Unter einer Hyperthyreose versteht man eine krankhafte Überfunktion der Schilddrüse. Sie ist gekennzeichnet durch erhöhte Spiegel der freien Schilddrüsenhormone und einen Hypermetabolismus. In der Mehrzahl der Fälle liegt die Ursache, bei der nicht durch Medikamente ausgelösten Hyperthyreose, in einer verstärkten Produktion der Schilddrüsenhormone.
Epidemiologie
Meist tritt die Erkrankung zwischen dem 20. und 50. Lebensjahr auf. Die Prävalenz bei Frauen liegt bei ca. 1-2%. Frauen und ältere Menschen sind vermehrt von einer Hyperthyreose betroffen.
Ursachen
In Deutschland ist die häufigste Ursache für eine Hyperthyreose die Schilddrüsenautonomie. Diese kann unifokal im Rahmen eines autonomen Adenoms, aber auch multifokal oder disseminiert auftreten. Der Morbus Basedow ist in Deutschland die zweithäufigste Ursache einer Hyperthyreose. Bei dieser Autoimmunerkrankung konnte eine genetische Prädisposition festgestellt werden. Die genaue Ursache des Morbus Basedow ist derzeit noch unbekannt.
Ferner kann eine Hyperthyreose iatrogen z.B. durch eine übermäßige exogene Zufuhr von Schilddrüsenhormonen bzw. Jod auftreten (Hyperthyreosis factitia). Auch die Einnahme von Amiodaron kann zu einer Hyperthyreose führen.
Zudem gibt es entzündliche Ursachen einer Hyperthyreose. Zu diesen gehören beispielsweise die subakute Thyreoiditis de Quervain oder auch die Hashimoto-Thyreoiditis. Diese führen zu einer transienten Hyperthyreose.
Auch Schilddrüsenkarzinome und TSH (Thyreoidea-stimulierendes Hormon) produzierende Hypophysenadenome können zum Auftreten einer hyperthyreotischen Stoffwechsellage führen.
Thyreotoxische Krise
Eine thyreotoxische Krise ist eine akute lebensbedrohliche Exazerbation einer Hyperthyreose. Besonders gefährdet sind Patienten mit nicht oder insuffizient behandelter Hyperthyreose. Die thyreotoxische Krise kann spontan auftreten oder durch bestimmte Faktoren ausgelöst werden. Zu diesen zählen beispielsweise schwere Erkrankungen wie Infektionen, Jodexposition (z.B. durch jodhaltiges Kontrastmittel), Absetzen thyreostatischer Medikamente oder auch Schilddrüsen-Operationen in hyperthyreotem Zustand.
Pathogenese
Allgemein kommt es bei der Hyperthyreose zu einem Anstieg der Schilddrüsenhormone in der Blutbahn. Dies kann beispielsweise durch eine erhöhte Konversion von Thyroxin (T4) zu Trijodthyronin (T3) in der Peripherie und/oder eine erhöhte Produktion bzw. Sekretion der Schilddrüsenhormone der Fall sein.
Schilddrüsenautonomie
Autonome Bereich sind Areale innerhalb der Schilddrüse, die nicht von der hypothalamisch-hypophysären Achse reguliert werden. Meist durch einen chronischen Jodmangel bedingt, werden vermehrt thyreoidale Wachstumsfaktoren gebildet, die zur dauerhaften Aktivierung des TSH-Rezeptors führen.
Hyperthyreosis factitia
Durch eine Überdosierung von Schilddrüsenhormonen wird eine hyperthyreotische Stoffwechsellage verursacht. Dies kann iatrogen aber auch seitens des Patienten verursacht sein.
Morbus Basedow
In der Pathogenese der Hyperthyreose im Rahmen des Morbus Basedow spielen TSH-Rezeptor Autoantikörper eine zentrale Rolle. Sie wirken v.a. stimulierend auf die Produktion und Freisetzung von Schilddrüsenhormonen und verursachen so die hyperthyreotische Stoffwechsellage. Für weiterführende Informationen wird auf den Artikel zum Morbus Basedow verwiesen.
Symptome
Patienten, die an einer hyperthyreoten Stoffwechsellage leiden, zeigen verschiedene Symptome. Das Ausmaß der Hyperthyreose korreliert häufig nicht mit der Symptomausprägung. Auch ist zu beachten, dass es individuelle und altersabhängige Unterschiede der Symptome gibt. So zeigen jüngere Patienten meist ausgeprägtere Symptome, während ältere Patienten häufig oligosymptomatisch sind und beispielsweise nur durch Herzrhythmusstörungen auffallen.
