
Hintergrund
Brustkrebs (Breast Cancer [BC]) ist die häufigste Krebsart bei jungen Frauen, und zeigt sich in der Regel mit aggressiveren biologischen Merkmalen und in einem fortgeschritteneren Stadium bei der Diagnose als bei älteren Frauen. Da diese Faktoren zu einer potenziell ungünstigeren Prognose führen können, werden junge Frauen in der Regel intensiver behandelt. Mit aktuellen Chemotherapie-Schemata für die BC-Behandlung werden verbesserte Überlebensraten erreicht, aber sie können auch zu Unfruchtbarkeit führen.
Zu den derzeit etablierten Methoden zum Erhalt der Fertilität (fertility preservation [FP]) für erwachsene weibliche Patientinnen gehört die Kryokonservierung von Embryonen, Eizellen und Eierstockgewebe. Die Kryokonservierung von Embryonen und/oder Eizellen kann angeboten werden, wenn der Zustand der Patientin es ihr erlaubt, sich einer kontrollierten ovariellen Stimulation (COS) mit Hormonen zu unterziehen, die zwei Wochen dauert.
COS-Behandlungen führen zu supraphysiologischen Spiegeln von zirkulierendem Östradiol, die theoretisch das Tumorwachstum stimulieren und das Risiko einer Ausbreitung bei Frauen mit hormonsensitivem BC erhöhen könnten. Daher wurden potenziell sicherere Stimulationsprotokolle mit gleichzeitiger Verabreichung von Tamoxifen und Letrozol zur Unterdrückung des Estradiolspiegels während einer COS entwickelt.
Die aktuelle Datenlage darüber, ob die Verwendung der hormonellen Stimulation zur FP mit einer Verschlechterung der BC-Prognose verbunden ist, und ob Behandlungsschemata mit gleichzeitiger Gabe von Tamoxifen und Letrozol im Vergleich zu Standard-COS Vorteile in Bezug auf die Sicherheit bieten, ist begrenzt.
Zielsetzung
Ziel einer Kohortenstudie war es, die Langzeitsicherheit von Maßnahmen zur FP mit und ohne hormonelle Stimulation in einer großen schwedischen landesweiten Kohorte junger Frauen mit BC zu untersuchen. Hierzu wurden krankheitsspezifische Mortalitäts- und Rezidivraten bei Frauen, die sich zum Zeitpunkt ihrer BC-Diagnose einer fertilitätserhaltenden Maßnahme unterzogen hatten, mit denjenigen von Frauen ohne solche Maßnahmen verglichen werden.
Die Wissenschaftler um Erstautorin Dr. Anna Marklund vom Department of Oncology-Pathology, BioClinicum, Karolinska Institutet in Solna und von der Division of Gynecology and Reproduction, Department of Reproductive Medicine am Karolinska University Hospital in Stockholm, Schweden, veröffentlichten die Ergebnisse der Studie in einem Artikel im Fachblatt JAMA Oncology [1].
Methodik
In dieser landesweiten prospektiven Kohortenstudie wurden Daten von Frauen im gebärfähigen Alter (definiert als Alter von 18-44 Jahren) in Schweden ausgewertet, bei denen zwischen dem 1. Januar 1994 und dem 30. Juni 2017 BC diagnostiziert worden war und bei denen aufgrund der Erkrankung hormonelle und nichthormonelle FP-Verfahren indiziert waren.
Die fertilitätserhaltenden Maßnahmen wurden in zwei Kategorien eingeteilt: (1) Kryokonservierung von Eizellen und/oder Embryonen mittels hormoneller Stimulation (hormonelle FP) und (2) Kryokonservierung von Eierstockgewebe ohne hormonelle Stimulation (nichthormonelle FP). Eine Kombination beider Methoden wurde als hormonelle FP kategorisiert. In der Kategorie mit hormoneller Stimulation wurde nach der gleichzeitigen Verabreichung von Letrozol oder Standardstimulationsprotokollen weiter stratifiziert.
Betroffene Frauen wurden aus einem der regionalen FP-Programme an schwedischen Universitätskliniken identifiziert. Die Wissenschaftler extrahierten Daten zu FP-Verfahren aus den elektronischen Krankenakten jedes Krankenhauses.
Die Wissenschaftler fanden Daten von insgesamt 425 Frauen, die sich einer FP unterzogen hatten. Daten von 850 Frauen, die sich keiner FP unterzogen hatten, wurden aus regionalen BC-Registern ausgewählt und entsprechend Alter, Kalenderzeitraum der Diagnose und Region als Referenz verwendet. Das rezidivfreie Überleben wurde in einer Subkohorte von 241 Frauen, die sich einer FP unterzogen hatten, und 482 Frauen, die keine entsprechende -Maßnahme erhalten hatten, untersucht.
