Zytostatika sind Wirkstoffe, die im Rahmen einer Chemotherapie zur Behandlung von Krebserkrankungen eingesetzt werden, da sie das Zellwachstum verlangsamen oder stoppen, indem sie deren Zellteilung hemmen. Darüber hinaus finden sie auch Anwendung bei der Behandlung bestimmter Autoimmunerkrankungen.
Neben der chirurgischen Therapie und der Bestrahlung gehört die Chemotherapie mit Zytostatika zu den drei Hauptsäulen der Krebsbehandlung. Im Gegensatz zu Operation und Bestrahlung handelt es sich um eine systemische Therapie, die den ganzen Körper betrifft und auch Metastasen mit unbekannter Lokalisation bekämpft. Aktuell gibt es rund 50 verschiedene zugelassene Zytostatika, die in der Chemotherapie eingesetzt werden.
Die größte Herausforderung bei der Planung einer Chemotherapie besteht darin, die geeigneten Wirkstoffe zur Behandlung der spezifischen Krebsart zu finden. Sowohl individuelle Faktoren des Patienten als auch die Art und das Stadium des Krebses spielen hierbei eine große Rolle. Aber auch andere Faktoren wie das Ansprechen auf die Medikamente, der Allgemeinzustand, die Verträglichkeit und die Applikationsart müssen berücksichtigt werden.
Anwendungsart
Zytostatika können je nach Medikament und spezifischem Behandlungsplan über verschiedene Wege verabreicht werden. Die Wahl der Anwendungsart hängt von mehreren Faktoren ab, darunter die Art des Krebses, das spezifische Zytostatikum und die individuelle Patientensituation.
Intravenöse Verabreichung
Zentrale Venenkatheter (ZVK) und Portsysteme:
Wann ein Portsystem benötigt wird: Ein Portsystem wird oft bei Patienten verwendet, die eine langfristige Chemotherapie benötigen oder bei denen die periphere Venenpunktion schwierig ist. Es handelt sich um ein unter die Haut implantiertes Gerät, das mit einem Katheter in einer großen Vene verbunden ist.
Vorteile eines Portsystems:
Komfort: Reduziert die Anzahl der Nadelstiche und ist komfortabler für Langzeitbehandlungen.
Sicherheit: Verringert das Risiko für Infektionen und Thrombosen im Vergleich zu peripheren Zugängen.
Effizienz: Erlaubt die Verabreichung von Chemotherapeutika, die stark reizend sind und nicht in periphere Venen gegeben werden sollten.
Periphere intravenöse Verabreichung:
Einige Zytostatika können auch über eine normale periphere Vene verabreicht werden, insbesondere bei kürzeren Behandlungszyklen oder wenn die Medikamente weniger toxisch für das Gefäßsystem sind.
Orale Verabreichung
Einige Zytostatika sind in Tabletten- oder Kapselform verfügbar und können vom Patienten selbstständig zu Hause eingenommen werden. Dies bietet mehr Flexibilität und Komfort, kann aber auch eine engmaschige Überwachung der Einnahme und des Ansprechens auf die Therapie erfordern.
Wirkung
Je nach Substanzklasse weisen Zytostatika unterschiedliche Wirkmechanismen auf:
Alkylanzien binden kovalent an die Nukleinsäurebasen der DNA und hindern die Zellen daran sich effektiv zu replizieren. Dies führt schließlich zum Zelltod, wenn der Schaden nicht repariert wird.
Platinanaloga binden wie auch Alkylanzien an die DNA. Sie stören DNA-Reparaturmechanismen, verursachen DNA-Schäden und bedingen in der Folge den Zelltod der Krebszellen.
DNA-Interkalationsmittel können sich selbst zwischen Basen entlang der DNA einfügen und dadurch Proteine hemmen, die für die DNA-Replikation notwendig sind. In der Folge wird die DNA-Synthese verhindert, die Transkription und die Induktion von Mutationen inhibiert, wodurch die Zellproliferation gehemmt und anschließend der Zelltod induziert wird.
Auch einige Antibiotikakönnen gegen Krebszellen eingesetzt werden. Diese Anti-Tumor-Antibiotika können über verschiedene Mechanismen wirken. Dazu gehören unter anderem die Wirkung als DNA-Interkalatoren oder die Verhinderung der DNA-Reparatur.
Mitosehemmer stören die Teilungsfähigkeit der Krebszelle indem sie die Zellfunktion blockieren, die das vermehrte Erbgut in Tochterzellen aufteilt.
Taxane sind eine Gruppe von Substanzen, die den Abbau des Spindelapparates verhindern, so dass eine Zellteilung nicht mehr stattfinden kann.
Topoisomerase-Inhibitoren stören die Funktion bestimmter Enzyme, die DNA-Stränge während der Zellteilung brechen und wieder zusammenfügen.
Antimetabolite stören die Produktion von DNA und verhindern, dass Zellen wachsen und sich vermehren.
Nebenwirkungen
Da der Effekt von Zytostatika auf sich schnell teilende Zellen am größten ist, konzentrieren sich viele der Nebenwirkungen auf gesundes Gewebe sich schnell teilender Zellen wie Haare, Knochenmark und Schleimhäute. Dadurch können mehrere unerwünschte Effekte auftreten. Die Art und Schwere der Nebenwirkungen hängen von den verwendeten Medikamenten, der Dosierungen, dem Gesamtzustand des Patienten und der Reaktion des Körpers auf die Medikamente ab.
Die häufigsten Nebenwirkungen von Zytostatika sind:
Um einer ausgeprägten Mukositis vorzubeugen, können Lokalanästhetika im Mund- und Kieferbereich verabreicht werden. Dies reduziert die Durchblutung und damit die Menge des Chemotherapeutikums, das in die Schleimhaut gelangt.
