Die Norovirus-Gastroenteritis ist eine akute infektiöse Magen-Darmerkrankung, die mit heftigem, schwallartigem Erbrechen und ausgeprägter Diarrhöe einhergeht. Ohne begleitende Grunderkrankung klingen die Symptome nach etwa 12 bis 48 Stunden ab.
In Deutschland sind Norovirus-Infektionen (ICD-10 A08.1) die häufigste Ursache von Gastroenteritis-Ausbrüchen. Die Viren sind hochinfektiös und extrem umweltresistent. Infizierte Personen scheiden die Erreger über den Stuhl und/oder mit Erbrochenem aus. Eine Übertragung ist durch fäkal-orale Schmierinfektionen und per Tröpfcheninfektion durch virushaltige Aerosole nach dem Erbrechen möglich. Infektionen können aber auch von kontaminierten Speisen oder Getränken ausgehen. Norovirus-Gastroenteritiden betreffen alle Altersgruppen. In den Wintermonaten werden gehäuft Erkrankungen größerer Gruppen in Gemeinschaftseinrichtungen wie Kindergärten, Schulen, Pflegeheimen und Krankenhäusern verzeichnet.
Der Verdacht auf eine Norovirus-Erkrankung erfolgt klinisch aufgrund des charakteristischen Erscheinungsbilds, zur Sicherung der Diagnose kommen molekularbiologische Methoden (meist PCR, aber auch ELISA-basierte Antigennachweise) zur Anwendung. Bereits bei Verdacht auf eine Norovirus-Gastroenteritis und insbesondere bei bestätigtem Virusnachweis sind besondere Hygienemaßen einzuleiten, zum Beispiel Isolation des Patienten, Tragen eines Mundschutzes und die Verwendung eines viruziden Händedesinfektionsmittels. Infektionen mit Noroviren sind nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) meldepflichtig [1,2].
Epidemiologie
Humane Noroviren gelten als die global führende Ursache für sporadische und epidemische/endemische virale Gastroenteritiden, die in verarmten Entwicklungsländern mit einer hohen Morbidität und Mortalität einhergehen und in Industrieländern zu enormen wirtschaftlichen Verlusten führen. Weltweit sind jährlich knapp 700 Mio. symptomatische Erkrankungsfälle und mehr als 200 .000 Todesfälle auf eine Norovirus-Gastroenteritis zurückzuführen [3].
Noroviren sind für einen Großteil der nicht bakteriell bedingten Magen-Darmentzündungen bei Kindern (ca. 30 Prozent) und bei Erwachsenen (bis zu 50 Prozent) verantwortlich. Am häufigsten sind Kinder unter fünf Jahren und ältere Personen jenseits des 70. Lebensjahrs betroffen. Norovirus-Ausbrüche kommen vor allem in Gemeinschaftseinrichtungen, Krankenhäusern und Seniorenheimen vor. Bei Säuglingen und Kleinkindern sind Noroviren nach den Rotaviren die zweithäufigste Ursache einer akuten Gastroenteritis. Ferner sind Noroviren der häufigste Auslöser von Reisediarrhoen [2,3].
Norovirus-Infektionen können das ganze Jahr über sporadisch und endemisch auftreten. Eine saisonale Häufung ist in den Monaten Oktober bis März zu beobachten, mit einem Gipfel in der 5. und 51. Kalenderwoche. Verglichen mit dem Zeitraum vor der Covid-19-Pandemie ist die Anzahl der übermittelten Norovirus-Erkrankungen stark zurückgegangen. Im Jahr 2020 lag die Gesamtinzidenz bei 28.511. In den beiden Vorjahren wurden 78.665 (2019) und 77.583 (2018) Fälle gemeldet. Im Vergleich zu den Meldedaten der fünf Vorjahre war 2020 ein Minus von 83 Prozent zu verzeichnen. Frauen erkrankten etwas öfter an einer Norovirus-Gastroenteritis als Männer (logarithmischer Inzidenzquotient 0,83). 54 Prozent (13.922) der Patienten mussten 2020 aufgrund der Norovirus-Infektion stationär aufgenommen werden, 17 verstarben infolge der Erkrankung [4–6].
