
Seit dem Beginn des Krieges von Russland gegen die Ukraine ist die Nachfrage nach Kaliumiodid-Tabletten in Apotheken aus Angst vor einem atomaren Angriff stark angestiegen. Bei Unfällen oder Angriffen kann es zur Freisetzung von radioaktiven Stoffen, wie radioaktivem Jod (Iod 131, I131), kommen. Dieses hat die gleichen chemischen und biologischen Eigenschaften wie in Nahrungsmitteln enthaltenes Jod und kann daher ebenso in der Schilddrüse gespeichert werden. Dadurch besteht ein erhöhtes Risiko für die Entstehung von Schilddrüsenkrebs, wobei Kinder besonders gefährdet sind.
Die Einnahme von Jod in hoher Dosierung kann die Speicherung der radioaktiven Form verhindern. In ihren Stellungnahmen erklären das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) und das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) sowie die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) warum die private Anschaffung von Kaliumiodid-Arzneimitteln nicht sinnvoll ist.
Kein Universalschutz
Zu beachten ist zum einen, dass die Einnahme von Jodtabletten ausschließlich vor der Aufnahme von radioaktivem Jod in die Schilddrüse, nicht aber vor der Wirkung anderer radioaktiver Stoffe, wie z. B. Caesium 137, Strontium 90 oder Plutonium schützt.
Hohe Dosierung für Jodblockade
Um die Einlagerung von radioaktivem Jod in die Schilddrüse zu verhindern, müssen sehr hohe Dosierungen Jod in Form von Kaliumiodid eingenommen werden. Jugendliche ab 13 Jahren und Erwachsene erhalten einmalig 130 mg Kaliumiodid (100 mg Jod). Das entspricht in etwa der 100- bis 1.000-fachen Menge der täglich mit der Nahrung aufgenommenen Jodzufuhr.
Eine Notfall-Einnahme von hochdosiertem Jod für Erwachsene über 45 Jahren wird nicht empfohlen.
Apothekenpräparte enthalten nur Bruchteil der Dosis
In der Apotheke erhältliche, rezeptfreie Präparate sind insbesondere indiziert zur Prophylaxe eines Jodmangels (z. B. durch endemischen Struma, nach Resektion von Jodmangelstrumen) und Behandlung der diffusen euthyreoten Struma. Eine Tablette enthält 0,1 bis 0,2 mg Jod. Folglich müssten, um die ausreichende Dosis für eine Jodblockade der Schilddrüse zu erreichen, 500 bis 1.000 dieser Tabletten eingenommen werden. Eine N3-Packung fasst in der Regel 100 Tabletten.
Einnahme nur kurz vor oder nach Exposition
Die Speicherung von radioaktivem Jod in der Schilddrüse kann dann effektiv verhindert werden, wenn kurz vor oder nach dessen Aufnahme eine größere Menge von stabilem (nicht radioaktivem) Jod in hohen Einzeldosen eingenommen wird. Das heißt auch, dass eine Einnahme mehr als 24 Stunden von der Exposition nicht sinnvoll ist.
Keine Einnahme in Eigenregie
Grundsätzlich sollte eine Jodblockade nicht in der Selbstmedikation, sondern nur nach Aufforderung der zuständigen Behörden durchgeführt werden, wenn tatsächlich mit einer erheblichen Freisetzung radioaktiven Jods zu rechnen ist. Eine Jodblockade aus eigener Initiative ist nutzlos und sogar schädlich.
Deutschland ausreichend bevorratet
Das Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) und das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) informieren darüber, dass In Deutschland 189,5 Millionen Kaliumiodidtabletten in den Bundesländern bevorratet sind. Diese können im Notfall durch die Katstrophenschutzbehörden in den möglicherweise betroffenen Gebieten verteilt werden. In der Regel sei mit einer Vorwarnzeit von Stunden bis Tagen zu rechnen, sodass ausreichend Zeit für diese Maßnahme bleibe.
Weitere Maßnahmen im Notfall
Neben der Jodblockade können auch der Aufenthalt in Gebäuden bei geschlossenen Fenstern und Türen oder eine Evakuierung bis zum Vorbeiziehen der „Jodwolke“ sinnvoll sein. Am effektivsten bewertet das xx die behördliche Kontaminationsüberwachung der Nahrungsmittel und des Trinkwassers.
Notwendigkeit einer Jodblockade unwahrscheinlich
BMUV und BfS betonten, dass aufgrund der Entfernung zur Ukraine ist nicht damit zu rechnen sei, dass eine Einnahme von Jodtabletten erforderlich werden könnte. Von einer selbständigen Einnahme der Tabletten wird dringend abgeraten. Eine Selbstmedikation birgt erhebliche gesundheitliche Risiken, hat aktuell aber keinerlei Nutzen.
Hilfe für die Ukraine
Wir sind fassungslos und fühlen uns erstarrt angesichts der Situation in der Ukraine. Wichtige Anlaufstellen für schnelle Hilfe, die wir Ihnen hier gerne vorstellen möchten, sind Ärzte ohne Grenzen sowie Apotheker ohne Grenzen.