Depressionen bei Kindern und Jugendlichen: Bewegung hilft

Bewegung hat einen positiven Einfluss auf depressive Symptome bei Erwachsenen. Bei Kindern und Jugendlichen ist dieser Effekt bislang noch nicht hinreichend belegt gewesen. Nun bestätigt eine Metaanalyse den positiven Effekt auch für diese Altersgruppe.

Teenager laufen

Hintergrund

Depressionen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen. Im Zuge der COVID-Pandemie sind die Zahlen weiter gestiegen. Lagen die Zahlen vor der Pandemie im unteren zweistelligen Bereich, so stiegen diese während der ersten Welle der Pandemie auf etwa 25% an. Die besondere Vulnerabilität dieser Altersgruppe gegenüber den Isolationsmaßnahmen erklärt den deutlichen Anstieg.

Wie Bewegung bei Depressionen hilft

Dem steigenden Bedarf an psychotherapeutischen Behandlungen steht ein geringes Angebot gegenüber, weshalb gesetzliche Hürden abgebaut wurden – eine digitale Psychotherapie ist mittlerweile möglich. Neben der medikamentösen Therapie und der Psychotherapie sind alternative Therapien möglich. Dazu gehört unter anderem die Bewegungstherapie. Bei Menschen, die unter Depressionen leiden, ist der präfrontale Kortex aktiver als bei Menschen ohne Depressionen. Im präfrontalen Kortex wird unser Verhalten gesteuert. Durch Bewegung wird die Gehirnaktivität in den primären Motorkortex – das Bewegungszentrum verlagert. Dadurch wird der Fokus weg vom präfrontalen Kortex gelenkt. Daneben kann Sport die Neuroplastizität, welche bei Depressionen geringer ausgeprägt zu sein scheint, fördern.

Mangelnde Evidenz für positive Effekte bei Kindern und Jugendlichen

Eine Studie der Ruhr-Universität Bochum hat den Effekt von Sport auf die Neuroplastizität bei Erwachsenen mit Depressionen belegt [1]. Eine Gruppe absolvierte ein dreiwöchiges Bewegungsprogramm, in der Kontrollgruppe wurde ein Programm ohne körperliche Aktivität angeboten. Vor und nach dem Programm wurde die Schwere der depressiven Symptomatik gemessen und die Neuroplastizität mittels transkranieller Magnetstimulation untersucht. Die Neuroplastizität nahm bei der Bewegungsgruppe zu, in der Kontrollgruppe kam es zu keiner bzw. zu einer geringeren Zunahme der Neuroplastizität.

Die positiven Effekte von Bewegung bei Erwachsenen mit Depressionen sind also gut belegt. Bei Kindern und Jugendlichen ist die Datenlage bislang nicht so eindeutig. Eine aktuelle Metaanalyse, deren Ergebnisse im Fachjournal „JAMA Pediatrics“ publiziert wurden, wollte dies ändern [2].

Zielsetzung

Erstautor Francesco Recchia und sein Team von der University Hong Kong, China, gingen in einer systematischen Übersichtsarbeit und Metaanalyse der Frage nach, ob körperliche Aktivität die depressiven Symptome bei Kindern und Jugendlichen lindern kann.

Methodik

Zwei unabhängige Forscher wählten geeignete Studien in englischer, chinesischer oder italienischer Sprache aus, die zuvor in den Datenbanken PubMed, CINAHL, PsycINFO, EMBASE und SPORTDiscus gesucht worden waren. Die Studien untersuchten die Wirkung körperlicher Interventionsprogramme auf depressive Symptome bei Kindern und Jugendlichen im Vergleich zu einer Kontrolle.

Gemessen wurde der Grad der depressiven Symptome nach der Intervention und im Follow-up anhand validierter Skalen. Die Effektstärke wurde mittels Hedges‘ g, einer Kennzahl für Effektstärken, berechnet.

Ergebnisse

In die Auswertung gingen 21 Studien mit 2.441 Teilnehmern ein, davon 1.148, also 47,0% Jungen und 1.293 (53,0%) Mädchen mit einem mittleren Alter von 14 Jahren (Standardabweichung 3 Jahre). Die inkludierten Studien stammen aus den USA, China, Chile, Deutschland, Iran, Brasilien, Thailand und Großbritannien. Die Studien wurden innerhalb der letzten 35 Jahre durchgeführt, wobei der Großteil in den letzten 10 Jahren umgesetzt wurde.

Rückgang depressiver Symptome in den Bewegungsgruppen

Die Metaanalyse bezüglich der Unterschiede nach der Intervention zeigte, dass die körperliche Aktivität mit einer Reduktion der depressiven Symptome im Vergleich zur Kontrolle assoziiert war (g = -0,29; 95%-Konfidenzintervall [KI] -0,47 bis -0,10; p = 0,004). Die Analyse im Follow-up-Zeitraum wurde bei vier Studien durchgeführt und zeigte keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen mit Bewegungsintervention und den Kontrollgruppen (g = -0,39; 95%-KI -1,01 bis 0,24; p = 0,14). 

Weitere Analysen zeigten, dass die Intervention (< 12 Wochen Dauer, dreimal wöchentlich, nicht supervidiert) und Patientencharakteristika (Alter ≥ 13 Jahre mit der Diagnose einer psychischen Erkrankung und/oder Diagnose einer Depression) den Behandlungseffekt beeinflusst haben könnten.

Fazit

Die Studienautoren sehen in ihren Ergebnissen bestätigt, dass körperliche Aktivität die depressiven Symptome bei Kindern und Jugendlichen reduzieren kann. Die Wirkung war bei einem Alter ab dem 13. Lebensjahr und darüber und bei einer psychischen Erkrankung und/oder Diagnose einer Depression am deutlichsten. „Die verfügbare Evidenz unterstützt körperliche Aktivität als einen alternativen oder unterstützenden Ansatz zur Linderung depressiver Symptome bei Kindern und Jugendlichen und untermauert den vorteilhaften Einfluss körperlicher Aktivität auf die mentale Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen“, so das Fazit der Autoren.

Die Assoziation mit Parametern zur genaueren Charakterisierung der körperlichen Aktivitäten, etwa Frequenz und Dauer der Bewegung, sowie das Trainingssetting (unter Kontrolle von Trainern oder ohne) bleibt unklar. Hier sehen Recchia et al. weiteren Forschungsbedarf.

In einem Editorial zur Studie loben die Autoren um Dr. Eduardo Bustamante von der University of Illinois in Chicago, USA, die in der Metaanalyse angewendete Methodik [3]. Die Studie komme zur rechten Zeit, da mentale Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen weiter auf dem Vormarsch sind, so die Experten.

Quelle:
  1. Brüchle et al. (2021) : Physical Activity Reduces Clinical Symptoms and Restores Neuroplasticity in Major Depression. Frontiers in Psychiatry, DOI: https://doi.org/10.3389/fpsyt.2021.660642
  2. Recchia et al. (2023): Physical Activity Interventions to Alleviate Depressive Symptoms in Children and Adolescents: A Systematic Review and Meta-analysis. JAMA Pediatrics, DOI: 10.1001/jamapediatrics.2022.5090
  3. Bustamante et al. (2023): Unlocking the Promise of Physical Activity for Mental Health Promotion. JAMA Pediatrics, DOI: 10.1001/jamapediatrics.2022.5096
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