Ursachen
Eine Norovirus-Gastroenteritis wird durch Noroviren (früher als Norwalk-like-Viren bezeichnet) verursacht. Dabei handelt es sich um etwa 26 bis 35 nm große, unbehüllte Einzelstrang-RNA-Viren. Noroviren gehören zur Familie der Caliciviridae.
Das Norovirus zeichnet sich durch eine ausgeprägte Genomvariabilität aus. Unterschieden werden fünf Genogruppen (GG I bis V), die abermals in Subgruppen unterteilt werden. Die humanpathogenen Vertreter gehören den Genogruppen GI, GII und GIV an. Sie lassen sich bisher nur schwer auf Zellkulturen oder in Versuchstieren vermehren [2].
Übertragung
Die hochinfektiösen Noroviren werden über den menschlichen Stuhl und das Erbrochene ausgeschieden. Für eine Infektion genügt bereits eine geringe Anzahl an Viruspartikeln. Die minimale Infektionsdosis dürfte bei ca. 10–100 Virionen liegen. Die Viruskonzentration im Stuhl akut Erkrankter kann Werte > 106 Viruspartikel/ml erreichen. Die für eine Infektion notwendige Dosis ist demnach in 10 –100 ng Stuhl enthalten – eine Menge, die mit dem bloßen Auge nicht erkennbar ist. Das ermöglicht eine sehr rasche und effektive Viren-Verbreitung und erklärt mitunter auftretende Schwierigkeiten, Ausbrüche unverzüglich zu beenden [2,7].
Noroviren werden fäkal-oral über Schmierinfektion (zum Beispiel per Handkontakt mit kontaminierten Flächen) oder durch die orale Aufnahme virushaltiger Tröpfchen, die im Rahmen des schwallartigen Erbrechens entstehen per Tröpfcheninfektion übertragen. Das erklärt die sehr rasche Infektionsausbreitung innerhalb von institutionellen Einrichtungen [2,7].
Die meisten Norovirus-Gastroenteritiden sind auf eine direkte Übertragung von Mensch zu Mensch (fäkal/oral) zurückzuführen. Infektionen können aber auch von primär oder sekundär kontaminierten Speisen oder Getränken ausgehen. Zu den häufigsten primär kontaminierten Nahrungsmitteln zählen Austern und Muscheln, die Noroviren aus fäkal verunreinigtem Meerwasser filtrieren. Roh oder unzureichend gegart verzehrt sind diese weltweit für redundante Norovirus-Ausbrüche verantwortlich. Sekundär kontaminierte Infektionsquellen sind zum Beispiel Obst und Gemüse, die durch Waschen oder Bewässern mit virushaltigem Wasser kontaminiert wurden. Weiter können die Erreger durch Personen, die Noroviren ausscheiden und keine ausreichende persönliche Hygiene einhalten, auf Lebensmittel übergehen. Eine Übertragung von Noroviren durch verunreinigtes Brunnen-, Fluss- und Teichwasser oder auch Wasser in Schwimmbädern ist ebenfalls möglich [2,3].
Noroviren werden vornehmlich in den Wintermonaten übertragen – vermutlich begünstigt durch tiefe Temperaturen, verminderte Ultraviolettstrahlung und engeres Zusammenleben der Menschen. Saisonale Endemien in der kalten Jahreszeit führen zu einer erhöhten Durchseuchung der Bevölkerung. Die dadurch vermittelte Herdenimmunität könnte das allmähliche Abflauen der Infektionen im Frühjahr miterklären. Vollständig verstanden ist das saisonale Phänomen aber noch nicht [8].
Inkubationszeit
Die Inkubationszeit beträgt circa 6 bis 50 Stunden [2].
