
Hintergrund
Biologika sind in Deutschland bereits seit 1982 verfügbar, Biosimilars gibt es seit 2006. Die auf biologischen Referenzwirkstoffen basierenden Arzneimittel nehmen einen immer höheren Stellenwert im Behandlungsgeschehen ein. Zuweilen gibt es jedoch Unsicherheiten bei der Verschreibung, insbesondere beim Wechsel von Referenzarzneimitteln auf Biosimilars. Die 2. Auflage des Leitfadens „Biosimilars“ der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) soll als umfassender Ratgeber bei der Verordnungsentscheidung helfen und die Akzeptanz von Biosimilars bei Ärzten und Patienten erhöhen. [1]
Evidenz zu Biosimilars
Biosimilars enthalten als arzneilich wirksamen Bestandteil eine Version des Wirkstoffs eines bereits in Europa zugelassenen biologischen Referenzarzneimittels bzw. Biologikums. Das Biosimilar entspricht hierbei dem Referenzarzneimittel hinsichtlich der pharmazeutischen Qualität, biologischen Aktivität, Wirksamkeit und Sicherheit (inklusive Immunogenität).
Biosimilars schon bei Ersteinstellung
Patienten sollten bereits bei der Ersteinstellung auf ein Biologikum ein Biosimilar erhalten. Voraussetzungen für die Verordnung sind:
- die Zulassung für die zu behandelnde Erkrankung
- die Verfügbarkeit einer praxistauglichen Einzeldosisstärke zur Vermeidung von Kosten durch Verwurf
- eine für die Behandlung geeignete Darreichungsform (zum Beispiel Applikationssysteme wie Fertigspritzen, Injektoren oder Pens)
Umstellung auf ein Biosimilar
Seit der Zulassung des ersten Biosimilars belegen unterschiedliche Switch-Studien, dass beim Wechsel von einem Referenzarzneimittel auf ein Biosimilar keine Unterschiede hinsichtlich des therapeutischen Effektes oder der Art, Häufigkeit und Schweregrad von Nebenwirkungen zu erwarten sind. [2] Biosimilar und Referenzarzneimittel sind demnach gleichwertig und austauschbar. Das heißt: Patienten, die bereits mit einem Biologikum behandelt werden, können auf ein Biosimilar umgestellt werden. Nach dem Wechsel muss der Patient – wie bei einer Neueinstellung – jedoch engmaschig überwacht werden.
Einsatz von Biosimilars trotz fehlender Studien
Biosimilars können auch in zugelassenen Indikationen eingesetzt werden, in denen für das Biosimilar keine klinischen Studien vorliegen. Die bei der Zulassung von Biosimilars geforderte klinische Studie muss nicht die therapeutische Wirksamkeit des biosimilaren Wirkstoffs untersuchen. Diese wurde bereits beim Referenzarzneimittel erwiesen. Die Zulassungsstudie schließt lediglich klinisch relevante Unterschiede zum Referenzarzneimittel aus, die sich auf die Wirksamkeit und Sicherheit einschließlich Immunogenität auswirken könnten. Das bedeutet, dass Biosimilars therapeutisch gleichwertig zu Referenzarzneimitteln in allen zugelassenen Indikationen verordnet werden können.
Besonderheiten bei der Therapie-Überwachung
Grundsätzlich gibt es keine Unterschiede zwischen der Pharmakovigilanz von Biosimilar und biologischem Referenzarzneimittel. Fordert die Zulassungsbehörde indes Untersuchungen zur Sicherheit eines Arzneimittels nach seiner Zulassung („Post- Authorisation Safety Study“, PASS), gilt dies sowohl für das jeweilige Referenzarzneimittel als auch für das entsprechende Biosimilar. Um Meldungen von Nebenwirkungen sicher rückverfolgen zu können, sollte bei Referenzarzneimittel und Biosimilar neben der üblichen Angabe von Wirkstoff und Handelsname zusätzlich die Chargenbezeichnung dokumentiert werden.
Patienteninformation und -beratung
Ein entscheidender Faktor bei der Behandlung mit Biologika oder Biosimilars ist die ausführliche Patienteninformation und -beratung. Um die Therapieadhärenz zu stärken und Nocebo-Effekten vorzubeugen, sollten etwaige Ängste ernstgenommen und Bedenken der Patienten berücksichtigt werden.
Automatische Substitution für Biosimilars
In Deutschland ist die automatische Substitution für Biologika und Biosimilars derzeit nicht erlaubt (Stand März 2021). Eine entsprechende Änderung hat der Gesetzgeber allerdings mit dem im August 2019 in Kraft getretenen Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) ab August 2022 vorgesehen. Zunächst muss der Gemeinsame Bundesausschuss (GB) aber in seinen Richtlinien die Austauschbarkeit in der Apotheke für das betreffende Biologikum festgestellt haben. Ziel der automatischen Substitution ist es, die Abgabe von Biosimilars zu erhöhen und dadurch Kosten einzusparen.
Kosten und Wirtschaftlichkeit
Insgesamt gibt es derzeit (Stand März 2021) 62 zugelassene und 52 bereits in den deutschen Arzneimittelmarkt eingeführte Biosimilars. Verglichen mit den jeweiligen Referenzarzneimitteln sind diese oft preisgünstiger. Wie bei allen Arzneimittelverordnungen ist auch bei der Erstverordnung von Biosimilars oder der Umstellung einer laufenden Behandlung mit einem Biologikum neben medizinischen Aspekten das Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 SGB V zu beachten. Die AkdÄ empfiehlt, in beiden Fällen jeweils die wirtschaftlichere Verordnungsalternative zu wählen – das sind meist Biosimilars. Biosimilars können damit wie Generika die Ausgaben im Arzneimittelbereich reduzieren und so die Finanzierbarkeit der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung nachhaltig stärken.
Einsparpotenziale
Durch die Abgabe von Biosimilars wurden 2019 bereits 459 Millionen Euro in der gesetzlichen Krankenversicherung eingespart. Durch eine konsequente Verordnung des jeweils günstigsten biologischen Pharmazeutikums (in der Regel ein Biosimilar) wären sogar Einsparungen in Höhe von 791,6 Millionen möglich gewesen. Eine Analyse aus dem Jahr 2015 zeigt die ökonomischen Auswirkungen am Beispiel eines Infliximab-Biosimilars. Bei einem anzunehmenden Preisvorteil von 30 Prozent hätten in Deutschland 2.260 Patienten ohne zusätzliche Kosten mit Infliximab behandelt werden können. [3]