Kältetherapie
Zusätzlich kann das Lutschen von Eiswürfeln während der Strahlentherapie helfen, die lokale Gefäßverengung zu verstärken. Diese durch Kälte induzierte Verminderung der Blutversorgung führt zu einer geringeren Sauerstoffzufuhr in das Gewebe, was wiederum die Empfindlichkeit der Zellen gegenüber Strahlung verringert.
Darüber hinaus kann eine Kältetherapie an Händen und Füßen hauptsächlich dazu dienen, die Häufigkeit und Schwere von Chemotherapie-induzierter peripherer Neuropathie und Hand-Fuß-Syndrom zu reduzieren. Patienten tragen hierzu während der Chemotherapie-Sitzung Handschuhe und Socken aus Eis oder kühlenden Materialien.
Wechselwirkungen
Einige bekannte Beispiele für Wechselwirkungen von Zytostatika umfassen:
Antikoagulanzien (z. B. Warfarin):
Viele Zytostatika können die Wirkung von Warfarin verstärken oder abschwächen, was das Risiko für Blutungen oder Thrombosen erhöht. Eine engmaschige Überwachung der INR-Werte ist erforderlich.
CYP450-Enzyminhibitoren/-Induktoren:
Zytostatika wie Cyclophosphamid und Ifosfamid werden über das Cytochrom-P450-System metabolisiert. Inhibitoren wie Ketoconazol oder Induktoren wie Rifampicin können den Metabolismus dieser Medikamente beeinflussen und somit ihre Wirksamkeit oder Toxizität verändern.
Vinca-Alkaloide wie Vincristin und Vinorelbin werden durch CYP3A4 abgebaut. Wenn Azol-Antimykotika (außer Fluconazol) gleichzeitig eingenommen werden, steigt das Risiko schwerer neurotoxischer Nebenwirkungen bei Vincristin
Antibiotika (z. B. Trimethoprim):
Kann die myelosuppressiven Effekte von Zytostatika verstärken und das Risiko einer Knochenmarkdepression erhöhen.
Antiepileptika (z. B. Phenytoin):
Antiepileptika können die Wirksamkeit von Zytostatika beeinflussen und umgekehrt. Phenytoin-Spiegel können bei gleichzeitiger Gabe von Zytostatika sinken, was das Risiko für Krampfanfälle erhöht.
5-Fluorouracil und sein Prodrug Capecitabin sind potente Inhibitoren das Enzym CYP2C9 hemmen, das für den Abbau von Phenytoin verantwortlich ist. Die gleichzeitige Anwendung kann zu einer erheblichen Erhöhung der Phenytoin-Spiegel führen, was das Risiko einer Überdosierung erhöht.
Grapefruitsaft:
Grapefruitsaft kann den Metabolismus von bestimmten Zytostatika beeinflussen, indem er CYP450-Enzyme hemmt, was zu einer erhöhten Konzentration und damit Toxizität der Medikamente führen kann.
Kontraindikationen
Die folgenden Kontraindikationen sind Beispiele für häufige Bedingungen, unter denen der Einsatz von Zytostatika nicht erfolgen darf. Es ist wichtig zu beachten, dass jeder Wirkstoff zusätzliche spezifische Kontraindikationen aufweisen kann, die bei der Behandlung berücksichtigt werden müssen.
Schwere Knochenmarkssuppression:
Patienten mit bereits bestehender schwerer Anämie, Leukopenie (niedrige weiße Blutkörperchenzahl), oder Thrombozytopenie (niedrige Blutplättchenzahl) sollten Zytostatika nur unter strenger Kontrolle erhalten, da diese Medikamente die Blutbildung weiter beeinträchtigen können.
Schwere Infektionen:
Bei akuten oder unkontrollierten Infektionen kann eine Chemotherapie das Immunsystem zusätzlich schwächen, was das Infektionsrisiko erhöht oder die bestehende Infektion verschlimmert.
Schwere Leber- oder Niereninsuffizienz:
Da viele Zytostatika über die Leber oder Nieren abgebaut und ausgeschieden werden, kann eine schwere Funktionsstörung dieser Organe zu einer erhöhten Toxizität führen.
Schwangerschaft und Stillzeit:
Die meisten Zytostatika sind teratogen und können den Fötus schädigen oder Fehlgeburten verursachen. Die Anwendung in der Schwangerschaft ist besonders im ersten Trimester kontraindiziert, es sei denn, der Nutzen überwiegt die Risiken. Auch während der Stillzeit ist Vorsicht geboten, da viele Zytostatika in die Muttermilch übergehen können.
Allergische Reaktionen oder Überempfindlichkeit:
Eine bekannte Allergie oder Überempfindlichkeit gegen ein spezifisches Zytostatikum stellt eine Kontraindikation für seine Anwendung dar.
Herzerkrankungen: Patienten mit vorbestehenden schweren Herzproblemen, wie z.B. Herzinsuffizienz, sollten Anthrazykline vermeiden, da sie kardiotoxisch wirken können.
Schwere Niereninsuffizienz: Aufgrund der renalen Ausscheidung und Nephrotoxizität dieser Medikamente sollte ihre Anwendung bei stark eingeschränkter Nierenfunktion vermieden werden.
Methotrexat:
Pleuraerguss oder Aszites: Diese Flüssigkeitsansammlungen können das Verteilungsvolumen von Methotrexat beeinflussen und die Toxizität erhöhen.
Vinca-Alkaloide (z.B. Vincristin, Vinblastin):
Neurologische Störungen: Patienten mit bestehenden neurologischen Erkrankungen oder Neuropathien sollten Vinca-Alkaloide mit Vorsicht anwenden, da diese die Nervenfunktion beeinträchtigen können.