Dauer der Ansteckungsfähigkeit
Während der akuten Erkrankung sind die Patienten hoch ansteckungsfähig. Die Viren werden mindestens noch bis zu 48 Stunden nach Sistieren der klinischen Symptomatik – das heißt, bis zur vollständigen Beendigung von Durchfall und Erbrechen – ausgeschieden. Damit ist das Transmissionsrisiko während der ersten 24 bis 48 Stunden in der akuten Krankheitsphase am höchsten. Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass Noroviren noch 7 bis 14 Tage nach Krankheitsbeginn über den Stuhl ausgeschieden werden können – in Ausnahmefällen auch noch über Wochen nach einer akuten Erkrankung (insbesondere bei immunsupprimierten Patienten und älteren Menschen). Daher ist auch nach der akuten Krankheitsphase eine sorgfältige Sanitär- und Händehygiene von entscheidender Bedeutung [2,7].
Immungesunde sind in der Regel 48 Stunden nach Ende der symptomatischen Phase nicht mehr infektiös, und zwar unabhängig davon, ob noch Norovirus-RNA im Stuhl nachweisbar ist oder nicht. Deshalb kann auf ein Nachtesten nach Ende der Symptomatik – wie es etwa nach Salmonelleninfektionen üblich ist – verzichtet werden [7].
Pathogenese
Die Pathogenese der Norovirus-Gastroenteritis wird immer besser verstanden. Bis vor kurzem war es nicht möglich, die Viren auf Zellkulturen anzureichern, was die Untersuchungen erschwerte. In den letzten Jahren wurde jedoch ein Norovirus-Replikon entwickelt, mit dem Zelllinien produziert wurden, in denen dauerhaft Norovirus-RNA repliziert wird. Darüber hinaus konnten zwei Norovirus-permissive In-Vitro-Zellkultursysteme geschaffen werden (B-Zellen: keine Auswirkung der Virusvermehrung auf die Wirtszelle erkennbar; von aus Stammzellen differenzierter Enterozyten: virusinduzierter zytopathischer Effekt). Drittens ist mittlerweile ein Kleintiermodell vorhanden, das auf der Maus und einem murinen Norovirus basiert [7].
Nach heutigem Verständnis erkennen Noroviren spezifische Polysaccharidsequenzen von Blutgruppenantigenen. Bevorzugte Zielzellen sind reife Enterozyten im oberen Bereich der Dünndarmzotten, da diese verstärkt Blutgruppenantigene exprimieren. Dies würde erklären, warum Menschen ohne Norovirus-Rezeptoren vor einer Norovirus-Infektion geschützt sind. Ferner ließ sich nachweisen, dass Noroviren mit Bakterien des Darmmikrobioms interagieren: So wurde ein Enterobacter-cloacae-Stamm identifiziert, der die klinischen Konsequenzen verstärkt; im Gegensatz dazu vermitteln bestimmte Laktobazillen inhibierende Effekte auf die Norovirus-Infektion [7–9].
Das Norovirus repliziert sich in den infizierten Enterozyten. Die Nutzung der eigenen RNA-Polymerase ohne Proof-Reading-Funktion und häufige Rekombinationsereignisse führen zur Bildung immer neuer Norovirus-Varianten – und damit zu einer hohen antigenetischen Diversität. Das erklärt die kurzanhaltende und stammspezifische Immunität nach einer Norovirus-Gastroenteritis. Eine langandauernde Immunantwort ist nicht erreichbar [7,8].
Während der akuten Krankheitsphase werden unterschiedliche Mengen an intestinaler Flüssigkeit produziert, ein Zusammenhang mit Enterotoxinen konnte bislang aber nicht hergestellt werden. Weiterhin ist unklar, wie es zum schwallartigen Übergeben kommt. Obschon die Magenentleerung in den ersten 48 Stunden deutlich verzögert ist, erklärt dies nicht die Schwere des Erbrechens [8].
