
In Abstimmung mit der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) möchte Sie die Firma medac GmbH über Folgendes informieren:
Zusammenfassung
- Gelegentlich kommt es zu Verzögerungen und zeitlichen Verschiebungen des chirurgischen Eingriffs, obwohl Gliolan (5-Aminolävulinsäure, 5-ALA) bereits verabreicht wurde. Es ist weitgehend unbekannt, wie lange eine verwertbare Fluoreszenz nach dem für einen hohen Kontrast in Tumorzellen definierten Zeitfenster anhält.
- Verschiebt sich der Operationsbeginn um mehr als 12 Stunden, sollte die Operation auf den nächsten Tag oder später verschoben werden.
- Eine weitere Dosis des Arzneimittels kann dann 2–4 Stunden vor der Narkose eingenommen werden.
- Eine erneute Verabreichung von 5-ALA am selben Tag sollte vermieden werden, da keine Daten zur Sicherheit einer wiederholten Dosis von 5-ALA oder zur Spezifität der Fluoreszenz bei wiederholter Verabreichung am selben Tag vorliegen.
- Neurochirurgen sollten einerseits beachten, dass Fluoreszenz bei Metastasen, Entzündungen, ZNS-Infektionen (mykotische oder bakterielle Abszesse), Lymphomen, reaktiven Veränderungen oder nekrotischem Gewebe auftreten kann und in diesen Fällen nicht das Vorhandensein von Gliomzellen anzeigt. Andererseits schließt nicht fluoreszierendes Gewebe im Operationsfeld nicht das Vorhandensein von Tumorzellen in der Infiltrationszone mit geringer Dichte bei Patienten mit Gliomen aus.
Hintergrund zu den Sicherheitshinweisen
Gliolan ist bei Erwachsenen zur Visualisierung von malignem Gewebe während der Operation eines malignen Glioms (WHO-Grad III und IV) indiziert. 5-ALA, der Wirkstoff von Gliolan, ist ein sog. Prodrug. 5-ALA wird intrazellulär zu dem fluoreszierenden Molekül PPIX metabolisiert. Der höchste PPIX-Plasmaspiegel wird vier Stunden nach der oralen Gabe von 20 mg/kg Körpergewicht 5-ALA HCl erreicht. Der PPIX-Plasmaspiegel nimmt in den folgenden 20 Stunden schnell ab und ist 48 Stunden nach der Gabe nicht mehr nachweisbar. Bei der empfohlenen Dosierung von 20 mg/kg Körpergewicht ist das Verhältnis der Fluoreszenz des Tumors zu dem des normalen Gewebes für gewöhnlich hoch und bietet für wenigstens neun Stunden einen hohen Kontrast für die Visualisierung von Tumorgewebe unter blau-violettem Licht.
Vorgehen bei Verzögerungen des OP-Termins
Im klinischen Alltag kann es zu zeitlichen Verzögerungen bei Operationsterminen kommen, die die geplante Freilegung des Gehirns zur Gewebebestimmung verhindern. Dies kann zu Unsicherheiten hinsichtlich der Frage führen, ob der Eingriff innerhalb des oben beschriebenen Zeitfensterns für einen hohen luziden Kontrast durchgeführt werden kann. Aufgrund dieser Unsicherheit sollte der Eingriff bei einer Verzögerung des Operationsbeginns um 12 Stunden oder mehr komplett verschoben und für den nächsten Tag oder später angesetzt werden.
In diesem Fall kann 2–4 Stunden vor der geplanten Narkose eine weitere Dosis 5-ALA verabreicht werden. Eine erneute Verabreichung von 5-ALA noch am selben Tag sollte vermieden werden, da keine Informationen über die Sicherheit einer frühen wiederholten Verabreichung oder über die Spezifität der Fluoreszenz vorliegen.
Gliolan nicht zur Diagnostik hochgradiger Gliome anwenden
Bitte beachten Sie, dass Gliolan nicht als Mittel zur Feststellung der Diagnose eines hochgradigen Glioms verwendet werden sollte, sondern als Hilfsmittel zur Durchführung einer möglichst sicheren Resektion dient.
In der Fachliteratur werden einige Fälle von Fluoreszenzanwendungen bei nicht hochgradigen Gliomzellen berichtet. Differenzialdiagnosen, die bei Operationen eines vermuteten hochgradigen Glioms eine Fluoreszenz zeigen, umfassen (La Rocca et al., 2020*):
- Entzündung
- mykotische oder bakterielle Infektion/Abszess
- nekrotisches Gewebe
- Multiple Sklerose
- neurodegenerative, demyelinisierende Erkrankung
Anpassungen der Produktinformationen
Abschnitt 4.2 der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels (Dosierung und Art der Anwendung)
Es erfolgt eine Anpassung entsprechend der aktuellen Patienteninformation:
Verschiebt sich der Operationsbeginn um mehr als 12 Stunden, sollte ein neuer Operationstermin für den nächsten Tag oder später angesetzt werden. Eine weitere Dosis des Arzneimittels kann 2–4 Stunden vor der Narkose eingenommen werden.
Abschnitt 4.4 der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels (Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung)
Hier werden folgende Angaben ergänzt:
Bei der Anwendung von 5-ALA zur Visualisierung des malignen Glioms während der Operation können falsch-negative und falsch-positive Ergebnisse auftreten. Nicht fluoreszierendes Gewebe im Operationsfeld schließt das Vorliegen eines Tumors bei Gliom-Patienten nicht aus. Andererseits kann eine Fluoreszenz in Bereichen auftreten, in denen abnormales Hirngewebe (wie z. B. reaktive Astrozyten, atypische Zellen), nekrotisches Gewebe, eine Entzündung, Infektionen (wie z. B. Pilz- oder bakterielle Infektionen oder Abszesse), ein ZNS-Lymphom oder Metastasen von anderen Tumoren vorhanden sind.
Das Nutzen-Risiko-Verhältnis von Gliolan ist weiterhin positiv. Die verpflichtende Teilnahme an einer Fortbildung für Neurochirurgen vor Anwendung von Gliolan bleibt bestehen.