
Adipositas ist einer der wichtigsten beeinflussbaren Risikofaktoren für Diabetes mellitus Typ 2, kann aber auch zu Bluthochdruck oder eine Fettleber führen. Die Zahl der adipösen Kinder und Jugendlichen nimmt stetig zu. Aus diesen Gründen sind Prävention wie Behandlung der Adipositas von besonderer Bedeutung. Dabei sollte berücksichtigt werden, dass bei der Krankheitsentstehung genetische Faktoren eine Rolle spielen können. Daher sei auf eine individuelle und vorurteilsfreie Behandlung zu achten, erläutert die Deutsche Diabetesgesellschaft (DDG) in einer Pressemitteilung.
Adipositas-Zunahme während Corona-Pandemie
Während im Jahr 2020 noch jedes siebte Kind adipös war, stieg die Zahl, auch als Folge der Corona-Pandemie, in den vergangenen Jahren an. Laut einer repräsentativen Forsa-Umfrage der Adipositas-Gesellschaft (DAG) und des Else Körner-Fresenius-Zentrums (EKFZ) für Ernährungsmedizin an der Technischen Universität München, nahm jedes sechse Kind in Deutschland zu. Darüber hinaus bewegte sich etwa die Hälfte der Kinder weniger und ein viertel isst mehr Süßigkeiten als zuvor.
Etwa 100.000 Jugendliche in Deutschland sind extrem adipös. Sie haben häufig bereits eine gestörte Glukosetoleranz.
Genetische Ursachen
Neben den Lebensbedingungen, die mit Bewegungsarmut und einem steten Überangebot kalorienreicher Nahrung verbunden sind, spielen auch genetische Faktoren eine Rolle bei der Entstehung von Adipositas. „Wir entdecken immer wieder neue Gene und Genvarianten, die das Körpergewicht unter den gegebenen Lebensbedingungen beeinflussen.“, erklärt Professor Dr. med. Martin Wabitsch, Leiter der Abteilung Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie und des endokrinologischen Forschungslabors an der Universitätsklinik für Kinder und Jugendmedizin Ulm.
Lebensstiländerungen nur bedingt wirksam
So weist etwa jedes fünfte Kind mit starkem Übergewicht eine Gen-Variante im Erbgut auf, die eine Fehlfunktion der Hunger- oder Sättigungsregulation im Gehirn verursacht. „Diese jungen Betroffenen entwickeln schon im Vorschulalter Adipositas“, so Wabitsch weiter. Verhaltenstherapeutische Ansätze zeigen in diesen Fällen ohne weitere Behandlung kein nicht befriedigendes Ergebnis bei der Gewichtskontrolle.
Liraglutid zur Gewichtsreduktion
Für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren gibt es seit kurzem mit dem Wirkstoff Liraglutid eine neue Therapieoption bei Adipositas. Liraglutid ist ein GLP-1-Rezeptoragonist, der die Wirkung des Inkretinhormons Glucagon-like peptide 1 (GLP-1) nachahmt, zu der auch ein Sättigungsgefühl gehört. Wabisch erklärt, dass diese Behandlung in Kombination mit einer erhöhten körperlichen Aktivität sowie einer Ernährungsumstellung gute Ergebnisse erzielt. „Die jungen Patientinnen und Patienten empfinden bei dieser kombinierten Therapie zum ersten Mal Sättigung statt Dauerhunger – ein völlig neues Lebensgefühl.“
Entstigmatisierung der Adipositas
Wabisch ruft dazu auf die Erkrankung Adipositas sowohl in der Gesellschaft als auch im medizinischen System zu entstigmatisieren. Das noch neue Wissen über die genetischen Ursachen der Adipositas und auch die Wirkung neuer Medikamente trage dazu bei, Betroffene und ihre Familien psychisch zu entlasten.
Auch das neue Disease-Management-Programm (DMP) Adipositas könne dazu beitragen. Ein entsprechendes Programm für Kinder und Jugendliche mit Adipositas werde bereits diskutiert. Dadurch werde Adipositas als Krankheit anerkannt sowie Kindern und Jugendlichen eine Behandlung nach Evidenz-basierten Leitlinien ermöglicht.
Die Fachgesellschaften setzten sich außerdem dafür ein, dass medikamentöse Adipositastherapien künftig nach entsprechender Indikationsprüfung von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden.