
Die langfristige Einnahme von Kortikosteroiden ist mit – zuweilen nicht unerheblichen – Risiken behaftet. Dazu gibt es bereits unzählige und unstrittige Untersuchungen. Eine aktuelle im British Medical Journal publizierte Studie liefert einen Hinweis auf erhöhte Komplikationsraten auch bei kurzfristiger Anwendung.
Professor Dr. Akbar Waljee von der University of Michigan in Ann Arbor und sein Team analysierten den Zusammenhang von unerwünschten Ereignissen bei einer kurzfristig verordneten Therapie mit oralen Kortikosteroiden. Anhand einer retrospektiven, populationsbasierten Kohortenstudie (2017; DOI: 10.1136/bmj.j1415) wurde das Risiko an Knochenbrüchen, venösen Thromboembolien und Sepsen bei Erwachsenen bewertet. Die Folgen fielen bei den meisten Kurzzeitanwendungen unkompliziert aus. Dennoch konnte bei einem Teil der Probanden eine erhöhte Inzidenz der unerwünschten Ereignisse gegenüber Nicht-Kortikosteroidnutzern festgestellt werden.
Mehr als 1,5 Millionen Studienteilnehmer
Der Gastroenterologe Waljee und sein Team analysierten Daten von 1.548.945 US-amerikanischen Patienten mit privaten Versicherungsansprüchen. Die Probanden waren im Alter zwischen 18 und 64 Jahren. Der Studienzeitraum erstreckte sich über drei Jahre von 2012 bis 2014. Als Kurzzeitanwendung oraler Kortikosteroide wurde die Zeitspanne von weniger als 30 Tagen definiert. Untersucht wurde die Inzidenzrate von Sepsis, venösen Thromboembolien und Frakturen innerhalb der 30 Tage sowie im Zeitrahmen vom 31. bis 90. Tag nach Therapieverordnung.
Kortikosteroid-Verordnung
Retrospektiv betrachtet erhielten 21,1 Prozent der Studienteilnehmer (327.452 Patienten) zwischen dem 1. Januar 2012 und dem 31. Dezember 2014 mindestens eine ambulante Verschreibung oraler Kortikosteroide. Zu den häufigsten Indikationen zählten Infektionen des oberen und unteren Respirationstrakts, Wirbelsäulen- und Bandscheibenerkrankungen sowie Allergien. Die durchschnittliche Einnahmedauer betrug sechs Tage. Als mediane Tagesdosis wurden 20 mg Prednisolon (oder gleichwertige Wirkstoffe) ermittelt.
Erhöhte Risiko-Inzidenzrate auch bei Kurzzeiteinnahme
In der Regel blieb die Kurzzeitanwendung oraler Kortikosteroide folgenlos. Waljee und seine Wissenschaftler identifizierten jedoch 1657 Patienten (0,51 %), die 5 bis 90 Tage nach Behandlungsbeginn eine Knochenfraktur erlitten. Zudem erkrankten im gleichen Zeitraum 472 Studienteilnehmer (0,14 %) an einer venösen Thromboembolie und 170 Probanden (0,05 %) bekamen eine Sepsis. In der Vergleichsgruppe (1.221.493 Probanden) der Nicht-Kortikosteroidnutzer war die Inzidenzrate dieser unerwünschten Ereignisse deutlich geringer (Knochenfrakturen 0,39 %, Thromboembolien 0,09 %, Sepsis 0,02 %).
Self-Controlled-Cases-Series (SCCS-Methode)
Zur Vermeidung von Verzerrungen, die sich aus differenten Patienteneigenschaften ergeben könnten, nutzten die Wissenschaftler die sogenannte Self-Controlled-Cases-Series-Methode. Dabei wurden die drei beschriebenen unerwünschten Ereignisse an den Tagen 5 bis 30 sowie an den Tagen 31 bis 90 nach Verordnung bzw. Behandlungsbeginn mit dem oralen Kortikosteroid verglichen.
Bis zum 30. Tag wurde eine erhöhte Inzidenzrate (IRR) für eine Sepsis um den Faktor 5,3 (95%-KI 3,8-7,41), für venöse Thromboembolien um den Faktor 3,33 (2,78-3,99) und für Frakturen um den Faktor 1,87 (1,69-2,07) ermittelt.
Im Zeitrahmen der Tage 31 bis 90 sank die Inzidenzrate, wie bereits von den Autoren vermutet.
Die IRR für eine Sepsis war um den Faktor 2,91 (2,05-4,14) erhöht, für eine venöse Thromboembolie um den Faktor 1,44 (1,19-1,74) und für eine Fraktur um den Faktor 1,4 (1,29-1,53).
Risiken auch bei kurzzeitiger Kortikosteroid-Verordnung bedenken
Obwohl die langfristigen Komplikationen einer Langzeitanwendung oraler Kortikosteroide gut dokumentiert sind, mangelt es an klinischen Daten zu möglichen negativen Auswirkungen einer kurzzeitigen Einnahme. Auch bedauert Waljee, dass eine orale Kurzzeit-Kortikoid-Therapie oft als alternativlos betrachtet wird. Dabei gäbe es häufig andere Behandlungsoptionen, die mitunter aber keine sofortige Symptomlinderung bewirken. Dem Vorteil jedoch, dass eine Therapie mit Kortikosteroiden in der Regel rasch anschlägt, steht das erhöhte Risiko von Frakturen, Thromboembolien und Septikämien gegenüber.