Hintergrund
Auf Grundlage des Digitale-Versorgung-Gesetzes hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) Regelungen für alle Praxen entwickelt. Die Maßnahmen zielen unter anderem darauf ab, einen sicheren Umgang mit dem Internet zu gewährleisten.
Computer, Mobiltelefone und Tablets vor unbefugten Zugriffen und/oder Datenklau zu schützen.
Vertrauliche Daten online, per App oder mittels Datenträger sicher zu übertragen.
Umfang und Ausmaß der Forderungen richten sich vor allem nach der Anzahl der Personen, die ständig mit der Datenverarbeitung betraut sind, und dem Umfang der anfallenden Daten. Zusätzliche Vorgaben gibt es beim Umgang mit medizinischen Großgeräten sowie für die dezentralen Komponenten der Telematikinfrastruktur.
Regelkatalog
Der Regelkatalog umfasst zwei Abschnitte:
- Richtlinie über die Anforderungen zur Gewährleistung der IT-Sicherheit (nach § 75b SGB V)
- Richtlinie zur Zertifizierung von Dienstleistern (nach § 75b Absatz 5 SGB V)
Die Anforderungen des ersten Abschnitts bzw. der IT-Sicherheitsrichtlinie sind nach Anlage und Nummer sortiert.[1]
Die Vorgaben sind selbstverständlich nur für die Zieltechnologien umzusetzen, die auch tatsächlich in der Praxis genutzt werden.
Abschnitt 1: Anlagen der IT-Sicherheitsrichtlinie
Die Anlagen 1 bis 3 beziehen sich auf drei unterschiedliche Praxisgrößen; Anlage 4 und 5 enthalten Zusatzregeln. Im Detail:
- Anlage 1: betrifft Praxen mit bis zu fünf ständig mit der Datenverarbeitung beschäftigten Personen
- Anlage 2: betrifft Praxen mit sechs bis 20 ständig mit der Datenverarbeitung beschäftigten Personen
- Anlage 3: betrifft Praxen, in denen mehr als 20 Personen ständig mit der Datenverarbeitung betraut sind oder eine Praxis, die in über die normale Datenübermittlung hinausgehendem Umfang in der Datenverarbeitung tätig ist, zum Beispiel Medizinische Versorgungszentren (MVZ) mit krankenhausähnlichen Strukturen oder Labore
- Anlage 4: umfasst zusätzliche Anforderungen für Praxen, die mit medizinischen Großgeräten wie CT, MRT, PET, Linearbeschleuniger oder Dialysegeräten arbeiten
- Anlage 5: umfasst zusätzliche Anforderungen für dezentrale Komponenten der Telematikinfrastruktur, zum Beispiel Konnektor, Kartenlesegeräte oder Praxisausweise[2]
Zusammengefasst betreffen Anlage 1 und 5 alle Praxen. Die Anlagen 2, 3 und 4 beinhalten Zusatzregelungen für mittlere und große Praxen sowie Praxen mit medizinischen Großgeräten.
