Einfluss von Aspirin auf die Präeklampsieprävalenz bei Diabetikerinnen

Seit etwa drei Jahren erhalten schwangere Diabetikerinnen in einigen Ländern vorsorglich Aspirin, um eine Präeklampsie zu vermeiden. Vor 2018 wurde Aspirin nur bei erhöhtem Risiko verschrieben. In einer Kohortenstudie zeigte sich nun, dass die generelle Aspirin-Gabe Präeklampsien nicht häufiger verhindern kann als die risikoadaptierte Gabe.

Schwangere Diabetes

Frauen mit einem vorbestehenden Diabetes mellitus haben ein höheres Risiko für Komplikationen während der Schwangerschaft. Dazu zählt unter anderem die Präeklampsie. Das Risiko kann viermal so hoch sein, wie Daten aus Dänemark zeigen. Dort entwickeln etwa 3% der Schwangeren eine Präeklampsie, während die Prävalenz bei Schwangeren mit vorbestehendem Typ-1- oder Typ-2-Diabetes mellitus bei 10% bis 20% liegt. Häufig tritt die Präeklampsie vor der 37. Schwangerschaftswoche auf und führt zu einer Frühgeburt.

Pathomechanismus unklar

Der Pathomechanismus dahinter ist bisher nicht vollständig geklärt. Vermutlich ist eine abnormale Plazentabildung mit Plazentaischämien beteiligt. Diese könnte zu systemischen endothelialen Dysfunktionen bei der Mutter führen und so die Präeklampsie mindestens begünstigen. Bei Diabetikerinnen besteht meist schon vor der Schwangerschaft eine endotheliale Dysfunktion, was ein höheres Risiko möglicherweise erklären könnte.

Aspirin bei erhöhtem Risiko

Gleichzeitig wird aber auch diskutiert, ob ein generelles Ungleichgewicht zwischen der Produktion von Prostazyklinen und Thromboxan bei Schwangeren zu einer Präeklampsie führen könnte. Deshalb bekommen Schwangere mit einem erhöhten Risiko häufig prophylaktisch niedrig dosiertes Aspirin. So soll zumindest hypothetisch die Bildung abnormaler Plazenta reduziert und die Thromboxanproduktion gehemmt werden. In früheren Studien bestätigte sich das durch einen moderaten, vorteilhaften Effekt. In der ASPRE-Studie beispielsweise war die Prävalenz von frühzeitiger Präeklampsie um 60% niedriger, wenn Frauen vor der 14. Schwangerschaftswoche prophylaktisch Aspirin erhielten.

Wenige Daten zu Aspirin-Gabe

Die American Diabetes Association empfiehlt seit 2018, dass nun alle Schwangeren mit einem vorbestehenden Diabetes ab Ende des ersten Trimesters prophylaktisch 60 bis 150mg Aspirin pro Tag erhalten sollten. Ähnlich positioniert sich das American College of Obstetricians and Gynecologists. Die Datenlage ist jedoch bisher nicht ausreichend. Zur Situation von Schwangeren mit einem vorbestehenden Diabetes lieferte die ASPRE-Studie beispielsweise nur wenig Daten - gerade einmal 25 der 1.776 eingeschlossenen Schwangeren hatten einen vorbestehenden Diabetes. Ein Wissenschaftsteam um Nicoline C. Do vom Rigshospitalet in Kopenhagen, Dänemark, hat sich nun genauer mit diesem Thema befasst und eine prospektive, observationale Kohortenstudie durchgeführt. Die Daten wurden im Journal »Diabetes Care« veröffentlicht.

Zielsetzung

Die Studie arbeitet mit der Hypothese, dass bei vorbestehendem Diabetes prophylaktisches Aspirin für alle Schwangeren zu weniger Präeklampsien führt als eine rein risikobasierte Prophylaxe.

Methodik

Die Hypothese wurde mittels einer prospektiven, beobachtenden Kohortenstudie mit 410 Schwangeren durchgeführt. Alle mussten einen vorbestehenden Diabetes mellitus haben, mit einem einzigen lebenden Fötus schwanger sein und die 20. Schwangerschaftswoche noch nicht erreicht haben. Eingeschlossen wurden Betroffene zwischen September 2015 und Februar 2020.

Ausgeschlossen wurden minderjährige Schwangere, Frauen mit unzureichenden Sprachkenntnissen in Dänisch, einer frühere Teilnahme an der gleichen Studie oder schweren Begleiterkrankungen.

Indikation und Dosierung

Zwischen September 2015 und dem 23. Februar 2018 wurde Aspirin nur bei bestehenden weiteren Risikofaktoren wie einer früheren Präeklampsie, chronischer Hypertonie, Mikroalbuminurie, Nephropathie oder einer Schwangerschaft mit Spenderoozyten verabreicht. Die Dosierung in dieser Vergleichskohorte lag zwischen 75 und 150 mg pro Tag und hing von den jeweils aktuellen Guidelines ab. Die Mehrheit erhielt 100 mg Aspirin von der 10. Schwangerschaftswoche an bis zur 36. Schwangerschaftswoche. So wurden 203 Frauen in die selektive Kohorte eingeschlossen.

