
Pharmazeutische Bedenken räumen Apothekern eine gewisse Flexibilität bei der Patientenversorgung ein, um den Therapieerfolg und die Arzneimittelsicherheit zu gewährleisten. So darf ein Arzneimittel nach §17 Abs. 5 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) nur abgegeben werden, wenn die vorliegende Verschreibung keinen erkennbaren Irrtum enthält, leserlich ist und sich keine sonstigen Bedenken ergeben.
Apotheken können als letzte Kontrollinstanz, bevor der Patient sein Medikament erhält, daher im Zweifel pharmazeutische Bedenken geltend machen. Diese sind auf dem Rezept zu begründen und separat abzuzeichnen (§14 Abs. 3 Rahmenvertrag nach § 129 Absatz 2 SGB V). Diese Möglichkeit wird immer stärker genutzt. Das Deutsche Arzneiprüfungsinstitut (DAPI) hat eine Untersuchung durchgeführt, die zeigt, dass zwischen den Jahren 2016 und 2019 die Anzahl pharmazeutischer Bedenken bei Inhalativa-Verordnungen um 64% gestiegen sind.
Austausch gefährdet Therapieerfolg
Bei inhalativen Arzneimitteln zur Therapie von Atemwegserkrankungen wie Asthma und chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) ist die korrekte Anwendung besonders wichtig für den Therapieerfolg. Die verschiedenen Inhalationssysteme unterscheiden sich in Handhabung, erforderlicher Griffkraft und benötigter Atemleistung zum Teil deutlich. Nicht jedes System ist für alle Schweregrade der Erkrankungen geeignet. Daher kann es bei einem Austausch trotz Schulung des Patienten zu Anwendungsfehlern und einem geringeren therapeutischen Erfolg kommen.
Leitlinien empfehlen pharmazeutische Bedenken
Aus diesem Grund zählen Inhalativa laut der Leitlinie zur Guten Substitutionspraxis der Deutschen pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG) zur Gruppe der kritischen Darreichungsformen. Auch die nationalen Versorgungleitlinien Asthma und COPD empfehlen Apotheken pharmazeutische Bedenken einzuwenden, wenn der Rabattvertrag einen Wechsel des Inhalationssystems vorsieht.
Vermehrt pharmazeutische Bedenken von 2016 bis 2019
Dass diese Empfehlungen immer stärker umgesetzt werden, zeigen Untersuchungen des DAPI anhand von Abrechnungsdaten aus den Jahren 2016 bis 2019. Während der Absatz der abgegebenen Inhalativa bei Asthma und COPD vergleichsweise konstant blieb (23,0 Mio. bis 23,5 Mio. Packungen jährlich), erhöhte sich die Anzahl geltend gemachter pharmazeutischer Bedenken kontinuierlich von 278 Tsd. im Jahr 2016 auf 456 Tsd. im Jahr 2019. Das entspricht einem Anstiegt von 64,1%.
Anstieg mit neuem Rahmenvertrag
Im Juni 2019 war ein sprunghafter Anstieg des Einsatzes pharmazeutischer Bedenken zu erkennen. Laut DAPI könnte die zu diesem Zeitpunkt eingeführte Neufassung des Rahmenvertrags die Ursache dafür sein. Diese erlaubt das Erheben pharmazeutischer Bedenken nicht nur gegen die Abgabe von Rabattarzneimitteln, sondern auch gegen preisgünstige Arzneimittel inklusive Importe.
Einfluss der Coronapandemie
Für den leichten Rückgang im Jahr 2020 auf 406 Tsd. abgegebener Packungen unter Angabe pharmazeutischer Bedenken, könnte das Coronavirus verantwortlich sein. Das Einführend der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung ermöglicht Apotheken Abweichungen vom Rahmenvertrag aufgrund eines „dringenden Falls“. Dies könne sich laut DAPI auf die Notwendigkeit der Dokumentation pharmazeutischer Bedenken vermindernd ausgewirkt haben.