Histopathologie
Histopathologisch dominieren mononukleäre und polymorphonukleäre Infiltrate der Lamina propria, die Villi sind abgestumpft, die Mukosa intakt. Norovirus-induzierte Läsionen sind reversibel, Magen und Rektum bleiben gewöhnlich ausgespart. Die Norovirus-typische Diarrhö ist mit einer transienten Malabsorption von D-Xylose und Fett sowie mit einer verminderten Aktivität der Bürstensaumenzyme assoziiert [8].
Symptome
Der Beginn einer Norovirus-Gastroenteritis imponiert in der Regel durch abrupt einsetzendes, schwallartiges, heftiges Erbrechen und starken wässrigen Durchfällen. Diese können ein erhebliches Flüssigkeitsdefizit bedingen. In einzelnen Fällen bleibt die Klinik auf Erbrechen ohne Diarrhöe oder auf Diarrhöe ohne Erbrechen beschränkt [2].
Die akute Krankheitsphase ist normalerweise von einem starken Krankheitsgefühl geprägt. Die Patienten fühlen sich schwach und matt. Übelkeit, Kopf-, Glieder-, Bauch- und Muskelschmerzen sind typische Begleitsymptome. Die Körpertemperatur kann leicht erhöht sein, hohes Fieber ist selten [2,7].
Schwächere oder asymptomatische Verläufe sind möglich. Bei Personen mit symptomloser Norovirus-Infektion findet sich dennoch Norovirus-RNA im Stuhl. Somit sind auch Ansteckungen anderer Personen denkbar [7].
Die Norovirus-Gastroenteritis ist selbstlimitierend. Ohne begleitende Grunderkrankungen halten die Beschwerden üblicherweise nur ein bis zwei Tage an. Nach 48 (bis 60) Stunden sind sie meist vollständig verschwunden [2,7].
Komplikationen
Über postinfektiöse Komplikationen gibt es nur wenige Berichte. In einigen Studien wurde ein erhöhtes Risiko von Dyspepsie, Obstipation und Reflux ermittelt. Kleinkinder, Senioren, immunsupprimierte Personen und Patienten mit relevanten Begleiterkrankungen haben ein erhöhtes Risiko für schwerere Krankheitsverläufe [8,10,11].
Besonderheiten
Noroviren können zu endemischen Gastroenteritis-Ausbrüchen führen. Solche Ausbrüche kommen gehäuft dort vor, wo viele Menschen auf engen Verhältnissen zusammenleben. Dazu gehören Gemeinschaftseinrichtungen wie Kindergärten und Schulen, Krankenhäuser, Seniorenheime, Militäreinrichtungen und Kreuzfahrtschiffe. Überwiegender Auslöser der Norovirus-Ausbrüche in den industrialisierten Ländern war in der jüngeren Vergangenheit ein Stamm des Genotyps GII.4. Allem Anschein gehen die Ausbrüche auf virale Varianten zurück, die zuvor schon bei sporadischen Fällen beobachtet worden waren [7,8].
Diagnostik
Eine Indikation zur Norovirus-Diagnostik besteht bei Patienten mit Durchfall (mit oder ohne Erbrechen), sofern die Beschwerden nicht durch andere Ursachen erklärt werden können. Eine rasche Diagnosestellung ist insbesondere bei Häufungen von Durchfall und Erbrechen in Gemeinschaftseinrichtungen, Krankenhäusern und Altenheimen anzustreben.
Besonderheiten bei Ausbrüchen
Bei größeren Ausbrüchen ist es nicht erforderlich, alle Patienten zu untersuchen. Meist genügt der Nachweis bei maximal fünf der betroffenen Personen. Bei den anderen Erkrankten aus der gleichen Umgebung mit ähnlichen Beschwerden handelt es sich dann sehr wahrscheinlich ebenfalls um eine Norovirus-Infektion. Für den Nachweis von Noroviren im Stuhl stehen derzeit drei verschiedene Methoden zur Verfügung [2]:
die Amplifikation viraler Nukleinsäuren (Real-Time-PCR)
der Nachweis viraler Proteine (Antigen-Enzymimmunoassay [EIA])
der elektronenmikroskopische Nachweis von Viruspartikeln
PCR-Verfahren
Goldstandard in der Ausbruchsdiagnostik von Norovirus-Infektionen sind auf Polymerasekettenreaktion (PCR) basierende Verfahren. Die Amplifikation viraler Nukleinsäuren weist eine hohe Sensitivität und Spezifität auf. Überdies kann bei gezielter Fragestellung durch die Sequenzierung von PCR-Produkten eine molekulare Differenzierung der Viren erfolgen. Dies bringt wertvolle Informationen zur Aufklärung von Ausbrüchen und Übertragungswegen sowie zur Bedeutung bestimmter Genotypen in der jeweiligen aktuellen epidemiologischen Situation [2].