Landesweite demographische und Gesundheitsregister lieferten Daten zu Outcome, krankheits- und behandlungsbezogenen Variablen sowie sozioökonomischen Merkmalen. Der primäre Endpunkt war die krankheitsspezifische Mortalität für die gesamte Kohorte. Der sekundäre Endpunkt war jedes Todesereignis aufgrund von BC oder Rezidiv (lokal, regional oder systemisch).
Das krebsspezifische und rezidivfreie Überleben wurde mit der Kaplan-Meier-Methode abgeschätzt und graphisch dargestellt. Hazard Ratios (HR) und 95%-Konfidenzintervalle (KI), die BC-spezifische Mortalität und Rezidivrate bei Frauen, die einer FP mit und ohne hormonelle Stimulation ausgesetzt waren, wurden unter Verwendung von Cox-Modellen geschätzt und mit denen von Frauen ohne FP verglichen.
Ergebnisse
Die endgültige Studienpopulation umfasste 1.275 Frauen im mittleren (SD) Alter von 32,9 (3,8) Jahren zum Zeitpunkt der BC-Diagnose. 425 Frauen hatten fertilitätserhaltende Maßnahmen erhalten (58 Frauen Kryokonservierung von Eierstockgewebe, 362 Frauen COS zur Kryokonservierung von Eizellen und/oder Embryonen und 5 Frauen eine Kombination dieser Methoden).
Nach der Stratifizierung anhand der Variablen Alter, Kalenderzeitraum und Region und Adjustierungen für die Variablen Geburtsland, Bildungsstatus, Parität bei der Diagnose, Tumorgröße, Anzahl der Lymphknotenmetastasen und Estrogenrezeptorstatus war die krankheitsspezifische Mortalität von Frauen, die sich einer hormonellen FP unterzogen hatten ((adjustierte Hazard Ratio [aHR]: Mortalität von Frauen mit FP gegenüber Frauen ohne FP) 0,59; 95%-KI 0,32-1,09) vergleichbar mit der von Frauen, die sich einer nichthormonellen FP unterzogen hatten (aHR 0,51; 95%-KI 0,20-1,29).
Auch in einer Subkohorte von 723 Frauen mit detaillierten Daten zum Rezidiv war die aHR für die krankheitsspezifische Mortalität und ein Rezidiv bei den Gruppen von Frauen ähnlich, die sich einer hormonellen FP (aHR 0,81; 95%-KI 0,49-1,37) oder einer nichthormonellen FP (aHR 0,75; 95%-KI 0,35-1,62) unterzogen hatten.
Fazit
BC ist bei Frauen im gebärfähigen Alter die häufigste Indikation für eine Maßnahme zur FP. In der vorgestellten Kohortenstudie war eine FP mit oder ohne hormonelle Stimulation bei Frauen mit BC nicht mit einem erhöhten Risiko für ein Rezidiv oder die krankheitsspezifische Mortalität verbunden.
Die Ergebnisse dieser Studie liefern dringend benötigte zusätzliche Belege für die Sicherheit von FP-Verfahren bei Frauen mit BC und können die derzeitige Praxis zum Nutzen junger Frauen mit BC beeinflussen, die ihre Fertilität erhalten möchten, betonten die Autoren.
Als wichtigste Einschränkung der Studie nannten die Autoren, die relativ kurze Nachbeobachtungszeit. Der erste Höhepunkt für BC-Rezidive liegt bei 18 Monaten nach der Operation, ein zweiter bei etwa 60 Monaten. In der Studie betrug die mediane Nachbeobachtungszeit für ein rezidivfreies Überleben für Frauen, die sich einer hormonellen FP unterzogen hatten, 4,0 Jahre. So war der erste Höhepunkt für Rezidive abdeckt und die Nachbeobachtungszeit kam wenigstens nahe an den zweiten Höhepunkt.
Eine längere Nachbeobachtung für definitivere Aussagen zur langfristigen Sicherheit von fertilitätserhaltende-Maßnahmen in dieser Population, insbesondere für Frauen mit Östrogenrezeptor-positivem BC, halten die Autoren aber für wünschenswert.
Diese Studie wurde von der Swedish Cancer Society, den Cancer Research Funds of Radiumhemmet, der Swedish Breast Cancer Association, dem Stockholm County Council und dem Karolinska Institutet unterstützt.