
Einführung mit Hindernissen
Das rosa Papier-Rezept ist bekannt und etabliert. Nur wenige Menschen kennen hingegen das neue elektronische Rezept (E-Rezept) und auch viele Ärzte und Apotheker haben mit der digitalen Verordnung noch keinen direkten Kontakt gehabt. Dabei hätte das E-Rezept eigentlich bereits deutschlandweit ab 1. Januar dieses Jahres verpflichtend eingeführt werden sollen. Allerdings trat im Dezember letzten Jahres das Bundesgesundheitsministerium (BMG) erst mal auf die Bremse und verlängerte die Testphase.
Neuer Stichtag 1. September
Am 31. Mai 2022 beschloss eine eigens einberufene Gesellschafterversammlung der gematik GmbH eine schrittweise Einführung des E-Rezeptes. Der Fahrplan sieht vor, dass ab 1. September 2022 alle Apotheken elektronische Verordnungen annehmen können.
Kassenärzte folgen stufenweise
Die Ärzteschaft hat je nach Region mehr Zeit zur Umsetzung. Zunächst stellen nur Pilot-Praxen und -Kliniken in Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe das E-Rezept verpflichtend aus. Im nächsten Schritt soll in beiden Regionen die Nutzung flächendeckend erfolgen und nach etwa 3 Monaten schließlich die verpflichtende Einführung. Stufenweise sollen weitere Bundesländer folgen, einen genauen Zeitplan gibt es aber noch nicht.
Fristen regional unterschiedlich
Während die Krankenkassen nach Angaben der gematik schon heute E-Rezepte abrechnen können, sehen sich viele Apotheker noch vor Herausforderungen gestellt. Die Apothekerin Anke Rüdinger, Vorstandsmitglied des Deutschen Apothekerverbands (DAV) und Leiterin des Digital Hub der ABDA, blickte in einem Interview im ABDA-Newsroom im Mai der E-Rezept-Einführung dennoch gelassen entgegen. Damit das E-Rezept in den Apotheken ankomme, müssten Ärzte und Zahnärzte es erst mal ausstellen, erklärte die Expertin und verwies auf die regional unterschiedlichen Fristen für Ärzte und Zahnärzte, verpflichtend elektronische Verordnungen auszustellen.
Noch Hürden zu nehmen
Hinzu kommen zu erfüllende Voraussetzungen. So müssen Qualitätskriterien erreicht werden, unter anderem muss die Hürde von 30.000 ausgestellten, eingelösten und abgerechneten E-Rezepten im Rahmen der laufenden Testphase genommen werden.
Rezept-App installiert?
Eine weitere Unsicherheit bei der Einführung sei laut Rüdinger noch, ob bis dahin alle Versicherten von ihren Krankenkassen mit NFC-fähigen Gesundheitskarten ausgestattet worden seien und auch die Rezept-App der gematik installiert hätten. Dafür müssten die Versicherten über ein Smartphone mit Near Field Communication (NFC) verfügen. „Ich schätze, wir werden noch sehr viele Papierausdrucke von E-Rezepten in den Apotheken sehen.“, so Rüdingers Mutmaßung im Interview.
Referenzvalidator beschlossen
Angesprochen auf den Referenzvalidator, auf dessen Einführung der DAV bestanden hatte, zeigte sich Rüdinger erfreut, dass die Gesellschafterversammlung der gematik diesen für die Telematik-Infrastruktur (TI) verbindlich beschlossen habe. Beim Referenzvalidator handle es sich um eine Prüfsoftware, die das Risiko von Retaxationen bei E-Rezepten für die Apotheken senken solle.
Friedenspflicht mit Krankenkassen?
„Er wird sicherstellen, dass nur technisch korrekte und zur Arzneimittelverschreibungsverordnung passende E-Rezepte in den Fachdienst der TI eingestellt und dort weiterverarbeitet werden“, erklärte das DAV-Vorstandsmitglied im Interview. Der Referenzvalidator werde aber voraussichtlich erst im November 2022 zum Einsatz kommen können. Der DAV habe um eine Friedenspflicht gebeten, damit bis dahin keine Retaxationen von den Krankenkassen aus technischen Gründen erfolgen.
Apotheken E-Rezept ready
Rüdinger zeigte sich zuversichtlich, dass ihre Kollegen bereits gut auf den 1. September 2022 vorbereitet seien: „Die Apotheken sind E-Rezept-ready.“ In den Apotheken seien bereits Institutionskarten, Heilberufsausweise, Konnektoren, Scanner und Kartenlesegeräte angeschafft worden und die meisten seien auch schon auf „Mein Apothekenportal“ gelistet.
„Bis 1. September alle bereit“
Rüdinger rief die Inhaberinnen und Inhaber trotzdem noch mal dazu auf, selbstkritisch zu überprüfen, ob noch Aufgaben zu erledigen seien, um ab 1. September E-Rezepte versorgen zu können. Dazu gehöre auch zu hinterfragen, ob das eigene Apotheken-Team ausreichend geschult sei.
Es solle aber auch über die eigene Offizin hinausgeblickt werden, denn auch das Apothekensoftwarehaus müsse seine Hausaufgaben bei der Installation und Freischaltung des E-Rezept-Moduls machen. Rüdinger rät den Apothekern: „Sprechen Sie jetzt Ihr Softwarehaus an, dann sind wir spätestens bis 1. September alle bereit!“