
Hintergrund
Die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin (DAKJ) nimmt die Europäische Impfwoche 2020 (20.–26. April 2020) zum Anlass auf aktuelle Aspekte des Impfens in Deutschland hinzuweisen.
In einer Pressemitteilung hebt die DAKJ zunächst hervor, dass die aktuelle politische und medizinische Lage von dem neuen Coronavirus (SARS-CoV-2) beherrscht wird, welches die Lungenkrankheit COVID-19 auslöst und dessen Letalität auch in Deutschland aktuell mit knapp 3% erschreckend hoch ist. Aktuell gibt es noch keine zugelassene medikamentöse Therapie und mit der Verfügbarkeit eines Impfstoffes wird nicht vor Ende des Jahres gerechnet. Die erhoffte Impfung stehe ganz oben auf der Tagesordnung politischer Akteure und die aktuelle Strategie der Eindämmung und Verzögerung ziele darauf ab, die Zeit bis zur Einsatzbereitschaft von Impfstoffen zu überbrücken, so die Meldung. Weiterhin wird betont, dass die langfristige Überwindung der aktuellen weltweiten Krise wesentlich davon abhängt, ob und wann es gelingt wirksame und verträgliche Impfstoffe zu entwickeln.
Verzögerungen von Standardimpfungen kritisch
Laut DAKJ kommt es durch die Lahmlegung des öffentlichen Lebens zu einer Verzögerung der zeitgerechten Gabe von Standardimpfungen gemäß STIKO-Empfehlungen, weil Arztbesuche reduziert oder eingestellt wurden, um Ansteckungsmöglichkeiten mit SARS-CoV-2 zu vermindern. Das ist insofern gefährlich als dass bereits eine geringe Abnahme des Durchimpfungsgrades bspw. gegen Masern oder Keuchhusten (Pertussis) zu größeren Ausbrüchen der Erkrankungen führen können. Masern verlaufen nicht selten schwer und mindestens eines von 1000 erkrankten Kindern stirbt.
Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Impfung gegen Masern vorzugsweise mit einem sogenannten MMR-Kombinationsimpfstoff, der neben Masern auch vor Mumps und Röteln schützt. Die erste Impfung sollte im Alter von 11 bis 14 Monaten und die zweite Impfung frühestens 4 Wochen nach der ersten Impfung und spätestens gegen Ende des zweiten Lebensjahres erfolgen. Erst dann ist die empfohlene Impfreihe zum Schutz vor Masern vollständig.
Pertussis ist eine hoch kontagiöse Infektionskrankheit, die bei Säuglingen zu Mangelernährung, Hirnschäden und Tod führen kann.
Bedenklich sei auch die niedrige Durchimpfungsrate gegen die Poliomyelitis (ansteckende Kinderlähmung) in einigen Bereichen Deutschlands, z. B. in mehreren Landkreisen Baden-Württembergs mit deutlich unter 80% bei der Schuleingangsuntersuchung.
Empfehlungen
Die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin ruft deshalb Ärzte und Eltern auf, Impfungen auch unter den aktuellen Bedingungen fortzuführen, und zwar so organisiert, dass kein zusätzliches Ansteckungsrisiko entsteht. Die Aufrechterhaltung der Impfungen im ersten und zu Beginn des zweiten Lebensjahres gemäß STIKO-Empfehlungen ist besonders wichtig:
- 6-fach-Impfstoff (DTaP-IPV-Hib-HepB mit 2, 3, 4 und 11-14 Monaten)
- Pneumokokken-Konjugatimpfstoff (PCV mit 2, 4 und 11-14 Monaten)
- Masern-Mumps-Röteln-Windpocken-Impfung (MMR/V mit 11-14 und 15-23 Monaten)
- Rotavirus (ab 6 Wochen)
- Meningokokken Gruppe C (ab 12 Monaten)
Polio - Einschleppungen denkbar
Da in Folge der SARS-CoV-2 Pandemie in mehreren Ländern mit verbliebener Polioviren-Zirkulation Impfkampagnen abgesagt wurden, so z. B. in dem stark belasteten Pakistan, bestehe die Möglichkeit der erneuten Einschleppung auch nach Deutschland. Kinder sollten deshalb so früh wie möglich gegen Polio geschützt werde. Dies geschieht im Rahmen des 6-fach-Impfstoffs mit 2, 3, 4 und 11-15 Monaten sowie mit 9-17 Jahren als 4-fach-Impfung.
Humane Papillomviren
Impfungen gegen Humane Papillomviren sind in Deutschland mit Durchimpfungsraten bei 40% unzureichend. Eltern sollten darauf achten, dass ihre Kinder vor Beginn sexueller Aktivitäten geimpft werden, weil die Impfung dann am besten schützt. Deshalb soll die HPV Impfung schon im Alter von 9 Jahren zweimal im Abstand von 6 Monaten erfolgen.
Hepatitis B
Die Impfung gegen Hepatitis B ist Bestandteil der Kombinationsimpfungen im Säuglingsalter und sollte – falls versäumt – baldmöglichst vor Beginn der Pubertät nachgeholt werden.
Fazit
Die DAKJ weist gegen Ende der Pressemitteilung darauf hin, dass die SARS-CoV-2 Pandemie die Verletzlichkeit unserer Zivilisation, das Angewiesen-Sein auf den medizinischen Fortschritt und den weltweiten Zusammenhang und die Abhängigkeit unserer Gesundheit von internationaler Gesundheit zeigt. Sie fordert deshalb die Bundesregierung auf, eine enge Zusammenarbeit in allen gesundheitlichen Fragen mit den europäischen Partnern zu pflegen. Zudem bedauert Sie, dass die USA ihre vertraglichen Verpflichtungen zur Beitragszahlung für die Weltgesundheitsorganisation ausgesetzt haben, da dies weltweit koordinierte Maßnahmen gegen SARS-CoV-2 und Impfkampagnen gefährdet. Mögliche Kritik sei unter den Bedingungen einer internationalen gesundheitlichen Krise nur durch konstruktive Verbesserungsmaßnahmen sinnvoll.