Schilddrüsenhormone steigern die Sensibilität auf Katecholamine und haben so eine indirekte sympathomimetische Wirkung.
Die Patienten können beispielsweise an tachykarden Herzrhythmusstörungen, einem arteriellen Hypertonus, einer Wärmeintoleranz, einem Tremor oder auch Schwitzen leiden. Ferner sind die Patienten oft motorisch unruhig und reizbar. Auch Schlafstörungen und eine rasche Ermüdbarkeit können auftreten. Häufig nehmen die Patienten Gewicht ab. Mehr als die Hälfte der Hyperthyreose Patienten leiden zudem an einer pathologischen Glukosetoleranz.
Im Falle einer thyreotoxischen Krise kommt es u.a. zum Auftreten einer Tachykardie (Tachyarrhythmie), Fieber, Hyperthermie mit Schwitzen, Exsikkose, Somnolenz, Koma und Kreislaufversagen.
Diagnostik
Am Anfang der Hyperthyreose-Diagnostik steht die Anamnese. Diese sollte mögliche, aufgetretene Symptome erfassen. Wichtig ist auch eine Medikamentenanamnese, um mögliche Hyperthyreose-induzierende Medikamente, die der Betroffene möglicherweise nimmt, zu identifizieren.
Laboruntersuchungen
Als Basisdiagnostik sollte bei der Hyperthyreoseabklärung die Analyse des TSH, freies Tetrajodthyronin (fT4) und freies Trijodthyronin (fT3) Wertes erfolgen. Wenn der TSH-Wert erniedrigt ist, sollte auch eine Bestimmung der TPO- und TSH-Rezeptorantikörper folgen. Hierdurch kann die Ätiologie der Hyperthyreose eingegrenzt werden. Hohe TPO-Antikörper sind typisch für eine Hashimoto-Thyreoiditis, kommen aber auch in 70-80% der Morbus Basedow-Fälle und auch bei Gesunden vor. Erhöhte TSH-Rezeptor-Antikörpers liegen beim Morbus Basedow vor.
Vor dem Beginn einer thyreostatischen Therapie sollte mindestens ein Blutbild inklusive der Thrombozytenbestimmung durchgeführt werden. Auch die Evaluation der GOT (Glutamat-Oxalacetat-Transaminase), GPT (Glutamat-Pyruvat-Transaminase) und γ-GT (Gamma-Glutamyltransferase) sollte erfolgen.
Erfassung der Schweregrade einer Hyperthyreose
Subklinische oder latente Hyperthyreose
Im Falle des Vorliegens einer subklinischen oder latenten Hyperthyreose liegt ein erniedrigter TSH-Spiegel bei normwertigen fT3/fT4 Werten vor. Klinische Symptome können bereits auftreten. In Studien konnte ein Anstieg der kardiovaskulären Sterblichkeit, der kardiovaskulären Komplikationen (z.B. Myokardinfarkt) und des Osteoporoserisikos beim Vorliegen einer subklinischen Hyperthyreose gezeigt werden.
Manifeste Hyperthyreose
Bei der manifesten Hyperthyreose liegt ein erniedrigter TSH-Spiegel bei erhöhten fT3/fT4-Werten vor. Klinische Symptome sind in der Regel vorhanden.
Apparative Diagnostik
Die AWMF Leitlinie empfiehlt die Durchführung einer Schilddrüsensonographie beim Verdacht auf das Vorliegen einer Hyperthyreose. Sollte hier ein Knoten nachgewiesen werden, rät die Leitlinie zur Szintigraphie. Zudem sollten eine Elektrokardiographie (EKG) und eine Echokardiographie durchgeführt werden. Für weiterführende Informationen wird auf die Fachliteratur verwiesen.
Therapie
Eine medikamentöse Therapie der Hyperthyreose ist bei manifester und symptomatischer Hyperthyreose notwendig. Bei latenter Hyperthyreose wird die Behandlungsnotwendigkeit diskutiert. Die American Thyreoid Association empfiehlt beispielsweise die Therapie einer latenten Hyperthyreose bei einem dauerhaften TSH <0,1mU/l bei allen Patienten >65 Jahre, bei Patienten mit kardialen Risikofaktoren und Herzerkrankungen, bei Osteoporose und bei postmenopausalen Frauen, die keine Östrogene oder Bisphosphonate erhalten.
