
Das rekombinante Protein rNAPc2 wirkt direkt auf die Blutgerinnung und hat das Potenzial, Gerinnungsstörungen und damit einhergehende Entzündungen bei SARS-CoV-2-Infektionen zu verhindern, die eine zentrale Rolle für die Prognose von COVID-19-Patienten zu spielen scheinen. Der Wirkstoff greift direkt in die frühen Prozesse der Blutgerinnung ein, indem es den Tissue Factor (Gewebefaktor) VIIa hemmt, dem eine zentrale Rolle bei der Entzündungsreaktion auf Virusinfektionen und beim Prozess der Virusverbreitung, zugeschrieben wurde.
Frühere klinische und präklinische Untersuchungen, unter anderem für den Einsatz bei Ebola, weisen darauf hin, dass rNAPc2 neben der gerinnungshemmenden Wirkung auch über entzündungshemmende und antivirale Eigenschaften verfügt. rNAPc2 wurde bereits an über 700 Patienten in Phase I und Phase II getestet, unter anderem in klinischen Studien zur Vorbeugung von venösen und arteriellen Thrombosen, wo es eine Wirksamkeit bei der Hemmung des Gewebefaktor-Signalwegs zeigte und in therapeutischen Dosen gut vertragen wurde.
Klinische Studien
Seit Dezember 2020 wird der Wirkstoff in einer internationalen, multizentrischen klinischen Phase-II/III-Studie (NCT04655586) bei stationär behandelten COVID-19-Patienten mit erhöhten Blutgerinnungswerten untersucht. Dabei soll herausgefunden werden, ob durch eine Behandlung mit rNAPc2 Thrombosen besser verhindert werden können als durch die Standardtherapie mit dem Gerinnungshemmer Heparin. rNAPc2 wird hierbei an den Tagen eins, drei und fünf subkutan appliziert.
Unterscheidung zu bisheriger Therapie
„Die thrombo-inflammatorischen Prozesse bei COVID-19 waren Ausgangspunkt für unsere Forschung mit dem Wirkstoff rNAPc2“, erläutert Univ.-Prof. Dr. Wolfram Ruf, Wissenschaftlicher Direktor des Centrums für Thrombose und Hämostase (CTH) der Universitätsmedizin Mainz. rNAPc2 greift direkt in die frühen Prozesse der Blutgerinnung ein, indem es den sogenannten Tissue Factor (Gewebefaktor) hemmt. Beim Tissue Factor handelt es sich um ein Protein, das die Blutgerinnung aktiviert und eine zentrale Rolle bei der Entzündungsreaktion im Rahmen von Virusinfektionen und bei der Virusverbreitung spielt.
Damit unterscheidet sich der Wirkmechanismus von rNAPc2 grundlegend von der Wirkweise, des bisher zur Thromboseprophylaxe bei COVID-19-Patienten eingesetzten Gerinnungshemmers Heparin. Als sogenanntes indirektes Antikoagulans stimuliert Heparin die Wirkung des körpereigenen, gerinnungshemmenden Proteins Antithrombin und hemmt damit die späteren Phasen der Blutgerinnung.
Aussicht
Wenn sich rNAPc2 in den klinischen Studien bei COVID-19 als erfolgreich erweist, könnte dies eine Anwendung bei weiteren thrombo-inflammatorischen Erkrankungen ermöglichen. Dazu zählt unter anderem das Antiphospholipid-Syndrom (APS), eine schwerwiegende Komplikation, die bei Autoimmunerkrankungen wie dem systemischen Lupus erythematodes auftreten kann.
Ausgehend von den Forschungsergebnissen zu rNAPc2 hat die Universitätsmedizin Mainz eine Patentübertragungsvereinbarung mit dem Wirkstoffinhaber ARCA biopharma abgeschlossen, womit das US-Biotechunternehmen die weltweiten Patentrechte für die Verwendung von rNAPc2 als potenzielle Therapie bei COVID-19 erhält.