf eine Vielzahl von Substanzen, beispielsweise die Gabe von Interferonen, Vincaalkaloiden, Bleomycin und Anthrazyklinen. Als Standardtherapie des HIV/AIDS-assoziierten bzw. fortgeschrittenen Kaposi-Sarkoms hat sich die Gabe von pegyliertem, liposomalem Doxorubicin in einer Dosis von 20 mg pro m² Körperoberfläche im Abstand von zwei bis drei Wochen bis zur vollständigen klinischen Remission durchgesetzt. Die klinische Verlaufskontrolle wird üblicherweise nach zwei bis drei Monaten angesetzt. Bei guter Rückbildung der Tumorläsionen ohne Vollremission nach vier bis sechs Monaten empfehlen die Leitlinienexperten, den weiteren Verlauf zunächst abzuwarten.

Bevor eine Behandlung mit dem Doxorubicin begonnen wird, sollte grundsätzlich eine kardiale Untersuchung mit Echokardiographie zur Bestimmung der Ejektionsfraktion erfolgen. Dies ist wichtig, da das Anthrazyklin neben der Myelotoxizität auch ein kardiotoxisches Risiko aufweist. Während der Behandlung mit liposomalem Doxorubicin können schmerzhafte makulöse Erytheme an Händen und Füßen (palmoplantare Erythrodysästhesie) auftreten. Allerdings ist diese Nebenwirkung bei den für das Kaposi-Sarkom empfohlenen Dosierungen selten, bei höheren Einzeldosen jedoch häufig zu beobachten [1,22].

Als Zweitlinientherapie kommt das Taxan Paclitaxel zur Anwendung. In der Originalarbeit von Gill et al. [21] wurde eine Dosis von 100 mg/m² alle zwei Wochen verabreicht. Bei anderen Erkrankungen (zum Beispiel dem Mammakarzinom) weiß man aber mittlerweile, dass eine wöchentliche Gabe in reduzierter Dosis besser vertragen wird und mindestens genauso effektiv ist. Deshalb kann auch beim Kaposi-Sarkom eine wöchentliche Gabe diskutiert werden, so die Leitlinienexperten. Zu beachten sind die Myelotoxizität, Alopezie und Onychodystrophie; bei HIV-Infizierten mit Kaposi-Sarkom ferner auch Interaktionen mit der cART [1,23].

Bei Patienten mit HIV-assoziierten Kaposi-Sarkom und guten CD4-Zellzahlen (> 350 Zellen/µl) bzw. ausreichendem Immunstatus ist alternativ der Einsatz systemischer Interferone möglich. Im Gegensatz zu üblichen Interferonen (nebenwirkungsreich) sind pegylierte Interferone (wöchentliche Gabe möglich, verträglicher) noch nicht für das Kaposi-Sarkom zugelassen. Fallberichte beim AIDS-assoziierten und klassischen Kaposi-Sarkom weisen jedoch auf eine bessere Wirksamkeit bei einfacher Verabreichung hin [1,24].

Lokale Therapiemaßnahmen

Bei solitären störenden Kaposi-Sarkom-Läsionen (zum Beispiel plantar und im Gesicht) sind normalerweise lokale chirurgische oder medikamentöse Therapiemaßnahmen ausreichend. Diese sind kostengünstig und gut verträglich. Nach chirurgischen Exzisionen sind vermehrt Narbenrezidive zu beobachten.

Als weitere Lokalmaßnahmen sind örtlich begrenzte Bestrahlungen (vorzugsweise fraktionierte Einzeldosen mit Röntgenweichstrahlen), Camouflage, die intraläsionale Injektion von Vincristin, und der experimentell topische Einsatz von Retinoiden denkbare Optionen [1,9,25].

Hinweis: Auch nach erfolgreicher Behandlung können noch lange Zeit postinflammatorische Hyperpigmentierungen sichtbar bleiben. Diese werden mitunter als ästhetisch störend empfunden bzw. kritisch betrachtet. Sie dürfen jedoch nicht mit einem aktiven Kaposi-Sarkom verwechselt werden [1].

Nachsorge

Kaposi-Sarkome neigen oft zu Rezidiven. Deshalb sollten in regelmäßigen Abständen Nachsorgeuntersuchungen stattfinden.

