
Adipositas im Kindesalter ist mit einer erhöhten Prävalenz von bestimmten Erkrankungen assoziiert. Von allen übergewichtigen und adipösen Kindern und Jugendlichen leiden etwa 21% an Diabetes, 39–49% an Dyslipidämie und rund 26% an einer nicht alkoholischen Fettlebererkrankung. Deshalb empfiehlt die Amerikanische Akademie für Pädiatrie (AAP) spezifische Screening-Tests für Kinder, bei denen im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen Adipositas diagnostiziert wurde. Gemäß der AAP sollten adipöse Kinder ab zehn Jahren alle zwei Jahre ein Laborscreening auf Diabetes, Fettstoffwechselstörungen und Leberfunktionsstörungen erhalten. Ein routinemäßiges Screening auf Hypothyreose oder Hyperinsulinämie wird nicht angeraten.
Zielsetzung
Über die tatsächliche Anwendung der von der AAP empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen gibt es keine Angaben, ebenso wenig über die Häufigkeit potenziell unnötiger endokrinologischer Tests. Daher untersuchten US-amerikanische Wissenschaftler den Anteil an übergewichtigen Kindern, bei dem die von der AAP empfohlenen Laborscreening-Tests für Adipositas-bedingte Erkrankungen durchgeführt wurden. Zudem ermittelten sie, wie viele der pädiatrischen Patienten unnötige Screening-Untersuchungen auf Hypothyreose oder Hyperinsulinämie erhielten.
Methodik
Im Rahmen der Querschnittsstudie wurden Daten aus der IBM MarketScan Commercial Database 2018–2019 und der IBM MarketScan Multi-State Medicaid Database 2018–2019 genutzt. Erstere enthält Angaben von privat versicherten Patienten in den USA; Medicaid ist die sozialstaatliche öffentliche Krankenversicherung für einkommensschwache Amerikaner.
Die Studie schloss 156.773 gesunde Kinder im Alter von 10 bis 18 Jahren mit Adipositas-Diagnosecodes ein, bei denen zwischen dem 01. Dezember 2018 und 30. November 2019 bei Vorsorgeuntersuchungen Fettleibigkeit diagnostiziert wurde. Die Analyse umfasste den Zeitraum vom 01. Mai bis 31. Oktober 2021.
Die Forschenden ermittelten den Anteil der Kinder, die in den zwei Jahren bzw. 729 Tagen vor bis 30 Tagen nach einem Arztbesuch im Analysezeitraum ein AAP-konformes Screening erhalten hatten. Weiterhin berechneten sie den Anteil der Kinder, bei denen im selben Zeitraum ein oder mehrere potenziell unnötige Schilddrüsen- oder Insulintests durchgeführt wurden.
Ergebnisse
Insgesamt erhielten 42.849 Patienten (27,3%) die von der AAP angeratenen Screening-Tests, darunter 13.939 (23,6%) von 59.178 privat versicherten und 28.910 (29,6%) von 97.595 öffentlich versicherten Kindern. Bei 36.032 Kindern (23%) wurden potenziell unnötige Schilddrüsen-, Insulin- und Lipidtests durchgeführt. Bei den privat versicherten Kindern lag der Anteil bei 21,7% (12.834 von 59.178), bei den öffentlich Versicherten bei 23,8% (23.198 von 97.595). Von den 129.104 Kindern, die vor der Vorsorgeuntersuchung nicht getestet wurden, erfolgte bei 15.090 (11,7%) Patienten ein AAP-konformes Screening innerhalb von 30 Tagen nach dem Arztbesuch.
Fazit
Die Querschnittsstudie ergab, dass nur 27,3% der Kinder ein AAP-adhärentes Screening auf Diabetes, nicht alkoholische Fettlebererkrankung und Dyslipidämie zuteilwurde, während 23% potenziell unnötige endokrinologische Tests erhalten hatten. Die Defizite waren bei privat und öffentlich versicherten Kindern ähnlich. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass bei Kindern mit Adipositas-Diagnose eine Unter- bzw. Überversorgung mit Diagnose-Tests für Komorbiditäten üblich ist, schlussfolgern die Studienautoren.
Die niedrige Screening-Rate könnte darauf zurückzuführen sein, dass Ärzte und Ärztinnen nicht ausreichend über die evidenzbasierten Empfehlungen informiert sind. Klinische Entscheidungshilfen, Leitlinien oder andere Empfehlungen von Fachgesellschaften, die ausdrücklich von routinemäßigen Schilddrüsen- und Insulintests abraten sowie über anzuordnende Tests informieren, könnten dabei helfen, die Diagnose von Adipositas und das empfohlene Screening auf Begleiterkrankungen zu verbessern, so die Forschenden.