
Inaktivierte Ganzvirusimpfstoffe sind die Impfstoffe, die weltweit am häufigsten im Kampf gegen die COVID-19-Pandemie eingesetzt werden. Zu den Hauptproduzenten zählen China (BBIBP-CorV von Sinopharm, CoronaVac von Sinovac), Indien (Covaxin von Bharat Biotech), Iran (COVIran Barakat von Shifa Pharmed) und Kasachstan (QazVac von Research Institute for Biological Safety Problems). Allein die Impfstoffe von Sinovac und Sinopharm machen fast 5 Milliarden der mehr als 11 Milliarden COVID-19-Impfdosen aus. Die klassischen Totimpfstoffe sind relativ einfach herzustellen, stabil, sicher und gut verträglich – aber scheinbar nicht sehr wirkungsvoll gegen Omikron. Das legen einige Laboruntersuchungen nahe. Demnach bilden geimpfte Personen nur wenige oder gar keine neutralisierenden Antikörper (nAB) zum Schutz vor der Variante, die sich global mit rasender Geschwindigkeit ausbreitet. Selbst nach einer dritten Dosis eines inaktivierten Impfstoffs bleibt der Gehalt an neutralisierenden Antikörpern oft niedrig. Eine Auffrischung mit einem anderen Impfstofftyp, etwa auf der Basis von Boten-RNA oder gereinigten Proteinen, könnte indes einen besseren Schutz bewirken [1].
Suboptimale Neutralisierungsaktivität
Erste Zweifel, dass inaktivierte Impfstoffe gegen Omikron möglicherweise nicht ausreichend wirken, kamen bereits im Dezember 2021 auf, als Wissenschaftler in Hongkong das Blut von 25 Empfängern des Zweidosen-Impfstoffs CoronaVac analysierten. Bei keiner einzigen Person waren neutralisierende Antikörper gegen die neue Variante nachweisbar. Sinovac bestritt die Ergebnisse und verwies auf eigene Daten. Demzufolge wurden 7 von 20 Personen positiv auf Antikörper getestet, die Omikron neutralisieren können. Auch andere Produktionsfirmen inaktivierter Ganzvirusimpfstoffe sprachen sich für eine gewisse Wirksamkeit gegen Omikron aus, etwa Bharat Biotech und Sinopharm. Forscher des Translational Health Science and Technology Institute in Faridabad, Indien, sprechen allerdings von einer „suboptimalen“ Immunreaktion [1].
Das ganze Immunsystem zählt
Die Aktivität neutralisierender Antikörper könnte durch eine dritte Dosis eines inaktivierten Impfstoffs erhöht werden. Dies legt eine Preprint-Studie mit 292 Personen nahe, die von Forschern der Shanghai Jiao Tong University School of Medicine in China durchgeführt wurde. Demnach waren acht bis neun Monate nach einer ersten Impfung mit BBIBP-CorV nur bei acht Personen neutralisierende Antikörper gegen Omikron feststellbar. Nach einer weiteren Impfung mit demselben Impfstoff zeigten immerhin 228 entsprechende Spiegel – wenn auch auf niedrigem Niveau. Der Molekularvirologe Rafael Medina von der Päpstlichen Katholischen Universität von Chile in Santiago verweist allerdings darauf, dass auch andere Teile der Immunantwort eine Rolle spielen: So zerstören T-Zellen infizierte Zellen, B-Zellen erinnern sich an vergangene Infektionen und stärken die Immunantwort für die Zukunft und bindende Antikörper tragen zur Viruskontrolle bei [1,2].
Schutz vor schwerem Verlauf gegeben
In einer im Dezember publizierten Vorabveröffentlichung zeigten Medina und Kollegen, dass mit CoronaVac geimpfte Menschen nicht-neutralisierende Antikörper beibehalten, die sowohl Omikron binden als auch zur Vernichtung infizierter Zellen beitragen. Demzufolge sind Empfänger von Totimpfstoffen zwar nicht vor einer Übertragung von Omikron, jedoch vor schweren Krankheitsverläufen geschützt, die durch die Virusvariante ausgelöst werden, so Professor Dr. Murat Akova, Spezialist für Infektionskrankheiten an der Hacettepe University School of Medicine in Ankara [3].
Hetereloge Auffrischung steigert Immunantwort
Ein heterologes Impfschema mit einer zusätzlichen Dosis eines mRNA-Impfstoffs könnte die Immunantwort deutlich steigern. Professor Dr. Qiang Pan-Hammarström, klinische Immunologin am Karolinska-Institut in Stockholm, und Kollegen stellten fest, dass nach zwei Dosen eines inaktivierten Impfstoffs ein mRNA-Booster die Menge an bindenden Antikörpern, B-Gedächtniszellen und T-Zellen erhöht. Studien aus China und den Vereinigten Arabischen Emiraten kamen zu ähnlichen Resultaten. Hier zeigte eine proteinbasierte Auffrischungsimpfung eine höhere Konzentration neutralisierender Antikörper als nach einer dritten Dosis eines inaktivierten Impfstoffs. Bei den meisten Arbeiten handelt es sich jedoch um Preprints, die noch nicht von Fachleuten geprüft wurden [1,4–7].
Doppel-Booster erforderlich?
Ob eine einzige Auffrischungsimpfung mit einer anderen Art von Impfstoff ausreicht, um Omikron zu besiegen, ist noch unklar. Eine Arbeitsgruppe um Akiko Iwasaki, Virusimmunologin an der Yale School of Medicine in New Haven (Connecticut), untersuchte Blutproben von 101 Personen, die zwei Dosen CoronaVac und anschließend einen mRNA-Booster erhalten hatten. Vor der Auffrischung wiesen die Proben keine nachweisbare Omikron-Neutralisierung auf; danach zeigten immerhin 80 Prozent der Proben eine gewisse Menge Omikron-spezifischer nAB. Die Konzentration war aber nicht viel höher als in der Kontrollgruppe, in der die Probanden zwei Dosen eines mRNA-Impfstoffs und keine Auffrischung erhalten hatten. „Die Messlatte wird durch die Varianten immer höher gelegt, sodass wir ständig Nachholbedarf haben“, so Iwasaki [8].