
In den USA beherrschen derzeit die Omikron-Subvarianten XBB.1.5 (43% aller Fälle) und BQ.1.1 (28,8% der Fälle) das Infektionsgeschehen [1]. Beide SARS-CoV-2-Mutationen entziehen sich dem Zugriff neutralisierender Antikörper, die durch die derzeitigen Covid-19-Impfstoffe induziert werden, stärker als gedacht. Dies geht aus einer Meldung im »New England Journal of Medicine« (NEJM) hervor [2].
In Deutschland liegt der Anteil von BQ.1.1 gleichbleibend bei etwa 26%, der Anteil von XBB1.5 ist auf >2 % gestiegen [3].
Zielsetzung
Die rasante Ausbreitung der beiden Omikron-Sublinien lassen ausgeprägte Fähigkeiten zur Immunflucht (Immunescape) vermuten. Ein Team um Dan Barouch vom Beth Israel Deaconess Medical Center in Boston analysierte in diesem Zusammenhang Serumproben auf ihre neutralisierende Wirkung gegen unterschiedliche SARS-CoV-2-Varianten.
Methodik
Die Studie umfassten drei Gruppen. Die Forschenden untersuchten Proben von Personen,
- die im Jahr 2021 mit dem monovalenten mRNA-Impfstoff BNT162b2 (BioNTech/Pfizer) grundimmunisiert und geboostet worden waren.
- die im Jahr 2022 eine monovalente mRNA-Auffrischung erhalten hatten.
- die im Jahr 2022 mit einer bivalenten mRNA-Auffrischungsdosis geboostert worden waren (die meisten hatten bereits drei Impfdosen erhalten).
Ergebnisse
Nach der monovalenten mRNA-Auffrischungsimpfung im Jahr 2021 (Gruppe 1) betrug der mediane Titer neutralisierender Antikörper gegen BA.5, der vormals dominierenden Variante, 887. Die Titer von BQ.1.1 und XBB.1 lagen bei 261 bzw. 105, das heißt drei- bis achtmal niedriger als gegen BA.5.
In Gruppe 2 mit dem monovalenten mRNA-Booster im Jahr 2022 wurde ein neutralisierender Antikörpertiter gegen BA.5 von 2.829 ermittelt. Gegen BQ.1.1 (406) war dieser um den Faktor 7 und gegen XBB.1 um den Faktor 17 (170) vermindert.
Bei den Teilnehmern mit einem bivalenten mRNA-Booster im Jahr 2022 (Gruppe 3) waren die neutralisierenden Antikörpertiter gegen BQ.1.1 5-fach (508) und die gegen XBB.1 21-fach geringer (175) als gegen BA.5 (3.693).
Fazit
Die Probanden, die 2021 eine monovalente Auffrischungsdosis erhalten hatten, zeigten niedrigere Antikörpertiter gegen BQ.1.1 und XBB.1 als die beiden Gruppen, die 2022 (erneut) geboostert wurden. Der adaptierte Booster ergab hingegen keinen entscheidenden Vorteil gegenüber den monovalenten Vakzinen. Damit dürfte die Antikörper-Antwort auf die aktuellen Impfungen mit den angepassten Impfstoffen geringer ausfallen als erhofft.
R346T-Mutation
Welche Mutationen für die Immunflucht verantwortlich sind, ist noch unklar. Eine zentrale Bedeutung könnte die R346T-Mutation haben. Diese ist in allen derzeit relevanten SARS-CoV-2-Varianten vorhanden, fehlte jedoch in BA.5.
Zelluläre Abwehr scheinbar stabil
Mit Ausnahme der über 70-Jährigen ist in den USA kein starker Anstieg schwerer Covid-19-Erkrankungen erkennbar – trotz der ausgeprägtem Immunfluchtfähigkeiten von BQ.1.1 und XBB.1. Das könnte bei den anderen Altersgruppen auf eine stabile zelluläre Immunabwehr durch CD8-Zellen hindeuten, so die Studienautoren [2].