
Diabetes mellitus Typ 1 (T1DM) ist eine autoimmune Stoffwechselerkrankung. In einer finnischen Studie hatte jeder fünfte der Betroffenen mit Typ-1-Diabetes zusätzlich eine weitere Autoimmunerkrankung. Das kann nicht nur die Diabetestherapie selbst, sondern auch das Outcome beeinflussen, denn dadurch steigen die Krankheitslast und möglicherweise auch das Risiko für Komplikationen in der Zukunft.
Bereits in der Vergangenheit konnte in Studien gezeigt werden, dass beispielsweise Morbus Addison zusätzlich zu T1DM mit einem erhöhten Risiko für schwere Hypoglykämien einhergeht. Ähnliches wurde für Hyperthyreosen beobachtet - auch sie erhöhten das Risiko für Hyperglykämien und zusätzlich auch das für diabetische Ketoazidosen, da sie mit einer erhöhten Insulinresistenz und einem gestörten Glukosemetabolismus vergesellschaftet sind. Hypothyreosen und Zöliakie hingegen können mit mehr hypoglykämischen Ereignissen einhergehen. Auch die Häufigkeit vaskulärer oder mikrovaskulärer Komplikationen wird durch zusätzliche Autoimmunerkrankungen bei T1DM beeinflusst: Bei Morbus Addison kann beispielsweise auch das Risiko für mikrovaskuläre Komplikationen erhöht sein, ebenso bei Hashimoto-Thyreoiditis.
Eine multinationale Studie um das Wissenschaftlerteam von Nicole Prinz hat sich nun in einer retrospektiven Studie mit dem Thema von Autoimmunerkrankungen bei Diabetes mellitus Typ 1 befasst. Die Daten wurden im »The Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism« publiziert.
Zielsetzung:
In der retrospektiven Studie sollte untersucht werden, wie sich demographische und klinische Charakteristika unterscheiden, wenn Patientinnen und Patienten einen isolierten Diabetes mellitus Typ 1 haben oder zusätzlich weitere Autoimmunerkrankungen vorliegen.
Methodik:
Für die Studie nutzte das Team Daten aus dem Prospective Diabetes Follow-up Registery (DPV), in dem anonymisiert Daten zur Diabeteserkrankung aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Luxemburg gesammelt werden. Dafür durchsuchten sie die Datenbank nach Patientinnen und Patienten, die zusätzlich zum T1DM eine Diagnose für Hashimoto-Thyreoiditis, Morbus Basedow und/oder Morbus Addison hatten. Ausgewählt wurden sie mithilfe der zugehörigen ICD-19 Codes sowie passenden deutschen Schlagworten und Kombinationen selbiger. Als weiteres Einschlusskriterium galt, dass die Betroffenen seit mindestens sechs Monaten nachweislich an Diabetes erkrankt sein mussten.
Evaluiert wurden Daten zur glykämischen Kontrolle anhand des HbA1c, die Insulindosis in Units/kg/Tag und die dazugehörigen Behandlungsregimes, die Häufigkeit diabetischer Ketoazidosen (definiert als venöser pH<7,3 und/oder Bicarbonate<15 mmol/L), schwere Hypoglykämien und Hypoglykämien mit Koma pro 100 Patientenjahren, sowie die Häufigkeiten von Retinopathien, Mikroalbuminurien und Neuropathien.
Statistische Analyse
Die Daten entstammten verschiedenen Laboren mit unterschiedlichen Referenzwerten. Deshalb wurden alle Daten adjustiert und anschließend mittels multivariabler Regressionsmodelle mit unter anderem Alter, Geschlecht, Erkrankungsdauer, Migrationshintergrund und Art des Insulinregimes analysiert. Als statistisch signifikant galt ein zweiseitiger p-Wert <0,05.
Ergebnisse:
In der Datenbank wurden 6.166 (5,4%) Personen mit einem T1DM identifiziert, die weitere Autoimmunerkrankungen hatten. Diesen gegenübergestellt waren als Referenzgruppe 107.457 Personen mit einem isolierten Typ-1-Diabetes. Aufgesplittet ergaben sich so 118 Personen mit einem zusätzliche Morbus Addison, 532 mit Morbus Basedow und 5.560 mit Hashimoto-Thyreoiditis.
Von den Betroffenen mit zusätzlichen Autoimmunerkrankungen waren statistisch signifikant mehr weiblich (54,6% vs. 32,0%, p<0,001). Viele waren bereits länger erkrankt (7,9 [5. und 95. Perzentile: 4,2-12,5] vs. 6,7 [2,7-12,9] Jahre; p<0,001) und jünger bei Erstdiagnose (9,9 [6,1-13,8] vs. 11,1 [6,6-17,0] Jahre). Betroffene mit Morbus Addison und Morbus Basedow hingegen waren signifikant älter als die mit einem isolierten T1DM (p<0,001).
Auch in der täglichen Insulindosis unterschieden sich die beiden Gruppen: Patientinnen und Patienten, die zusätzlich einen Morbus Addison oder eine Hashimoto-Thyreoiditis hatten, benötigten mehr Insulin als die Referenzgruppe (0,858 ± 0,032 und 0,813 ± 0,005 vs. 0,793 ± 0,001 IU/kg pro Tag). In der Hashimoto-Thyreoiditis-Gruppe konnte eine weitere Auffälligkeit beobachtet werden: die Patienten hatten signifikant seltener Hypoglykämien mit Koma als die Referenzgruppe. Hinsichtlich des HbA1c, der Häufigkeit schwerer Hypoglykämien und diabetischer Ketoazidosen war jedoch kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen der Referenzgruppe und den Betroffenen mit weiteren Autoimmunerkrankungen zu detektieren.
Bei Begleiterkrankungen des Typ-1-Diabetes ließ sich wiederum ein Unterschied zwischen den beiden Gruppen und ihren Subgruppen bemerken: Patientinnen und Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis litten seltener an Retinopathien (1,5%) als die mit einem isolierten T1DM (1,8%), Betroffene mit einem Morbus Basedow hingegen häufiger (3,1%). Gesamt betrachtet war dieser Effekt jedoch zwischen den beiden Gruppen nicht statistisch relevant (1,7% vs. 1,8%; p=0,39).
Auch Mikroalbuminurien waren auf die gesamte Gruppe betrachtet seltener bei Patientinnen und Patienten mit einer weiteren Autoimmunerkrankung (14,0% vs. 15,5%, p=0,009). Besonders stachen dabei der Morbus Basedow und die Hashimoto-Thyreoiditis heraus mit 10,6% und 14,3% vs. 15,5% (p<0,05). Bei beiden waren dafür jedoch Neuropathien mit 2,1% bzw. 1,8% häufiger als in der Referenzgruppe (0,8%; p<0,05). Ähnliches konnte auch für die gesamte Gruppe der weiteren Autoimmunerkrankungen bestätigt werden: Auch hier war die Häufigkeit für Neuropathien signifikant höher als in der Referenzgruppe (1,7% vs. 0,8%; p<0,001).
Fazit:
Treten bei Menschen mit Diabetes mellitus Typ 1 weitere Autoimmunerkrankungen auf, so ist ihr Risiko für Komplikationen heterogen und abhängig von der jeweiligen Erkrankung. Betroffene mit Morbus Addison oder Hashimoto-Thyreoiditis benötigen beispielsweise mehr Insulin. Das sollte bedacht werden, wenn bei Patientinnen und Patienten eine derartige zweite Autoimmunerkrankung auftritt. Auch kann das Risiko für Neuropathien bei einzelnen Autoimmunerkrankungen erhöht sein, das für Mikroalbuminurien aber erniedrigt.