Prognose

Der Verlauf des Kaposi-Sarkoms ist sehr variabel. Die Beschreibungen reichen von einzelnen, über Jahre stationär-persistierenden Läsionen bis hin zu raschen, fulminanten und stark aggressiven Verläufen mit letalem Ausgang innerhalb weniger Wochen.

Die Prognose hängt neben einem rechtzeitigen Therapiebeginn von mehreren Faktoren ab.

TIS-Einteilung der AIDS Clinical Trial Group

Die AIDS Clinical Trial Group (ACTG) hat die Prognose der HIV-assoziierten Kaposi-Sarkome anhand der drei Faktoren Tumor, Immunsystem und Systembeteiligung (TIS) bestimmt [24].

Prognostisch günstige Faktoren sind:

  • Kaposi-Sarkome, die sich auf die Haut und Lymphknoten begrenzen (bei nur minimaler Gaumenbeteiligung)
  • CD4-Zellzahl von ≥ 200/µl
  • keine opportunistische Infektion
  • B-Symptomatik fehlt
  • Karnofsky-Index ≥ 70 Prozent

Prognostisch ungünstige Auswirkungen haben:

  • Tumoren mit Begleitödemen oder Ulzeration
  • ausgedehnter oraler Befall
  • viszeraler Befall (ausgenommen Lymphknoten)
  • CD4 < 200/µl
  • opportunistische Infektionen
  • andere AIDS-definierte Erkrankungen
  • B-Symptomatik vorhanden
  • Karnofsky < 70 Prozent

Prophylaxe

Einem Kaposi-Sarkom kann nicht sicher vorgebeugt werden. Die einzige Prophylaxe bei der HIV-assoziierten Variante ist die Verhinderung einer HIV-Infektion.

