
Hintergrund
Für nicht-übertragbare Erkrankungen wie Krebs, kardiovaskuläre Erkrankungen und Typ-2-Diabetes ist im Einzelnen gezeigt worden, dass verschiedene Lifestylefaktoren die Entstehung derselben begünstigen können. Wenig bekannt ist jedoch über den Einfluss von Lifestylefaktoren bei der Entstehung von Multimorbiditäten.
Zielsetzung
Ein internationales Forscherteam um Heinz Freisling von der International Agency for Research on Cancer, einem Krebsforschungsinstitut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Lyon, Frankreich, hat sich zum Ziel gesetzt, den Zusammenhang zwischen fünf Lifestylefaktoren (Body-Mass-Index (BMI), Raucherstatus, Alkoholkonsum, sportliche Aktivität und Einhaltung einer mediterranen Diät) bei der Entstehung von Multimorbiditäten bei Krebs und kardiometabolischen Erkrankungen zu untersuchen.
Methodik
In die prospektive Kohortenstudie gingen 291 778 Personen (64% Frauen) aus sieben europäischen Ländern ein, die im Rahmen der EPIC (European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition)-Studie zwischen 1992 und 2000 rekrutiert wurden. Zum Zeitpunkt der Rekrutierung waren die Studienteilnehmer meist zwischen 43 und 58 Jahre alt und hatten weder Krebs noch eine kardiovaskuläre Erkrankung oder Typ-2-Diabetes. Multimorbidität bei Krebs und kardiometabolischen Erkrankungen war definiert als das aufeinanderfolgende Auftreten zweier Erkrankungen in einem Individuum. Dabei zählten zu den Erkrankungen alle Krebsarten (außer Nichtmelanom-Hautkrebs), diverse kardiovaskuläre Erkrankungen einschließlich Myokardinfarkt, Schlaganfall und andere zerebrovaskuläre Ereignisse sowie Typ-2-Diabetes.
Mithilfe einer Cox-Regressionsanalyse wurde das Risiko für die Entstehung von Krebs, kardiovaskulären Erkrankungen und Typ-2-Diabetes sowie eines darauffolgenden Überganges zur Multimorbidität in Abhängigkeit von Body-Mass-Index, Raucherstatus, Alkoholkonsum, sportlicher Aktivität und Einhaltung einer mediterranen Diät ermittelt. Neben dem Einfluss der einzelnen Faktoren wurde auch deren Kombination berücksichtigt.
Gesunder Lifestyle-Index
Alle fünf Lifestylefaktoren wurden in einem gesunden Lifestyle-Index (HLI, healthy lifestyle index) zusammengefasst. Um diesen zu ermitteln, wurde jeder Faktor in Kategorien eingeteilt die einen Score von 0 bis 4 erhielten. Je gesünder das Verhalten, desto höher der jeweilige Score. Der HLI für ein Individuum bewegte sich zwischen 0 und 20.
Absolutes 10-Jahresrisiko
Anhand von kumulativen Inzidenzfunktionen wurde das absolute 10-Jahresrisiko für den Übergang vom gesunden Zustand zum Auftreten von Krebs, CVD oder T2D sowie einer nachfolgenden Komorbidität nach jeder der Erkrankungen ermittelt. Dazu wurden für Männer und Frauen separat gesunde (HLI = 15) und ungesunde (HLI = 5) Lebensweisen verglichen.
Ergebnisse
Von den 291.778 Studienteilnehmern entwickelten während einer mittleren Nachverfolgungszeit von 10,7 Jahren 22185 Personen (62% Frauen) Krebs, 9016 (42% Frauen) eine kardiovaskuläre Erkrankung und 10.295 (50% Frauen) Typ-2-Diabetes. Davon entwickelten 3244 Patienten (41% Frauen) innerhalb einer gesamten mittleren Nachverfolgungszeit von elf Jahren Multimorbiditäten. Das am häufigsten auftretende Muster war dabei das Auftreten von kardiovaskulären Erkrankungen bei Krebspatienten (Inzidenzrate: 16,6 Ereignisse pro 1000 Personenjahre).
Die Gesamtheit aller fünf Lifestylefaktoren war stark invers assoziiert mit dem Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und Diabetes, etwas weniger stark mit einem Risiko für Krebs.
Ein höherer HLI der Patienten, als Ausdruck einer gesunden Lebensweise, war dabei mit einem geringeren Risiko für die Entstehung von Multimorbiditäten assoziiert. So lag bei einem ungesunden Lebensstil das absolute 10-Jahresrisiko für die Entstehung einer Multimorbidität nach einer Typ-2-Diabetes-Erkrankung bei 40% (Männer) bzw. 25% (Frauen), während es bei einer gesunden Lebensweise nur 30% (Männer) bzw. 18% (Frauen) betrug.
Alle fünf Faktoren waren unabhängig voneinander und statistisch signifikant mit einem Risiko für das Auftreten einer ersten nicht-übertragbaren Erkrankung verbunden. Einzige Ausnahme war der Alkoholkonsum, für den keine Assoziation mit Typ-2-Diabetes beobachtet wurde. Insgesamt waren die einzelnen Zusammenhänge unterschiedlich stark ausgeprägt, insbesondere beim BMI und Rauchen. Ein hoher BMI war stark positiv assoziiert mit einem Risiko für Diabetes und weniger stark mit kardiovaskulären Erkrankungen und Krebs. Rauchen dagegen war stark assoziiert mit der Entwicklung von CVD und weniger stark mit Krebs und Diabetes. Weniger heterogen waren die Assoziationen bei sportlicher Aktivität, Alkoholkonsum und mediterraner Ernährung.
Fazit
Ein gesunder Lebensstil minimiert das Risiko für Krebs und kardiometabolische Erkrankungen. Darüber hinaus wirkt sich ein gesunder Lebensstil positiv auf die Prognose dieser Krankheiten aus, indem er das Risiko für Multimorbiditäten reduziert.