
Windpocken, auch Varizellen genannt, sind eine weltweit verbreitete Viruserkrankung, die insbesondere bei Kindern im Vorschulalter häufig auftritt. Der Erreger, das Varizella-Zoster-Virus, gehört zur Familie der Herpesviren und kann auch später im Leben eine Gürtelrose (Herpes Zoster) verursachen. Trotz der Verfügbarkeit einer wirksamen Impfung bleibt die Krankheit ein bedeutendes Gesundheitsproblem, insbesondere in Ländern mit niedriger Impfquote.
Ätiologie
- Pathogen: Varizella-Zoster-Virus (VZV), ein DNA-Virus der Familie Herpesviridae.
- Übertragungswege: Tröpfcheninfektion, direkter Kontakt mit Läsionen oder Aerosole aus Vesikelflüssigkeit.
- Pathophysiologie: Eintritt des Virus über die Schleimhäute der Atemwege und Konjunktiven, Virusausbreitung über das Blut zu Haut und Schleimhäuten, wo es die typischen Hautläsionen verursacht. Persistenz des Virus in den sensorischen Ganglien, mit Möglichkeit der Reaktivierung als Herpes Zoster.
Vorkommen
- Verbreitung: Windpocken sind weltweit verbreitet, mit jährlichen Inzidenzraten, die stark von der Impfquote abhängen. In Ländern ohne flächendeckende Impfung kommt es regelmäßig zu großen Ausbrüchen, vor allem bei Kindern.
- Fallzahlen weltweit: Schätzungsweise 140 Millionen Fälle jährlich weltweit.
- Relevanz in Deutschland: Vor Einführung der allgemeinen Impfempfehlung im Jahr 2004 gab etwa 750.000 Fälle jährlich, 2022 wurden rund 10.000 Fälle gemeldet, v.a. bei Kindern unter zehn Jahren.
Symptome
- Inkubationszeit: In der Regel 14 bis 16 Tage.
- Prodromale Symptome: Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit und Appetitlosigkeit.
- Weiterer Verlauf: Fieber und juckendes makulopapulöses Exanthem, das zuerst an Rumpf und im Gesicht auftritt und sich dann am gesamten Körper inklusive Schleimhäute und Kopfhaut ausbreiten kann. Die Hautläsionen treten schubweise auf und zeigen unterschiedliche Entwicklungsstadien, sodass ein Nebeneinander von Papeln, Bläschen und Schorf auftritt.
Komplikationen
- Bakterielle Superinfektionen der Haut: Meist durch Strepto- oder Staphylokokken
- Varizellenpneumonie: Bei Erwachsenen in bis zu 20% der Fälle, beginnt drei bis fünf Tage nach Symptombeginn. Besonders Schwangere sind gefährdet.
- ZNS-Komplikationen: Ataxie, Meningitis, Enzepahlitis oder Myelitis.
- Seltene Komplikationen: Akute Glomerulonephritis, Hepatitis, Arthritis, Myokarditis, Schäden an der Kornea.
Windpocken während der Schwangerschaft
- Risiken für die Mutter: Schwangere Frauen haben ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe der Windpocken, einschließlich Pneumonie, Hepatitis und Enzephalitis.
- Konnatales Varizellensyndrom: Eine Infektion im ersten und zweiten Trimester kann zu Fehlbildungen wie Hautnarben, Augenanomalien, neurologischen Defiziten und Skelettanomalien führen.
- Neonatale Varizellen: Eine Infektion kurz vor oder nach der Geburt kann zu schweren Verläufen beim Neugeborenen mit einer Letalität bis 30% führen.
Herpes zoster
- Reaktivierung: Das Varizella-Zoster-Virus kann Jahre nach der Erstinfektion reaktiviert werden und eine Gürtelrose (Herpes Zoster) verursachen.
- Symptome: Schmerzhafter, einseitiger Hautausschlag mit Bläschenbildung, oft begleitet von neuropathischen Schmerzen.
- Komplikationen: Post-Zoster-Neuralgie, eine langanhaltende Nervenschmerz, die Monate bis Jahre nach Abklingen des Ausschlags anhalten kann.
Diagnostik
- Anamnese und klinische Untersuchung: Typische Hautläsionen und Expositionsgeschichte reichen i.d.R. zum Stellen der Diagnose aus.
- PCR: Nachweis von VZV-DNA in Vesikelflüssigkeit, Blut oder anderen Körperflüssigkeiten.
- Serologie: Nachweis von spezifischen IgM- und IgG-Antikörpern gegen VZV.
Therapie
In unkomplizierten Fällen heilt eine Varizellen-Infektion komplikationslos aus, sodass keine spezifische Therapie nötig wird. Bei Patienten mit Immunschwäche oder zur Behandlung von Komplikationen sollte Aciclovir verabreicht werden.
- Supportive Behandlung: Symptomatische Therapie mit Antipyretika und Antihistaminika zur Linderung von Fieber und Juckreiz.
- Präventive Maßnahmen: Isolation der Patienten, bis alle Läsionen verkrustet sind, um die Ausbreitung der Infektion zu verhindern.
Prophylaxe/Impfung
- Impfempfehlungen, Impfschema und Impfstoffe: siehe Impfung gegen Windpocken
- Postexpositionelle Prophylaxe: Impfung innerhalb von fünf Tagen nach Exposition kann die Krankheit verhindern oder abschwächen. Bei Menschen mit erhöhtem Risiko für Komplikationen im Falle einer Erkrankung kann eine Immunglobulingabe erwägt werden.
- Hygienemaßnahmen: Regelmäßiges Händewaschen und Vermeidung von Kontakt mit infizierten Personen zur Reduktion des Übertragungsrisikos.