Autor:
Stand:
19.05.2022
Quelle:
  1. Mosthaf, F. A., Esser, S.: Leitlinie Kaposi-Sarkom. Onkopedia Leitlinien, Stand Juli 2018; abgerufen am 30. September 2021.
  2. Dupin, N.: Kaposi-Sarkom. ORPHA; Stand Mai 2019; abgerufen am 30. September 2021.
  3. Kerner, K., Potthoff, A., Brockmeyer, N. H. (2010): Kaposi-Sarkom. In: Szeimies, R.-M. et al. (Hrsg.): Tumoren der Haut, Thieme, 2010; S. 632–37; DOI: 10.1055/b-0034-39240.
  4. Hensel, M. et al. (2011): HIV und Krebs in Deutschland. Dtsch Arztebl Int 2011 Feb; 108(8):117–22, DOI:10.3238/arztebl.2010.0117.
  5. Brockmeyer, N. H., Mertins, L. (1997): Therapie des HIV-assoziierten Kaposi-Sarkoms. In: Brockmeyer, N. H., Mertins, L. (Hrsg.): HIV-Infekt, Pathogenese, Diagnostik, Therapie. Springer, 1997; S. 93–122.
  6. Yanik, E. L. et al. (2016): Changes in clinical context for Kaposi’s Sarcoma and Non-Hodgkin Lymphoma among people with HIV infection in the United States. J Clin Oncol 2016 Sep; 34(27):3276–83, 2016; DOI: 10.1200/JCO.2016.67.6999.
  7. Tan, H.-H., Goh, C.-L. (2006): Viral infections affecting the skin in organ transplant recipients: epidemiology and current management strategies. Am J Clin Dermatol 2006; 7(1):13–29; DOI: 10.2165/00128071-200607010-00003.
  8. Li, S. et al. (2017): Kaposi’s Sarcoma-Associated Herpesvirus: Epidemiology and Molecular Biology. Adv Exp Med Biol 2017; 1018:91–127; DOI: 10.1007/978-981-10-5765-6_7.
  9. Hamilton, C. R., Cummings, B. J., Harwood, A. R. (1986): Radiotherapy of Kaposi’s sarcoma. Int J Radiat Oncol Biol Phys 1986 Nov; 12(11):1931–5; DOI: 10.1016/0360-3016(86)90127-6.
  10. Kaposi, M. (1872): Idiopathisches multiples Pigmentsarkom der Haut. Arch Derm Syph 1872; 4:265–73; DOI: 10.1007/BF01830024.
  11. Stürzl, M. et al. (1997): Expression of HHV-8 latency-associated T0.7 RNA in spindle cells and endothelial cells of AIDS-associated, classical and African Kaposi’s sarcoma. Int J Cancer 1997 Jul; 72(1):68–71; DOI: 10.1002/(sici)1097-0215(19970703)72:1<68::aid-ijc10>3.0.co;2-6.
  12. Buonaguro, L. et al. (1971): Role of HIV-1 Tat in the pathogenesis of AIDS-associated Kaposi’s sarcoma. Antibiot Chemother (1971) 1994; 46:62–72; DOI: 10.1159/000423634.
  13. Mansukhani, A. et al. (1990): A murine fibroblast growth factor (FGF) receptor expressed in CHO cells is activated by basic FGF and Kaposi FGF. Proc Natl Acad Sci U S A 1990 Jun; 87(11):4378–82; DOI: 10.1073/pnas.87.11.4378.
  14. Schulz, T. F., Cesarman, E. (2015): Kaposi Sarcoma-associated Herpesvirus: mechanisms of oncogenesis. Curr Opin Virol 2015 Oct; 14:116–28; DOI: 10.1016/j.coviro.2015.08.016.
  15. Fritsch, P., Zelger, B., Sepp, N.: Kaposi-Sarkom – Histologie. In: Fritsch, P. (Hrsg.): Dermatologie und Venerologie. Springer, S. 617.
  16. Holzhausen, H. J., Stiller, D., Sachs, M. (1988): Morphologische Pathologie des klassischen Kaposi-Sarkoms. Ultrastrukturelle Untersuchungen und Betrachtungen zur Histogenese. Zentralbl Allg Pathol. 1988; 134(4–5):435–47; PMID: 3201832.
  17. Boudreaux, A. A. et al. (1993): Intralesional vinblastine for cutaneous Kaposi’s sarcoma associated with acquired immunodeficiency syndrome. J Am Acad Dermatol 1993 Jan; 28(1):61–5; DOI: 10.1016/0190-9622(93)70010-q.
  18. Trattner, A. et al. (1993): The therapeutic effect of intralesional interferon in classical Kaposi’s sarcoma. Br J Dermatol 1993 Nov; 129(5):590–3; DOI: 10.1111/j.1365-2133.1993.tb00490.x.
  19. Hengge, U. R. et al. (2001): Long-term chemotherapy of HIV-associated Kaposi’s sarcoma with liposomal doxorubicin. Eur J Cancer 2001 May; 37(7):878–83; DOI: 10.1016/s0959-8049(01)00053-3.
  20. Stewart, S. et al. (1998): Randomized comparative trial of pegylated liposomal doxorubicin versus bleomycin and vincristine in the treatment of AIDS-related Kaposi’s sarcoma. International Pegylated Liposomal Doxorubicin Study Group. J Clin Oncol 1998 Feb; 16(2):683–91; DOI: 10.1200/JCO.1998.16.2.683.
  21. Dupont, C. et al. (2000): Long-term efficacy on Kaposi’s sarcoma of highly active antiretroviral therapy in a cohort of HIV-positive patients. CISIH 92. Centre d’information et de soins de l’immunodéficience humaine. AIDS 2000 May; 14(8):987–93; DOI: 10.1097/00002030-200005260-00010.
  22. Gill, P. S. et al. (1996): Randomized Phase III Trial of Daunorubicin Versus Doxorubicin, Bleomycin, and Vincristine in AIDS-related Kaposi‘s Sarcoma. J Clin Oncol 1996 Aug; 14(8):2353–64; DOI: 10.1200/JCO.1996.14.8.2353.
  23. Tulpule, A. et al. (2002): Multicenter trial of low-dose paclitaxel in patients with advanced AIDS-related Kaposi sarcoma. Cancer 2002 Jul; 95(1):147–54; DOI: 10.1002/cncr.10634.
  24. Krown, S. E. et al. (2002): Efficacy of low-dose interferon with antiretroviral therapy in Kaposis sarcoma: a randomized phase II AIDS clinical trials group study. J Interferon Cytokine Res 2002 Mar; 22(3):295–303; DOI: 10.1089/107999002753675712.
  25. Bodsworth, N. J. et al. (2001): Phase III vehicle-controlled, multi-centered study of topical alitretinoin gel 0,1% in cutaneous AIDS-related Kaposi`s sarcoma. Am J Clin Dermatol 2001; 2(2):77–87; DOI: 10.2165/00128071-200102020-00004.
  • Teilen
  • Teilen
  • Teilen
  • Drucken
  • Senden

Anzeige