
Die Implantation von Knie- oder Hüftgelenken gilt unter Experten als Routine. Durchschnittlich setzten Orthopäden 2016 etwa rund 230.000 Hüftendoprothesen ein. Der Gelenkersatz befreit die Patienten von Schmerzen, erhöht die Lebensqualität und sorgt für Mobilität bis ins hohe Alter. Am häufigsten wird ein Totalersatz des entsprechenden Gelenks vorgenommen. Rund 40% der endoprothetischen Hüfteingriffe fallen in die Altersgruppe 70–79 Jahre; Frauen sind doppelt so oft betroffen wie Männer. Der Hüftersatz gilt als eine der häufigsten und erfolgreichsten Operationen überhaupt. Dennoch gibt es auch immer wieder Versager. Diese sind Schätzungen zufolge mit 20% zwar bei künstlichen Knien verbreiteter. Beim Hüftgelenkersatz gibt es aber auch mindestens zwei von hundert Patienten, die langfristig nach dem Eingriff unzufrieden sind.
Diskrepanz zwischen Implantatmodell und OP-Methode
Mal lockert sich die Prothese, mal kommt es zu Infektionen. Ein nicht seltener Grund für eine misslungene Implantation ist, dass bei Patienten das Prothesenmodell nicht zur Operationsmethode passt. Für einen langfristigen Erfolg spielt nach aktuellem Wissensstand nämlich das Implantatmodell eine größere Rolle als die Operationsmethode. Die Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik (AE) rät daher, nicht die Operationsmethode zu priorisieren, sondern einem optimal geeigneten Implantat den Vorrang zu geben [1].
Kurzfristig bringt mimimal invasiver Eingriff Vorteile
Viele Patienten wünschen sich einen minimal invasiven Zugang (MIS). Und tatsächlich belegen bislang vorliegende Studien Vorteile, vor allem in den ersten sechs Wochen nach der Operation. Nach spätestens einem Jahr jedoch zeigen Untersuchungen keine Unterschiede mehr zwischen MIS und klassisch offenem Eingriff. Die Schlüssellochtechnik kommt mit winzigen Schnitten in Haut und Weichteilen aus. Bei MIS nutzen Operateure die natürlichen Lücken zwischen den Muskeln, um zum Hüftgelenk zu gelangen. „Wir schieben Muskeln, Sehnen, Gefäße und Nerven weitestmöglich zur Seite, statt sie wie sonst üblich zu durchtrennen und nachher wieder zu vernähen“, erläutert Professor Dr. Dieter C. Wirtz, Ärztlicher Direktor der Klinik und Poliklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am Universitätsklinikum Bonn.
Die MIS schont dem Fachmann zufolge zudem wichtige Nervenrezeptoren am Sehnen-Knochen- und Sehnen-Muskel-Übergang. Die Mechanorezeptoren sorgten für Tiefensensibilität und damit für Gangstabilität und Gleichgewichtsgefühl. „Bleiben diese Strukturen bei der Prothesenimplantation intakt, können die Patienten nach dem Eingriff früher mit ihrer Rehabilitation beginnen“, sagt Wirtz.
Prothese muss sorgfältig eingesetzt werden
Die minimal invasive Hüftoperation mag sich unkompliziert anhören, doch sie eignet sich nicht für jeden Patienten. „Die Hüftgelenksgeometrie muss passen, der Patient sollte nicht zu kräftig bemuskelt und auch nicht zu adipös sein“, erläutert das Mitglied des AE-Präsidiums. Gleichzeitig muss vor allem das Prothesenmodell sorgfältig ausgewählt werden. Denn der minimal invasive Zugang geht mit einer eingeschränkten Sicht einher. „Die einzelnen Operationsschritte mit der notwendigen Sorgfalt durchführen zu können, hat immer Vorrang.“ Fazit des Experten: Die Operationsmethode sollte so gewählt werden, dass die Hüftendoprothese langfristig keine Beschwerden macht. Bringen Patienten die individuellen Voraussetzungen für einen muskelschonenden minimal invasiven Eingriff mit, sollte dieser auch gewählt werden. Verspricht aber eher die klassische offene Operation den Langzeiterfolg, muss offen operiert werden. „Das Ziel eines jeden Operateurs sollte es sein, so gewebeschonend wie möglich zu operieren“, bekräftigt Wirtz.