Die Art der Therapie richtet sich nach der Ätiologie der Hyperthyreose:
Symptomatische Therapie
Thyreostatika
Medikamente mit thyreostatischer Wirkung sind Substanzen vom Thionamid-Typ (Thiamazol und Carbimazol) sowie Propylthiouracil (PTU). Diese hemmen dosisabhängig die Schilddrüsenperoxidase, welche die Jodination des Tyrosins katalysiert. Hierdurch wird die Schilddrüsenhormonsynthese supprimiert.
Carbimazol ist ein Prodrug und wird in der Leber in das biologisch wirksame Thiamazol umgewandelt. Propylthiouracil stört zudem die Konversion von T4 zu T3.
Bei der Therapie ist zu beachten, dass die Nebenwirkungsrate der Wirkstoffe dosisabhängig ist. Ein weiteres Thyreostatikum ist Natriumperchlorat, welches spezifisch den Natrium-Iod-Symporter hemmt und damit die Einschleusung von Iodid in die Schilddrüse beeinflusst.
Der therapeutische Effekt tritt bei der Thyreostatika-Therapie frühestens sechs bis acht Tage nach Therapiebeginn ein. Dies liegt daran, dass Thyreostatika keine Wirkung auf sich bereits im Körper befindende Schilddrüsenhormone haben.
Betablocker
Im Rahmen der Behandlung von Symptomen der Hyperthyreose wie beispielsweise Tachykardie und Rhythmusstörungen und insbesondere bei Patienten mit kardialen Risikofaktoren und Vorerkrankungen werden häufig Betablocker eingesetzt. Es wird vor allem Propanolol verwendet, da dieser Wirkstoff auch die Konversion von T4 zu T3 hemmt.
Definitive Therapie
Eine definitive Therapie wird insbesondere bei Schilddrüsenautonomien nach thyreostatischer Rekompensation angestrebt, da diese in der Regel keine spontane Heilung aufweisen. Auch bei Unverträglichkeit der thyreostatischen Therapie und bei therapierefraktärer und rezidivierender Hyperthyreose ist die definitive Therapie indiziert.
Operative Therapie
Operative Therapien kommen insbesondere beim Vorliegen einer Struma mit Autonomie und gleichzeitig vorliegenden kalten Knoten mit Malignitätsverdacht zum Einsatz. Auch eine therapierefraktäre Hyperthyreose kann eine Operationsindikation darstellen.
Radiojodtherapie
Das überfunktionierende Schilddrüsengewebe wird durch das Radiojod einem programmierten Zelltod zugeführt. Die Radiojodtherapie wird bei funktioneller Schilddrüsenautonomie bei einer Struma, die noch klein oder mittelgroß ist, verwendet.
Die Rezidivrate nach Radiojodtherapie beträgt circa 5%.
Zu beachten ist bei dieser Therapieform, dass die Wirkung mit einer Verzögerung von sechs bis zwölf Wochen eintritt.
Liegt eine hyperthyreote Stoffwechsellage vor, muss vor der Radiojodtherapie eine thyreostatische Behandlung erfolgen.
Behandlung der Hyperthyreose entsprechend ihrer Ätiologie
Hyperthyreose in der Schwangerschaft
Eine unbehandelte Hyperthyreose in der Schwangerschaft kann u.a. zu Aborten, Totgeburten, vorzeitiger Entbindung und der Entbindung von untergewichtigen Säuglingen führen. Ferner kann eine erhöhte Missbildungsrate (v.a. Herzfehler) auftreten. Auch die Entwicklung einer thyreotoxischen Krise bei der Geburt ist möglich. Medikamente der Wahl für die Behandlung der Hyperthyreose in der Schwangerschaft sind Thyreostatika.
Hyperthyreosis factitia
Die ursächliche Therapie der Hyperthyreosis factitia ist eine Reduktion der zugeführten Schilddrüsenhormondosis.
Amiodaron-induzierte Hyperthyreose
Die Amiodaron-induzierte Hyperthyreose wird in zwei Typen eingeteilt. Beim Typ 1 kommt es zu einer passageren Bildungshyperthyreose durch einen Jod Überschuss. Dieser Typ heilt nicht spontan aus. Zur Therapie der Typ 1 Amiodaron-induzierten Hyperthyreose erhalten die Patienten Thyreostatika (v.a. Thiamazol, PTU).