Die PCR kann auch zur Detektion des Virus in Nahrungsmitteln eingesetzt werden [8].
Antigen-Enzymimmunoassay
In der routinemäßigen Anwendung sind derzeit zwei kommerzielle Antigen-EIA. Deren Spezifität und Sensitivität wird fortwährend geprüft. Die Resultate korrelieren häufig nicht mit Ergebnissen auf Basis molekularer Verfahren, sowohl falsch negative als auch falsch positive Resultate sind möglich. Das ist vermutlich auf die hohe genetische Variabilität der Noroviren zurückzuführen. Der positive wie der negative Vorhersagewert von Antigennachweisen ist deshalb als unbefriedigend zu bewerten. Daher sollte die Diagnosestellung von Norovirus-Infektionen nicht allein auf einem Antigennachweis basieren, insbesondere nicht in der Diagnostik von Einzelerkrankungen.
Bei untypischer Symptomatik oder Umgebungsuntersuchungen bei asymptomatischen Personen ist eine Antigen-EIA-Diagnostik nicht indiziert [2,7].
Elektronenmikroskopie
Die Elektronenmikroskopie galt lange Zeit als entscheidendes diagnostisches Mittel. Heute wird das Verfahren aufgrund der schlechten Sensitivität kaum noch zum Nachweis einer Norovirus-Infektion genutzt [2,7].
Diagnostik nosokomialer Norovirus-Infektionen
Die Diagnostik nosokomialer Norovirus-Infektionen soll bei symptomatischen Patienten, insbesondere aus krankenhaushygienischen Gründen, innerhalb weniger Stunden als Schnelltest erfolgen. Dabei sind molekularbiologische Verfahren (RT-PCR) den Antigentests überlegen. Ferner ermöglichen sie eine Genotypisierung zur Charakterisierung von Ausbrüchen. Die Virusanzucht spielt für die Diagnostik keine Rolle.
Der Therapieerfolg soll ausschließlich klinisch beurteilt werden. Mikrobiologische Verlaufsuntersuchungen sind nicht indiziert, auch nicht als Kriterium/Voraussetzung für Verlegungen in andere Krankenhäuser oder Pflegeeinrichtungen [1].
Differenzialdiagnose
Differenzialdiagnostisch sind grundsätzlich alle bakteriellen und nicht-bakteriellen Gastroenteritiden und deren Auslöser möglich. Dazu gehören:
Infektionen mit Rotavirus, Adenovirus und Astrovirus
infektiöse Gastroenteritiden durch Enteritis-Salmonellen, Campylobacter, Shigellen oder Yersinien
parasitärer Befall (Amöben, Lamblien)
bakterielle Enterotoxine etwa von Staphylococcus aureus im Rahmen einer Lebensmittelintoxikation
Therapie
Der Nachweis einer Norovirus-Infektion implifiziert unmittelbare Hygienemaßnahmen (Isolierung des Patienten, Tragen eines Mundschutzes und die Verwendung eines viruziden Händedesinfektionsmittels) sowie die Identifikation weiterer Fälle [1,2].
Therapeutisch kann nur auf eine symptomatische Behandlung gesetzt werden. Kausaltherapeutische Maßnahmen in Form antiviraler Agenzien und Möglichkeiten zur Immunprophylaxe gibt es nicht. Der einzige allgemein akzeptierte und in der Praxis verwendete therapeutische Ansatz ist die Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution. Letztere sollte mit entsprechenden Elektrolytpulverlösungen mit Zucker und Salzen aus der Apotheke erfolgen (orale Rehydrationslösung, ORL) [2,7].
Bei schweren Verläufen ist zuweilen eine kurzzeitige Hospitalisierung ratsam, insbesondere bei Kleinkindern und älteren Personen sowie Menschen mit schweren Vorerkrankungen. Bei starkem Erbrechen kann die Gabe von Antiemetika erwogen werden [1,2,7,8].
Prognose
Die Prognose einer Norovirus-Infektion ist im Allgemeinen gut. Die Erkrankung ist selbstlimitierend, die Symptomatik in der Regel nach 24 bis 48 Stunden überstanden [1,2].
An einer Norovirus-Gastroenteritis kann man jedoch immer wieder erkranken. Bei diesen Viren besteht postinfektiös lediglich eine kurzzeitige und stammspezifische Immunität von wenigen Wochen [7,8].
Bei immunkompromittierten Patienten können Noroviren Ursache einer chronischen Diarrhoe sein, etwa bei kongenitaler Immunschwäche, immunsuppressiver Behandlung, Chemotherapie und HIV/AIDS. In diesen Fällen kann die Erkrankung über Wochen oder Jahre persistieren. Hinweisgebend sind überwiegend atypische Symptome wie Gewichtsverlust, Mangelernährung und Dehydratation; asymptomatische Verläufe sind beschrieben [8,12,13].
Prophylaxe
Eine Impfung zum Schutz vor einer Norovirus-Gastroenteritis gibt es bislang nicht. Der wichtigste Präventiv-Faktor ist die konsequente Einhaltung der allgemeinen Hygieneregeln in Altenheimen, Krankenhäusern, Gemeinschaftseinrichtungen und Küchen [2].
Prophylaxe-Maßnahmen zum Verhindern einer Übertragung von Noroviren erstrecken sich auf zwei Bereiche: Von Nahrungsmitteln zum Menschen und von Mensch zu Mensch.
Nahrungsmittel-zu-Mensch-Übertragung
Um eine Übertragung durch kontaminierte Speisen zu vermeiden, sollten Gerichte mit Meeresfrüchten, speziell Muscheln und Austern, nur gut durchgegart verzehrt werden [2].
Bei Austern hat sich die Inaktivierung von Noroviren mittels Hochdruck-Hochtemperaturverfahren (HHT) bewährt – zum Beispiel eine Behandlung bei 600 MPa für fünf Minuten. Andere erprobte und angewandte Verfahren sind Gammabestrahlung, Hitzeinaktivierung, Ultraschall, UV-Strahlung, Exposition mit Chlorid oder Exposition mit Ozon. Wie effizient die einzelnen Methoden sind, kann nicht sicher vorhergesagt werden [7,14].
Mensch-zu-Mensch-Übertragung
Maßnahmen zum Schutz von Patienten und Kontaktpersonen sind bei begründetem Verdacht sofort, ohne eine Laborbestätigung abzuwarten, einzuleiten.
Die Minimierung einer Weitergabe der Noroviren von Mensch zu Mensch basiert auf vier Säulen [2,7]:
Isolation: Absonderung der erkrankten Personen, ggf. Kohortenisolierung/-pflege
Schutzkleidung: Tragen von Handschuhen und Schutzkittel, im Zusammenhang mit Erbrechen eventuell ein geeigneter Atemschutz
Händehygiene: konsequentes Händewaschen plus Verwendung eines viruziden Händedesinfektionsmittels
Umweltdekontamination: Desinfektion von patientennahen Flächen, Toiletten, Waschbecken, Türgriffen etc.
Zur Desinfektion sind Präparate mit nachgewiesener Wirksamkeit mit dem Wirkbereich „begrenzt viruzid PLUS“ oder „viruzid“ geeignet.
