Sind Antibiotika bei Halsschmerzen sinnvoll?

Ob die Gabe von Antibiotika bei Halsschmerzen sinnvoll ist, ist umstritten. Ein australisches Forscherteam hat daher einen bereits bestehenden Review aktualisiert. Ziel war es, die Wirksamkeit der Antibiotika bei Kindern und Erwachsenen mit Halsschmerzen zu überprüfen.

Halsschmerzen Behandlung

Halsentzündungen sind Infektionen, die durch Bakterien oder Viren verursacht werden. In der Regel erholen sich die Betroffenen nach drei oder vier Tagen, doch manchmal treten Komplikationen wie akute Infektionen der Nasennebenhöhlen (Sinusistis), des Mittelohrs (Otitis media), der Mandeln (Mandelentzündung) und der Nieren (Glomerulonephritis) auf. Eine schwere, aber seltene Komplikation ist das rheumatische Fieber, das Herz und Gelenke angreift. Bei von Bakterien verursachten Halsentzündungen verkürzen Antibiotika wahrscheinlich die Zeit bis zum Abklingen der Symptome und reduzieren das Komplikationsrisiko. Doch sie können auch Nebenwirkungen wie z. B. Durchfall oder Hautausschlag hervorrufen und durch den häufigen Einsatz können Resistenzen entstehen.

Drei neue Studien zu Antibiotika bei Halsentzündung

Mit dem Ziel, die Wirksamkeit der Antibiotika auf Halsentzündungen von Kindern und Erwachsenen zu aktualisieren, durchforsteten Wissenschaftlern rund um Anneliese Spinks von der School of Medicine, Griffith University in Australien verschiedene Datenbanken und zwei Studienregister. Die Recherche lieferte 29 randomisierte und kontrollierte Studien mit 15.337 Fällen, wobei 26 dieser 29 Arbeiten bereits in der früheren Version des Cochrane-Reviews einbezogen worden sind. Die primären Endpunkte bildeten die Halsschmerzen am dritten Tag und die Halsschmerzen nach einer Woche.

Als sekundäre Endpunkte wählten Spinks und Team:

  • Fieber am Tag drei
  • Kopfschmerzsymptome am Tag drei
  • Inzidenz für akute Otitis media (14 Tage), akute Sinusitis (14 Tage) sowie Mandelentzündung (2 Monate)
  • Inzidenz für akutes rheumatisches Fieber (2 Monaten) und akute Glomerulonephritis

Halsschmerzen-Studien überwiegend aus den 50ern

Die meisten der eingeschlossenen Studien wurden in den 1950er-Jahren durchgeführt, als die Raten schwerer Komplikationen (insbesondere akutes rheumatisches Fieber) viel höher waren als heute. Obwohl klinische Antibiotikastudien zur Behandlung von Halsschmerzen und Atemwegssymptomen immer noch durchgeführt werden, ist es ungewöhnlich, dass sie Kontrollarme mit Placebo oder keiner Behandlung enthalten, was jedoch eine Voraussetzung für die Aufnahme in den Cochrane-Review ist. Seit 1996 wurden daher nur acht Studien veröffentlicht, vier von diesen stammten aus dem Jahr 2000 oder später. Das Alter der Teilnehmer reichte von unter einem Jahr bis über 50 Jahre, die meisten Studienteilnehmer waren jedoch erwachsen.

Halsentzündung am dritten Tag bzw. nach einer Woche

Laut den Autoren verringert eine Antibiotikagabe die Halsschmerzen sowohl nach drei Tagen (Risikoverhältnis [RR]: 0,70; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,60 bis 0,80; 16 Studien mit 3.730 Teilnehmern; mäßige Sicherheit) als auch nach einer Woche. Allerdings war zu diesem Zeitpunkt die Reduktion in absoluten Zahlen geringer (RR: 0,50; 95%-KI: 0,34 bis 0,75; 14 Studien mit 3.083 Teilnehmern; mäßige Sicherheit), was darauf zurückzuführen ist, dass viele Fälle in beiden Behandlungsgruppen zu diesem Zeitpunkt bereits abgeklungen waren. Eine größere Wirksamkeit zeigten Antibiotika bei Halsentzündungen aufgrund einer Infektion mit beta-hämolytischen Streptokokken der Gruppe A (GABHS).

