
Hintergrund
Der gesamte Organismus unterliegt Alterungsprozessen. Im Gehirn lassen sich diese Veränderungen mittels MRT darstellen. Dabei zeigen sich häufig strukturelle Veränderungen in Form von Atrophie, Hyperintensitäten in der weißen Substanz (White Matter Hyperintensities, WMH), stumme Hirninfarkte und Mikroblutungen.
Die hyperintensen Signale der weißen Substanz gelten als Risikofaktoren für Demenz und Schlaganfälle. Wo dabei die Grenze zu ziehen ist, zwischen physiologischen Alterungsprozessen und pathologischen Veränderungen, ist nicht immer klar. In jedem Fall nehmen die WMH mit dem Alter zu, wie beispielsweise die österreichische Schlaganfallpräventionsstudie schon vor vielen Jahren zeigen konnte [1]. So zeigten sich Halo-artige periventrikuläre oder konfluierende tief-subkortikal gelegene WMH nur selten bei gesunden Probanden unter 65 Jahren.
Neben dem Alter scheinen andere Risikofaktoren in Form von Komorbiditäten und Lebensstilfaktoren das Auftreten von WMH zu begünstigen. Menschen mit ausgeprägten Hyperintensitäten der weißen Substanz leiden häufiger unter arterieller Hypertonie und/oder Diabetes mellitus und sind häufiger Raucher. Ein weiterer Risikofaktor könnte das Geschlecht sein. Es mehren sich Hinweise, dass es geschlechtsspezifische Unterschiede bezüglich der Menge von WMH im Alter gibt. Wie es sich mit den WMH zwischen Männern und Frauen jüngeren Alters verhält, ist bislang unklar. Ebenso sind die Effekte von Hypertension und Menopause bislang unzureichend untersucht.
Zielsetzung
Ein Team um Valerie Lohner, Neurowissenschaftlerin am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Bonn, untersuchte geschlechts- und altersspezifische Effekte auf die Ausprägung von WMH in der adulten Lebensphase [2]. Dabei berücksichtigten die Forschenden auch einen möglichen Effekt der Menopause. Die Studie wurde in Neurology, dem Fachjournal der Amerikanischen Akademie für Neurologie, publiziert.
Methodik
In der Studie wurden Daten der populationsbasierten Rheinland-Studie analysiert. Hierbei handelt es sich um eine großangelegte Populationsuntersuchung des DZNE im Stadtgebiet von Bonn. Die Studie möchte die Entwicklung des Gehirns im Lebensverlauf darstellen, um daraus Einflussfaktoren und Präventionsstrategien abzuleiten. Die Teilnehmer sind zwischen 30 und 95 Jahren alt. Um Eingang in diese Auswertung zu finden, musste ein MRT-Scan des Gehirns vorliegen.
Die Forschenden um Lohner quantifizierten WMH in T1- und T2-gewichteten und FLAIR-Scans (Fluid Attenuated Inversion Recovery-Scans). Der Menopausenstatus der Teilnehmerinnen wurde anhand einer Selbstauskunft erhoben. Untersucht wurde die Assoziation von Geschlecht und Menopause mit der WMH-Last, auch unter Adjustierung für Alter und vaskuläre Risikofaktoren. Weiterhin wurden mögliche gegenseitige Beeinflussungen von Alter und Geschlecht sowie von Hypertonie (kontrolliert und unkontrolliert) und Geschlecht berücksichtigt. Es wurden Vergleiche zwischen Männern und Frauen vor der Menopause (Personen ≤ 59 Jahre), Männern und Frauen nach der Menopause (Personen ≥ 45 Jahre) und zwischen prä- und postmenopausalen Frauen (Alter 45-59 Jahre) durchgeführt.
Ergebnisse
Insgesamt gingen die Daten von 3.410 Teilnehmer in die Studie ein. Das mittlere Alter lag bei 54,3 Jahren, 1.973 Personen (57,9%) waren weiblichen Geschlechts und etwas mehr als die Hälfte davon hatte die Menopause hinter sich (1.167 Teilnehmerinnen; 59,1%).
Die Zunahme von WMH wurde alters- und geschlechtsabhängig beschleunigt. Frauen vor der Menopause und Männer gleichen Alters zeigten keine Unterschiede hinsichtlich der WMH-Last. Bei Frauen nach der Menopause traten mehr WMH im MRT auf und die Zunahme an WMH erfolgte schneller im Vergleich zu Männern gleichen Alters. Frauen gleichen Alters unterschieden sich ebenfalls in der Menge der detektierten WMH, je nachdem, ob sie sich vor oder nach der Menopause befanden: Postmenopausal lagen mehr WMH als prämenopausal vor. Frauen mit einer unkontrollierten Hypertonie zeigten mehr WMH als Männer, unabhängig vom Menopausenstatus.
Fazit
Postmenopausal hatten Teilnehmerinnen in dieser Studie mehr WMH als Frauen vor der Menopause und Männer gleichen Alters. Auch zeigte sich eine raschere Zunahme der WMH bei Frauen nach der Menopause. Geschlechtsspezifische Effekte einer unkontrollierten Hypertonie waren unabhängig vom Menopausenstatus.
„Unsere Studienergebnisse zeigen, dass Frauen, bei denen die Menopause bereits begonnen hat, anfälliger für Veränderungen an den Hirngefäßen und damit für Hirnerkrankungen sind als Frauen vor der Menopause, selbst wenn sie ein ähnliches Alter haben. Schäden an der weißen Hirnsubstanz führen nicht zwangsläufig zu Demenz oder Schlaganfall, sie erhöhen jedoch das Risiko dafür“, so Prof. Dr. Dr. Monique M. B. Breteler, Leiterin der Rheinland Studie und Direktorin für Populationsbezogene Gesundheitsforschung am DZNE [3]. „Unsere Befunde zeigen außerdem, dass man bei der Beurteilung dieser Gehirnschäden spezifische Unterschiede zwischen Männern und Frauen berücksichtigen sollte. Dies unterstreicht die Relevanz geschlechtsspezifischer Forschung und Therapie.“
Östrogeneffekt?
Welche Mechanismen hinter den detektierten Unterschieden zwischen Männern und Frauen bzw. zwischen Frauen vor und nach der Menopause liegen, ist bislang unklar. Vermutet wurde der Einfluss von Östrogen. Allerdings zeigte sich in der vorliegenden Auswertung der Rheinland-Studie kein Unterschied zwischen Frauen in der Postmenopause, die eine Hormonersatztherapie erhielten und Frauen ohne eine solche Therapie.