Gemeinschaftseinrichtungen
Nach § 34 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) dürfen Kinder unter sechs Jahren, die an einer infektiösen Gastroenteritis erkrankt oder dessen verdächtig sind, Gemeinschaftseinrichtungen nicht besuchen. Ein Wiederbesuch ist 48 Stunden nach Abklingen der klinischen Symptome möglich.
Ferner sollten Personen während der symptomatischen Phase keine betreuenden Tätigkeiten in Gesundheits- und Gemeinschaftseinrichtungen ausüben.
Lebensmittelberufe
Personen mit einer infektiösen Gastroenteritis dürfen nicht in Lebensmittelberufen (definiert in § 42 IfSG) tätig sein. Eine Wiederaufnahme der Arbeit ist frühestens zwei Tage nach Abklingen der klinischen Symptomatik zu erwägen. In den folgenden vier bis sechs Wochen muss die Händehygiene am Arbeitsplatz besonders sorgfältig beachtet werden. Treten die Beschwerden abermals auf, ist eine erneute Freistellung erforderlich.
Maßnahmen bei Ausbrüchen
Beim Auftreten von Norovirus-Erkrankungen in Krankenhäusern, Gemeinschaftseinrichtungen oder Seniorenheimen müssen alle Personen mit Norovirus-Infektionen von anderen Personen, beispielsweise mit durch Lebensmitteltoxine verursachten Gastroenteritiden, abgesondert werden.
Aufgrund der epidemischen Potenz sind präventive Maßnahmen rasch und konsequent zu ergreifen, selbst vor Bestätigung der Diagnose durch virologische Untersuchungen. Dazu gehören insbesondere [2]:
Isolierung betroffener Patienten in einem Zimmer mit eigenem WC; ggf. Kohortenisolierung
Unterweisung der Patienten und des Personals hinsichtlich der korrekten Händehygiene, Anwendung von einem Händedesinfektionsmittel mit dem Wirkbereich „begrenzt viruzid PLUS“ oder „viruzid“ und Pflege der Patienten mit Einweghandschuhen, Schutzkittel und ggf. geeignetem Atemschutz zur Vermeidung einer Infektion im Zusammenhang mit Erbrechen
Durchführung einer sorgfältigen Händehygiene, Anwendung von einem Händedesinfektionsmittel mit dem Wirkbereich „begrenzt viruzid PLUS“ oder „viruzid“ nach Ablegen der Einweghandschuhe und vor Verlassen des Isolationszimmers
tägliche Wischdesinfektion – in Sanitärbereichen unter Umständen auch häufiger – aller patientennahen Kontaktflächen inkl. Türgriffen mit einem Flächendesinfektionsmittel mit dem Wirkbereich „begrenzt viruzid PLUS“ oder „viruzid“ (als Wirkstoffe sollten Perverbindungen oder Aldehyde bevorzugt werden)
kontaminierte Flächen mit Stuhl oder Erbrochenem sofort nach Anlegen eines Atemschutzes gezielt desinfizierend reinigen
Pflegeutensilien personenbezogen verwenden und desinfizieren
Bett- und Leibwäsche als infektiöse Wäsche in einem geschlossenen Wäschesack transportieren und mit einem chemo-thermischen Waschverfahren mit viruzider Wirksamkeit reinigen und desinfizieren
Geschirr kann in der Regel wie üblich maschinell gereinigt werden
Kontaktpersonen (zum Beispiel Familie und Besucher) sind auf die mögliche Mensch-zu-Mensch-Übertragung durch Kontakt oder virushaltige Tröpfchen beim Erbrechen hinzuweisen und in der korrekten Händedesinfektion zu unterweisen
Minimierung der Patienten-, Bewohner- und Personalbewegung zwischen den Bereichen/Stationen, um die Ausbreitung innerhalb der Einrichtung nach Möglichkeit zu verhindern; bei notwendiger Verlegung eines Erkrankten auf eine andere Station muss auf die Infektionsgefahr hingewiesen werden
strenge Indikationsstellung bei akut Erkrankten hinsichtlich der Verlegungen innerhalb von stationären Bereichen, Altenheimen oder Gemeinschaftseinrichtungen; die aufnehmende Institution ist vorab zu informieren
Stationen oder Bereiche, die aufgrund eines Norovirus-Ausbruches für Neuaufnahmen von Patienten gesperrt waren, sollten unter Berücksichtigung der Inkubationszeit nach Auftreten des letzten Krankheitsfalles erst nach erfolgter Schlussdesinfektion wieder geöffnet werden
Im Hinblick auf die Vermeidung von Ausbrüchen wird empfohlen, erkranktes Personal schon bei geringen gastrointestinalen Beschwerden von der Arbeit freizustellen. Die Wiederaufnahme der Tätigkeit ist frühestens zwei Tage nach Ende der klinischen Symptomatik und unter sorgfältiger Beachtung der Händehygiene zu erwägen. Ein Monitoring bezüglich Überwachung der Virusausscheidung ist nicht angezeigt [2].
