
Die tägliche Medikamenteneinnahme ist für viele Patienten mit HIV-Infektion eine große Belastung. Das könnte sich zeitnah ändern. Forscher haben eine lang wirksame Injektion entwickelt, die genau so gut und sogar besser wirkt als die bisherige antiretrovirale Standardtherapie (ART). Nach erfolgter Zulassung der HIV-Monatsspritze mit den Wirkstoffen Cabotegravir und Rilpivirin könnte eine Injektion im Vier- oder Acht-Wochen-Rhythmus genügen, um eine Virussuppression zu halten. Die Ergebnisse aus den Tests der Phase-II-Studie sind vielversprechend. Nach einer Publikation im The Lancet (2017; DOI: 10.1016/S0140-6736(17)31917-7) verhindert die Injektion eine Virusvermehrung und den Ausbruch der Immunschwächekrankheit AIDS sogar erfolgreicher als die derzeit gängige orale ART.
Cabotegravir und Rilpivirin als langwirksame Injektion
Prof. Dr. David Margolis, Leiter des UNC Collaboratory of AIDS Researchers für Eradication (CARE), und Kollegen haben eine neuartige antiretrovirale Injektion in der LATTE-II-Studie getestet. Das Therapieregime bestand dabei aus zwei investigationalen, langwirksamen, injizierbaren Formulierungen, die alle vier oder acht Wochen verabreicht wurden. Bei den Wirkstoffen der Nanosuspension handelt es sich um Cabotegravir (GSK 1265744), einem neu entwickelten HIV-Integrase-Inhibitor (ein Analogon von Dolutegravir) und Rilpivirin, einen nicht nukleosidische Reverse-Transkriptase-Hemmer. Nach einem oral induzierten Stopp der Virusvermehrung erhielten die Teilnehmer randomisiert intramuskuläre Cabotegravir/Rilpivirin- Injektionen oder eine orale Dreierkombination aus Cabotegravir, Abacavir und Lamivudin.
Aufbau der Studie
Die LATTE-2-Studie ist eine fortlaufende, multizentrische, randomisierte Open-Label-Studie der Phase 2b. Die antivirale Aktivität als primärer Endpunkt wurde durch das FDA-Snapshot-Algorithmus-Protokoll evaluiert. Vor der Randomisierung erhielten 309 therapienaive Probanden mit einer HIV-Infektion zunächst über 20 Wochen oral Cabotegravir, Abacavir und Lamivudin zur Virussuppression. 286 Teilnehmer wiesen anschließend weniger als 50 Kopien HIV1-RNA pro Milliliter Blutplasma auf. Davon erhielten je 115 Probanden jeweils vier- oder achtwöchentliche Cabotegravir/Rilpivirin -Injektionen. Die restlichen 56 Probanden nahmen weiterhin die orale Dreierkombination Cabotegravir, Abacavir und Lamivudin. Nach 32 und 96 Wochen wurde die Viruslast der drei Gruppen verglichen.
Injektion ist oraler Therapie überlegen
Im Ergebnis waren mit dem oralen Therapieregime 91 Prozent der Patienten anhaltend virussuppressiv, mit der Injektion im Vier-Wochen-Rhythmus 94 Prozent und mit der Injektion im Acht-Wochen-Rhythmus 95 Prozent. Der Vorteil der Injektion blieb auch 96 Wochen (also fast zweijähriger Behandlung) nach der Randomisierung bestehen. Der Anteil der erfolgreichen Erhaltungstherapie (<50c/ml) lag bei:
- Tabletteneinnahme 84 Prozent (n = 47)
- Ein-Monats-Spritze 87 Prozent (n = 100)
- Zwei-Monats-Spritze 94 Prozent (n =108).
Schmerzen an der Injektionsstelle als häufigste Nebenwirkung
Nahezu alle Studien-Teilnehmer der Injektionsgruppen waren mit dem Nebenwirkungsprofil zufrieden (Datenerfassung per Fragebogenanalyse). Nur zwei Probanden brachen die Injektions-Behandlung ab. Als häufigstes unerwünschtes Ereignis wurden Schmerzen an der Injektionsstelle genannt. Diese waren jedoch nur schwach bis moderat ausgeprägt und nach spätestens drei Tagen nicht mehr wahrnehmbar. Weitere Nebenwirkungen waren in allen drei Untersuchungsgruppen Nasopharyngitis, Diarrhoe und Cephalgie.
Mehr Therapietreue durch Monatsspritze
Die HIV-Therapie macht schon seit Jahren enorme Fortschritte. Früher mussten noch unzählige Medikamente eingenommen werden, um die Viruslast zu unterdrücken und den Ausbruch von AIDS hinauszuzögern. Nunmehr ist es durch Fixkombinationen und Neuentwicklungen gelungen, die Anzahl an Tabletten drastisch zu reduzieren. Bei vielen Patienten genügt sogar nur eine einzige Tablette als Erhaltungstherapie.
Aber auch diese lebenslange, tagtägliche Einnahme wird zuweilen als alltagseinschränkend und belastend empfunden – mit dem Ergebnis mangelnder Therapietreue und vergessener Einnahmen. Das wäre mit ein- oder zweimonatlichen Injektionen zu verhindern.
Paul Stoffels, MD und wissenschaftlicher Leiter bei Johnson & Johnson, dazu: „Die Non-Adhärenz der Patienten während einer Behandlung ist eine Herausforderung und auch Haupttreiber der Resistenzen gegen HIV-Medikamente. Unsere Hoffnung ist es, die HIV-Behandlung für alle bewältigbar zu gestalten – mit innovativen Lösungen und langfristig wirksamen Therapieregimen.“ Stoffels weiter: „Die im The Lancet veröffentlichten Ergebnisse zeigen, dass eine Injektion mit dualem Wirkprinzip als Langzeitregime eine wirksame und akzeptable Alternative für virussuppressive Menschen bieten kann, um ihre HIV-Infektion zu kontrollieren.“
Momentan werden Wirksamkeit und Sicherheit der Cabotegravir/Rilpivirin-Injektion in zwei globalen Phase-III-Studien untersucht. Im Anschluss daran kann mit einer Zulassung gerechnet werden.