Ab dem 23. Februar 2018 wurde gemäß internationaler Empfehlungen umgestellt und allen Betroffenen ab der 10. Schwangerschaftswoche 150 mg Aspirin pro Tag verschrieben. In diese Gruppe, die „Alle“-Kohorte fielen 207 Frauen. Bekamen Schwangere bereits vor der Schwangerschaft Aspirin, wurde diese Behandlung in beiden Kohorten unverändert fortgeführt.

Checkup und Outcome-Parameter

Alle Frauen wurden den gängigen Routine-Checkups für schwangere Diabetikerinnen unterzogen. Dazu zählen unter anderem Messungen vom HbA1c, Mikroalbuminurie, Proteinurie und regelmäßige Blutdruckmessungen sowie eine empfohlene Gabe von 10 µg Vitamin D.

Die Werte dienten als Outcome-Messungen. Eine Präeklampsie lag vor, wenn entweder in der Praxis bei mindestens zwei Gelegenheiten ein Blutdruck von ≥140 mmHg systolisch oder ≥90 mmHg diastolisch vorlag oder in den Heimmessungen von ≥130/80 mmHg und zusätzlich mindestens ein weiterer Faktor vorlag, wie eine Proteinurie, neu einsetzende Thrombozytopenie, gestörte Leberfunktion, renale Insuffizienz, ein Lungenödem oder zerebelläre/visuelle Symptome. Eine frühzeitige (preterm) Präeklampsie war definiert als Beginn vor der 37. Schwangerschaftswoche, eine früh einsetzende vor der 34. Schwangerschaftswoche.

Zusätzlich wurden neonatale Daten wie Geburtsgewicht, perinatale Mortalität, Aufnahme auf die neonatologische Intensivstation, neonatale Morbidität als Outcome-Parameter erhoben.

Ergebnisse

In der Alle-Kohorte wurde 88% der Schwangeren ab etwa der 10. Schwangerschaftswoche Aspirin verschrieben. Bei 78% der Teilnehmenden konnte die Einnahme des Wirkstoffs bestätigt werden. In der selektiven Kohorte waren es 25% und 24% bestätigte Einnahme.

In beiden Kohorten waren die Werte für den HbA1c, chronische Hypertonien, heimische Blutdruckmessungen, Mikroalbuminurie und diabetische Nephropathien sowie Rauchen in der Frühschwangerschaft ähnlich.

In der Alle-Kohorte waren statistisch weniger Frauen mit einem Typ-2-Diabetes vertreten (32% vs. 42% in der selektiven Kohorte, p=0,04). Tendenziell wiesen die Schwangeren in dieser Kohorte aber einen niedrigeren Body-Mass-Index (BMI) (p=0,05) auf. Die heimischen Blutdruckmessungen waren statistisch nicht signifikant unterschiedlich (p=0,65). Nur bei den Messungen in der Praxis war der systolische Wert in der Alle-Kohorte etwas niedriger (p=0,007).

Die Prävalenz von Präeklampsien war mit 12% in der Alle-Kohorte und 11% in der selektiven Kohorte nicht signifikant verschieden (p=0,69, relatives Risiko [RR] 1,11; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,65-1,91). Auch eine Stratifikation nach dem Diabetestyp führte nicht zu statistisch signifikanten Werten, ebenso eine multiple logistische Regressionsanalyse (Odds Ratio [OR ]1,4; 95%-KI 0,72-2,8; p=0,31). Ebenso verhielt es sich mit der Prävalenz von Frühgeburten vor der 37. Woche (23% vs. 27%, p=0,30) und frühzeitiger Präeklampsie (7% vs. 7%, p=0,96). Auch bei der Größe für das Gestationsalter ähnelten sich beide Kohorten.

Fazit

In der Studie konnte das Forscherteam keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen den beiden Kohorten finden. Allen Schwangeren mit einem vorbestehenden Diabetes mellitus prophylaktisch Aspirin zu geben führte nicht dazu, dass Präeklampsien bei ihnen seltener auftraten. Im Vergleich zum früheren risikobasierten Prophylaxeansatz konnte keine signifikante Verbesserung festgestellt werden. Nun bedarf es randomisierter, kontrollierter Studien, um den Nutzen einer generellen prophylaktischen Aspirin-Gabe im Vergleich zum Nutzen besser abzuwägen.

Autor:
Stand:
08.11.2021
Quelle:

Do N.C., et al. Unchanged prevalence of preeclampsia after implementation of prophylactic aspirin for all pregnant women with preexisting diabetes: a prospective cohort study. Diabetes Care 2021; 44: 2252-2259. DOI: 10.2337/dc21-1182

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