Schlaganfallrisiko unmittelbar nach COVID-19-Diagnose stark erhöht

Zum Schlaganfallrisiko bei COVID-19 sind die Studiendaten bislang widersprüchlich. Eine nun im Fachjournal Neurology publizierte Studie zeigt ein hohes Risiko unmittelbar nach einem positiven Corona-Test und in den ersten Tagen danach, vor allem bei älteren Patienten.

Neurologie-Coronavirus

Zahlreiche Studien berichten über ein erhöhtes Schlaganfallrisiko und andere zerebrovaskuläre Ereignisse bei Patienten mit COVID-19. Die Berichte über einen Schlaganfall im Zusammenhang mit einer SARS-CoV-2-Infektion reichen von Fällen bei jüngeren Patienten bis hin zu älteren Personen (/neurologie/erhoehtes-schlaganfallrisiko-covid-19), die generell ein erhöhtes Risiko für Schlaganfälle und andere kardiovaskuläre Erkrankungen haben. Eine schwedische Studie ermittelte neben einem erhöhten Schlaganfallrisiko auch ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkte in einer Kohorte von mehr als 80.000 Personen [1].

Allerdings zeigen die bisher ermittelten Daten eine breite Streuung und die ermittelten Schlaganfallzahlen im Zusammenhang mit einer COVID-19-Infektion reichen von 0,4% bis hoch zu 8% mit einem Durchschnittswert von 1,4%. Einige Studien konnten kein erhöhtes Schlaganfallrisiko bei hospitalisierten COVID-19-Patienten zeigen bzw. war das Risiko geringer als erwartet. Natürlich können Unterschiede im Studiendesign, länderspezifische Faktoren und Größe der Studiengruppen zu den unterschiedlichen Ergebnissen beitragen. Allerdings waren bislang nur wenige Studien auf eine ältere Patientenpopulation ausgerichtet. Gerade hinsichtlich einer möglichen Notwendigkeit von Präventionsmaßnahmen bedarf es hier weiterer Klärung.

Über die Studie

Anhand von Krankenversichertendaten untersuchte ein Team um Dr. Quanhe Yang von den Centers for Disease Control and Prevention in Atlanta, USA, die Assoziation zwischen einer COVID-19-Erkrankung und dem Risiko für einen akuten ischämischen Schlaganfall bei Patienten ≥ 65 Jahren [2].

Methodik

Die Forscher analysierten die Krankenversichertendaten von 37.379 Personen in einer selbstkontrollierten Fallserie. Alle Personen waren 65 Jahre und älter und hatten im Zeitraum von April 2020 bis Februar 2021 einen positiven SARS-CoV-2-Nachweis. Die Hospitalisierungen aufgrund eines akuten ischämischen Schlaganfalls wurden im Zeitraum von Januar 2019 bis Februar 2021 erfasst.

Zur Untersuchung der Assoziation zwischen COVID-19 und einem Schlaganfall nutzen die Wissenschaftler den Vergleich von Inzidenz-Raten (Incidence Rate Ratio, IRR) für einen Schlaganfall in einer Risiko-Periode (0-3, 4-7, 8-14 und 15-28 Tage nach der COVID-19-Diagnose) im Vergleich zur Kontrollperiode.

Ergebnisse

Bei den 37.379 Personen mit COVID-19 und Schlaganfall lag das mittlere Alter zum Zeitpunkt der COVID-19-Diagnose bei 80,4 Jahren (Interquartilen-Range 73,5-87,1). Von den Teilnehmenden waren 56,7% weiblichen Geschlechts.

10-fach erhöhtes Schlaganfallrisiko zu Beginn von COVID-19-Infektion

Die Ergebnisse zeigen ein 10-fach erhöhtes Schlaganfallrisiko innerhalb der ersten drei Tage nach der COVID-19-Diagnose im Vergleich zum Kontrollzeitraum (IRR 10,3%; 95% Konfidenzintervall [CI] 9,86-10,8). In den folgenden Beobachtungszeiträumen nahm der Risikounterschied zwischen den Gruppen stark ab (4-7 Tage: IRR 1,61; 95%CI 1,44-1,80; 8-14 Tage: IRR 1,44; 95%CI 1,32-1,57; 15-28 Tage: IRR 1,09; 95% CI 1,02-1,18).

Alter und bisherige Schlaganfälle

Der Zusammenhang war bei jüngeren Patienten stärker. Schaute man das Schlaganfallrisiko von Tag 0-3 in der Gruppe der 65-74-Jährigen im Vergleich zur Gruppe der über 80-Jährigen an, so zeigte sich ein deutlicher Altersunterschied (IRR 14,7 vs. 7,0; p ˂ 0,001). Personen ohne Schlaganfall in der Anamnese hatten ein höhere Risiko als Personen, die bereits früher einen Schlaganfall erlitten hatten (IRR 14,6 vs. 7,9; p ˂ 0,001).

Die Ergebnisse änderten sich deutlich, als die Forscher die Schlaganfälle an Tag 0 aus der Analyse ausklammerten. Das Schlaganfallrisiko bei COVID-19 an Tag 1-3 war dann nur noch um das 1,8-fache erhöht (IRR 1,77; 95%CI 1,57-2,01).

Fazit

Die Studienergebnisse zeigen ein 10-fach erhöhtes Schlaganfallrisiko an den Tagen 0-3 nach COVID-19-Diagnose im Vergleich zum Kontrollzeitraum. Ein erhöhtes Risiko für einen Schlaganfall während einer SARS-CoV-2-Infektion scheinen besonders Personen in der Altersgruppe von 65-74 Jahren und Personen ohne bisherigen Schlaganfall zu haben.

Die Bedeutung von Tag 0 in der Ergebnisinterpretation

Interessant sind die Unterschiede in der IRR, abhängig davon ob man Tag 0 in die Berechnungen mit einbezieht oder nicht (IRR 0-3 Tage: 10,3 vs. IRR 1-3 Tage: 1,77). Die Autoren gehen dennoch von einem Zusammenhang aus, da die Patienten vermutlich schon vor der Schlaganfall-Diagnose mit SARS-CoV-2 infiziert waren. Eine Verzerrung ist dennoch nicht auszuschließen. Denn Schlaganfallpatienten werden bei Klinikaufnahme, genauso wie alle anderen Patienten auch, auf SARS-CoV-2- gescreent. Die initiale Infektion könnte schon länger zurückliegen.

In der zuvor erwähnten schwedischen Studie zeigte sich auch nach Ausschluss von Tag 0 ein deutlich erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse im Zusammenhang mit SARS-CoV-2. Überdies werden neben Schlaganfällen noch weitere neurologische Manifestationen beschrieben, teils auch bei Patienten, die im Vorfeld keine der für COVID-19 typischen respiratorischen Symptome aufwiesen.

Quelle:
  1. Katsoularis et al. (2021): Risk of acute myocardial infarction and ischaemic stroke following COVID-19 in Sweden: a self-controlled case series and matched cohort study. The Lancet, DOI: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(21)00896-5
  2. Yang et al. (2022): COVID-19 and Risk of Acute Ischemic Stroke Among Medicare Beneficiaries Aged 65 Years or Older: Self-Controlled Case Series Study. Neurology, DOI: https://doi.org/10.1212/WNL.0000000000013184
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