Sekundäre Endpunkte des Cochrane-Reviews

Im Vergleich zur Kontrollgruppe hatte sich das Fieber nach Antibiotikagabe am dritten Tag nicht signifikant reduziert (RR: 0,75, 95%-KI: 0,53 bis 1,07; 8 Studien mit 1.443 Teilnehmern; hohe Sicherheit), wohl aber die Kopfschmerzen (RR: 0,49; 95%-KI 0,34 bis 0,70; 4 Studien mit 1.020 Teilnehmern; hohe Sicherheit). Ebenso wurde auch die Inzidenz für eine akute Otitis media (Peto Odds Ratio [POR]: 0,21, 95%-KI: 0,11 bis 0,40; 10 Studien mit 3.646 Teilnehmern; hochsichere Evidenz), die für eine Mandelentzündung (POR: 0,16; 95%-KI: 0,07 bis 0,35; 8 Studien mit 2.433 Teilnehmern; hohe Sicherheit) sowie die für rheumatisches Fieber gesenkt (POR: 0,36; 95%-KI: 0,26 bis 0,50; 18 Studien mit 12.249 Teilnehmern; mäßige Sicherheit). Die Wahrscheinlichkeit, an einer akuten Sinusitis zu erkranken, wurde dagegen nicht beeinflusst (POR: 0,46; 95%-KI: 0,10 bis 2,05; 8 Studien mit 2.387 Teilnehmern; hohe Sicherheit) und für die Einschätzung, ob Antibiotika das Risiko einer akuten Glomerulonephritis verringern, existierten zu wenige Fälle (POR: 0,07, 95%-KI: 0,00 bis 1,32; 10 Studien mit 5.147 Teilnehmern; Evidenz mit geringer Gewissheit).

Limitationen der Übersichtsarbeit zu Antibiotika und Halsentzündung

Zu den Einschränkungen des Cochrane-Reviews von Spinks zählen beispielsweise, dass nur wenige Studien zwischen bakteriellen und viralen Infektionen unterschieden hatten. Eine Verzerrung könnte daher durch unklare Verfahren bei der Behandlungszuweisung sowie der in einigen Studien fehlenden Verblindung und die Nichtangabe der fiebersenkenden Wirkung von Medikamenten entstanden sein. Hinzu kommt, dass viele der frühen Studien von den Streitkräften der Vereinigten Staaten finanziert wurden, die junge, erwachsene, männliche Militärangehörige untersuchten. Spätere Studien wurden zumeist durch staatliche Forschungsgelder unterstützt, einige wenige wurden – ebenso wie einige frühere Versionen des Cochrane-Reviews – von Pharmaunternehmen finanziert.

Bei Halsentzündungen im Einzelfall entscheiden

Da der Einsatz von Antibiotika die Symptome einer Halsentzündung sowie das Risiko von Komplikationen nur geringfügig bessert, sollten Ärzte im Einzelfall entscheiden, ob die Gabe von klinisch vertretbar ist. Dabei sollten sie auch die Ursache der Infektion (bakteriell oder viral) berücksichtigen. Sinnvoll sind Antibiotika bei Halsentzündungen vor allem in Ländern, in denen das akute rheumatische Fieber eine häufige Komplikation darstellt. Allerdings geben Spinks und Team zu bedenken, dass nur wenige Studien versucht haben, den Schweregrad der Beschwerden zu messen. „Wenn Antibiotika sowohl den Schweregrad als auch die Dauer der Symptome reduzieren, wird ihr Nutzen in dieser Meta-Analyse unterschätzt,“ schließen die Autoren ihren Review.

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