Weitere Informationen
Norovirus-Infektionen gehören zu den meldepflichtigen Erkrankungen.
Meldepflicht gemäß IfSG
Dem Gesundheitsamt wird gemäß § 7 Abs. 1 IfSG der direkte oder indirekte Nachweis von Norovirus, soweit er auf eine akute Infektion hinweist, namentlich gemeldet.
Darüber hinaus ist gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 IfSG der Verdacht auf und die Erkrankung an einer akuten infektiösen Gastroenteritis meldepflichtig,
wenn die betroffene Person Umgang mit Lebensmitteln hat oder in Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung (zum Beispiel Küchen und Gaststätten) beschäftigt ist oder
wenn zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird.
Die Meldungen müssen dem Gesundheitsamt spätestens 24 Stunden nach erlangter Kenntnis vorliegen.
Benachrichtigungspflicht gemäß IfSG
Leiterinnen und Leiter von Gemeinschaftseinrichtungen haben gemäß § 34 Abs. 6 IfSG das zuständige Gesundheitsamt unverzüglich zu benachrichtigen, wenn in ihrer Einrichtung betreute Kinder, die das 6. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, an einer infektiösen Gastroenteritis erkrankt oder dessen verdächtig sind.
Übermittlung
Das Gesundheitsamt übermittelt gemäß § 11 Abs. 1 IfSG an die zuständige Landesbehörde nur Erkrankungs- oder Todesfälle und Erregernachweise, die der Falldefinition gemäß § 11 Abs. 2 IfSG entsprechen.
Weitergehenden Mitteilungspflichten
Ergänzende Verordnungen bestehen für das Bundesland Sachsen.
Hagel, S. et al. (2015): S2k-Leitlinie Gastrointestinale Infektionen und Morbus Whipple. AWMF-Register-Nr. 021/024; Stand 31. Januar 2015; abgerufen am 21. Oktober 2021.
Robert Koch-Institut (RKI): RKI-Ratgeber Norovirus-Gastroenteritis. Stand 01. Juli 2008; abgerufen am 21. Oktober 2021
Razafimahefa, R. M., Ludwig-Begall, L. F., Thiry, E. (2020): Cockles and mussels, alive, alive, oh-The role of bivalve molluscs as transmission vehicles for human norovirus infections. Transbound Emerg Dis 2020 Jul; 67(Suppl 2):9–25; DOI: 10.1111/tbed.13165.
Askar, M. (2021): Infektionsepidemiologisches Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten für 2020. Robert Koch-Institut (RKI), Stand 01. März 2021; abgerufen am 21. Oktober 2021.
Askar, M. (2020): Infektionsepidemiologisches Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten für 2019. Robert Koch-Institut (RKI), Stand 01. März 2020; abgerufen am 21. Oktober 2021.
Heiden an der, M. (2019): Infektionsepidemiologisches Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten für 2018. Robert Koch-Institut (RKI), Stand 01. März 2019; abgerufen am 21. Oktober 2021.
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