Fristen
Die Regeln sind für Ärzte und Psychotherapeuten verbindlich. Für die Umsetzung sind unterschiedliche Fristen vorgegeben. Die ersten Anforderungen gelten bereits seit dem 1. April 2021, weitere Stichtage sind der 1. Juli 2021 und der 1. Januar 2022. Die Anlagen 2 bis 5 beinhalten bis auf zwei Ausnahmen ausschließlich Anforderungen, die erst zu den letzten beiden Stichtagen erfüllt werden müssen.[2]
Anforderungen ab 01. April 2021
Anlage 1
Aus Anlage 1 müssen ab dem 01. April 2021 folgende Richtlinien umgesetzt werden:
- Sichere Apps nutzen: Apps dürfen nur aus offiziellen App-Stores heruntergeladen werden, nicht mehr benötigte Apps sind restlos zu löschen
- Aktuelle App-Versionen verwenden: Updates sind zeitnah zu installieren
- Verhinderung von Datenabfluss: Keine vertraulichen Daten über Apps versenden
- Verzicht auf Cloud-Speicherung: Keine Nutzung der in Office-Produkte integrierten Cloud-Speicher zur Speicherung personenbezogener Informationen
- Beseitigung von Rest-Informationen vor Weitergabe von Dokumenten: Vertrauliches aus Dokumenten vor einer Weitergabe an Dritte löschen
- Authentisierung bei Webanwendungen: Nur Internet-Anwendungen nutzen, die ihre Zugänge (Login-Seite und -Ablauf, Passwort, Benutzerkonto etc.) strikt absichern
- Schutz vertraulicher Daten: Internet-Browser gemäß Hersteller-Anleitung so einstellen, dass keine vertraulichen Daten im Browser gespeichert werden
- Kryptografische Sicherung vertraulicher Daten: Nur verschlüsselte Internet-Anwendungen verwenden
- Verhinderung der unautorisierten Nutzung von Rechner-Mikrofonen und Kameras: Mikrofon und Kamera am Rechner grundsätzlich deaktivieren und nur bei Bedarf temporär direkt am Gerät aktivieren und anschließend wieder deaktivieren
- Abmelden nach Aufgabenerfüllung: Nach Ende der Nutzung immer den Zugang zum Gerät sperren oder abmelden
- Einsatz von Viren-Schutzprogrammen: Aktuelle Virenschutzprogramme verwenden
- Schutz vor Phishing und Schadprogrammen im Browser: Aktuelle Schutzprogramme vor Phishing und Schadprogrammen im Browser nutzen
- Verwendung der SIM-Karten-PIN: SIM-Karten durch PIN schützen. Super-PIN/PUK nur durch Verantwortliche anwenden
- Verwendung eines Zugriffschutzes: Geräte mit einem komplexen Gerätesperrcode schützen
- Updates von Betriebssystem und Apps: Updates des Betriebssystems und der eingesetzten Apps bei Hinweis auf neue Versionen immer zeitnah installieren; zusätzlich festen Turnus (zum Beispiel monatlich) festlegen, in dem das Betriebssystem und alle genutzten Apps auf neue Versionen geprüft werden
- Updates von Mobiltelefonen: Regelmäßig prüfen, ob es Softwareupdates für die Mobiltelefone gibt
- Angemessene Kennzeichnung der Datenträger beim Versand: Eindeutige Kennzeichnung für Empfänger, die aber keine Rückschlüsse für andere ermöglichen
- Sichere Versandart und Verpackung: Versandanbieter mit sicherem Nachweis-System sowie manipulationssichere Versandart und Verpackung wählen
- Absicherung der Netzübergangspunkte: Übergang zu anderen Netzen – insbesondere das Internet – durch eine Firewall schützen
- Dokumentation des Netzes: Das interne Netz ist inklusive eines Netzplanes zu dokumentieren.[2]
Anlage 2 und 3
Gemäß Anlage 2 müssen mittlere Praxen seit dem 01. April 2021 vor Einführung einer mobilen Anwendung sicherstellen, dass die Applikation nur die minimal benötigten App-Berechtigungen für ihre Funktion erhält.[2]
Laut Anlage 3 sollten Großpraxen ab dem 01. April 2021 Wechseldatenträger vollständig verschlüsseln.[2]
Musterdokumente und Online-Plattform
Zur erleichterten Umsetzung bestimmter Anforderungen stellt die KBV drei Musterdokumente auf einer Online-Plattform zur Verfügung: ein Muster-Netzplan, eine Muster-Richtlinie für Mitarbeiter zur Nutzung von mobilen Geräten sowie eine Vorlage für die Mitnahme von Wechseldatenträgern. Die Entwürfe können individuell angepasst werden. Darüber hinaus bietet die Website Ärzten und Psychotherapeuten einen ausführlichen Überblick über alle Pflichten zur IT-Sicherheit in der Praxis.[3]
Abschnitt 2: Richtlinie zur Zertifizierung von Dienstleistern
Die Umsetzung der Sicherheitsanforderungen obliegt dem Inhaber der Praxis. Dieser kann den Regelkatalog in Eigenregie umsetzen oder sich von IT-Dienstleistern beraten und unterstützen lassen. Die Bedingungen dafür sind in einer zweiten Richtlinie geregelt. Hier hat die KBV die Rahmenbedingungen für das Zertifizierungsverfahren der ITler definiert.[4]