Bei der Typ 2 Amiodaron-induzierten Hyperthyreose kommt es durch einen direkten toxischen Mechanismus zu einer Destruktion von Schilddrüsenfollikeln und damit zu einer Freisetzungshyperthyreose. Die Therapie dieser Erkrankung ist die Gabe von hoch dosierten Kortikosteroiden.
Zur Symptomkontrolle kann bei beiden Typen eine Behandlung mit Betablockern indiziert sein.
Sollte man nicht sicher zwischen den beiden Typen differenzieren können, werden die Patienten polypragmatisch mittels Thiamazol/PTU, Perchlorat, Kortikosteroiden und Propanolol therapiert.
Freisetzungshyperthyreose
Im Anfangsstadium einer Hashimoto-Thyreoiditis kann es zu einer Freisetzungshyperthyreose kommen. Es kommt bei diesem Krankheitsbild zur Abgabe des in Follikeln gespeicherten Schilddrüsenhormons in die Blutbahn. Meist handelt es sich um milde Hyperthyreose-Verläufe. Bei stark erhöhten fT3 Spiegeln und/oder klinischer Symptomatik besteht die Indikation zur Therapie mittels Kortikosteroiden. Hierdurch wird eine Konversionshemmung von T4 zu T3 erreicht. Ferner können Betablocker v.a. Propanolol eingesetzt werden.
Thyreotoxische Krise
Eine thyreotoxische Krise ist eine Notfallsituation und erfordert in der Regel eine stationäre, intensivmedizinische Versorgung des Betroffenen. Sie wird u.a. mittels Thyreostatika, Betablockern und Kortikosteroiden intravenös therapiert. Experten empfehlen zudem die Gabe von Irenat®, sowie einer Thromboembolieprophylaxe.
Für weiterführende Informationen wird auf die Fachliteratur/Leitlinie verwiesen.
Prognose
Die Prognose der Hyperthyreose ist abhängig von ihrer Ätiologie.
Die Prognose der Hyperthyreose im Rahmen einer subakuten Thyreoiditis ist in der Regel sehr gut. Die Krankheit gilt als selbstlimitierend und es kommt nach längerer Zeit zur Restitutio ad integrum. Die Hyperthyreose ist hier meist nur vorrübergehend für etwa sechs Wochen vorhanden. Die Schilddrüsenfunktion kann in eine Unterfunktion umschlagen.
Eine Schilddrüsenautonomie bildet sich in der Regel nicht spontan zurück. Das Hyperthyreoserisiko liegt im Falle einer unbehandelten Schilddrüsenautonomie etwa bei 5% jährlich. Beim Morbus Basedow kommt es in etwa 30-50% der Fälle zu einer spontanen Remission der Erkrankung.
Die Letalität der thyreotoxischen Krise beträgt ca. 30%.
Eine nicht behandelte Hyperthyreose kann das Auftreten von Folgeerkrankungen begünstigen. Hierzu zählen beispielsweise Herzmuskelschäden, Herzinsuffizienz oder Osteoporose.
Prophylaxe
Zur Prophylaxe einer jodinduzierten Hyperthyreose stehen die Wirkstoffe Natrium-Perchlorat (Irenat ®) und Carbimazol/Thiamazol zur Verfügung. Die Indikation zur Prophylaxe ergibt sich aus der Stoffwechsellage der Schilddrüse (normale Funktion vs. subklinische bzw. manifeste Hyperthyreose) und vorliegenden Risikofaktoren (z.B. Alter >60 Jahre, bekannter Jodmangel, bekannte Autonomie)
Hinweise
Die thyreotoxische Krise stellt die akute lebensbedrohliche Exazerbation einer Hyperthyreose dar.
AWMF S1 Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin (DGKJ): Hyperthyreose AWMF RegisterNr. 027/041
Ross et al. (2016): American Thyroid Association Guidelines for Diagnosis and Management of Hyper- thyroidism and other causes of thyrotoxis. Thyorotoxicosis,26:1343-1421.
Schott (2011): Therapie der Hyperthyreose und der thyreotoxischen Krise in: Endokrinologie Informationen; Sonderheft 4-7.
Zieren et al. (2018): Tachykardie, erhöhte Reizbarkeit, Nervosität, Schwitzen. Bei diesen Symptomen sollten Sie an eine Hyperthyreose denken! MMW Fortschritte der Medizin 17:-38-42