AMK lehnt automatische Substitution von Biosimilars ab

Als Folge des Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung soll ab August 2022 die automatische Substitution von Biosimilars in öffentlichen Apotheken möglich sein. Die AMK hat sich in einer Stellungnahme erneut gegen dieses Vorhaben ausgesprochen.

Stopp Arzt

Biologika gewinnen zunehmend an Bedeutung und machen mittlerweile die Hälfte der neu zugelassenen Arzneimittel aus. Zum 1. März 2022 trat die Erstfassung der Anlage VIIa (Biologika und Biosimilars) der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) in Kraft. Damit setzt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) Vorgaben des Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) um, nach denen der Ausschuss Hinweise zur Austauschbarkeit von biologischen Original-bzw. Referenzarzneimitteln durch im Wesentlichen gleiche biotechnologisch hergestellte Arzneimittel geben soll.

Die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) hat sich in einer Stellungnahme erneut gegen die automatische Substitution von Biosimilars ausgesprochen.

Biosimilar-Rabattverträge zur Kostensenkung

Biosimilars werden in der EU zentral über die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) zugelassen. Da Biosimilars zum Referenzarzneimittel zwar pharmazeutisch äquivalent, aber nicht identisch sind, ist die automatische Substitution (aut-idem) in deutschen Apotheken bisher nicht zulässig. Im August 2019 trat das GSAV in Kraft, welches jedoch unter anderem die automatische Substitution von Biologika im Rahmen der Abgabe in Apotheken ab August 2022 vorsieht. Ziel ist eine Kostensenkung durch Rabattverträge der Biosimilar-Hersteller mit den gesetzlichen Krankenkassen. Ärzte sollen dann ihre Patienten auf ein preisgünstigeres Arzneimittel ein- bzw. umstellen.

Austauschbar vs. automatisch substituierbar

Zur Einführung der automatischen Substitution für Biosimilars hatten sich sowohl Apotheker- als auch Ärzteschaft bereits vor Inkrafttreten des GSAV kritisch geäußert. Den von der EMA zugelassenen Biosimilars wird eine pharmazeutische Äquivalenz bescheinigt, die sie zwar mit Referenzpräparaten austauschbar, aber nicht automatisch substituierbar mache, erklärten sowohl AkdÄ (Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft) und BÄK (Bundesärztekammer) als auch die ADKA (Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker e.V.).

Die AMK weist in ihrer aktuellen Stellungnahme ebenfalls darauf, dass die Herstellung und Qualitätskontrolle von Biologika sehr aufwändig und anspruchsvoll sei und der biogene Ursprung es nicht möglich mache, einen Wirkstoff identisch nachzuahmen oder gar Chargenvariabilitäten zu vermeiden.

Schwache Datenlage zum Mehrfach-Switch

Die Verordnungsdaten zeigen laut AMK, dass Biosimilars bereits evidenzbasiert im Versorgungskontext zunehmend als therapeutisch gleichwertig und gegenüber dem Referenzpräparat als austauschbar angesehen und eingesetzt werden. Die Kommission betont jedoch ausdrücklich, dass dies mit einer Rabattvertrags-gesteuerten automatischen Substitution nicht vergleichbar sei.

Zwar wurden bereits sogenannte Switch-Studien zum biosimilaren Austausch durchgeführt, die bisher keine wesentlichen Sicherheits- oder Wirksamkeitsunterschiede zeigten, allerdings fehlen für viele Biosimilars derzeit valide Daten zum (Mehrfach-)Switch.

Unterschiedliche Handhabung gefährdet Adhärenz

Die AMK erklärt zudem, die automatische Substitution für Biosimilars sei aufgrund Patienten- und Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) abzulehnen. Biosimilars unterscheiden sich nicht nur in Beschaffenheit und Zusammensetzung, sondern auch der Handhabung (z.B. Applikationshilfen, Lagerbedingungen, Spritzenentsorgung). Ein automatischer Austausch könne hierbei zu Verunsicherung und Vertrauensverlust bis hin zur Therapieverweigerung führen und berge die Gefahr für eine Häufung von Medikationsfehlern.

Auch AkdÄ und BÄK hatten bereits darauf hingewiesen, dass der Austausch von Biosimilars die Betrachtung von Erkrankung, Darreichungsform sowie die Verfügbarkeit praxistauglicher Einzeldosisstärken beinhalten sollte.

Herausforderungen bei Pharmakovigilanz

Biologika bzw. Biosimilars unterliegen mindestens fünf Jahre nach der Zulassung einer zusätzlichen Überwachung. Nebenwirkungen können aufgrund bestehender Variabilitäten auch chargenspezifisch auftreten. Aus diesem Grund fordert die europäische Pharmakovigilanz-Richtlinie bei Berichten zu unerwünschten Wirkungen die Angabe der Herstellungscharge. Allerdings seien diese laut AMK für verordnende Ärzte nur mit hohem Aufwand zu eruieren und die Einführung der automatischen Substitution für Biosimilars aggraviere diese Limitation.

Rückverfolgbarkeit vereinfachen

Aus diesem Grund sind laut der Kommission IT-unterstützte Lösungen notwendig, die die Rückverfolgbarkeit der Präparate, beispielsweise durch automatisierte Hinterlegung in der elektronischen Patientenakte, erleichtern.

Patientenversorgung sicherstellen

Zum Schluss weist die AMK darauf hin, dass die Versorgungs- und Liefersicherheit für Patienten im Bereich der Biologika durch eine Rabattvertrags-gesteuerte Marktkonzentration und hieran nachgelagerte Prozesse wie eine Verlagerung von Produktionskapazitäten ins Ausland, gefährdet werden könnte. Die beabsichtigte Hebung von Wirtschaftlichkeitsreserven dürfe nicht zulasten der Patientensicherheit erfolgen.

Autor:
Stand:
02.03.2022
Quelle:
  1. AMK: Stellungnahme zur vorgesehenen Rabattvertrags-gesteuerten „automatischen Substitution“ von Biologika/Biosimilars in  öffentlichen Apotheken (02.03.2022)
  2. BMG: Stellungnahmen zum Referentenentwurf GSAV
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