Diabetes-Subtypen unterschiedlich häufig von erektiler Dysfunktion betroffen

Diabetiker sind häufiger von erektiler Dysfunktion betroffen als andere Männer. Die Prävalenz schwankt zwischen den fünf Subgruppen. In der SIRD-Subgruppe ist sie am höchsten.

Mann_erektile Dysfunktion

Die erektile Dysfunktion ist charakterisiert durch eine persistierende Unfähigkeit, während des Geschlechtsverkehrs eine penile Erektion aufzubauen und aufrecht zu erhalten. Sie betrifft vor allem Männer, die älter als 40 Jahre sind, und ist assoziiert mit einer schlechten Beziehungsqualität, niedriger Lebenszufriedenheit und einem niedrigen Selbstbewusstsein.

Die Erkrankung hat jedoch nicht nur Auswirkungen auf das Sexualleben. Sie geht auch mit einem höheren Risiko für zukünftige kardiovaskuläre Ereignisse, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfall und Gesamtmortalität einher. Andersherum betrachtet scheint ein Zusammenhang zwischen der erektilen Dysfunktion und Diabetes mellitus zu bestehen: Je länger ein Diabetes besteht, umso häufiger scheinen Männer eine erektile Dysfunktion aufzuweisen. Generell gelten Diabetiker als dreimal so gefährdet  wie Nichtdiabetiker. Männer mit einem Typ 2 Diabetes mellitus sind davon substanziell häufiger betroffen.

Seit einiger Zeit wird Diabetes mellitus jedoch nicht mehr nur in einen Typ 1 und Typ 2 unterteilt, sondern es wurden fünf mögliche Subgruppen eingeführt: SIDD, SIRD, SIAD, MOD und MARD. Diese Abkürzungen stehen für severe insulin-deficient diabetes (SIDD), severe insulin-resistant diabetes (SIRD), severe autoimmune diabetes (SIAD), mild obesity-related diabetes (MOD) und mild age-related diabetes (MARD). Es ist bereits bekannt, dass diese Subgruppen mit jeweils unterschiedlichen Komplikationsrisiken einhergehen können. Inwieweit das jedoch auch für die erektile Dysfunktion gilt, ist bisher nicht bekannt. Deshalb hat sich ein deutsches Forschungsteam nun näher mit dem Thema befasst. Die Daten wurden im Journal »Diabetologia« veröffentlicht.

Zielsetzung

Der Fokus der Studie lag auf der Prävalenz von selbst-berichteter erektiler Dysfunktion bei den fünf Diabetes-Subgruppen. Diese sollte evaluiert werden, außerdem wurde unter anderem die Stärke der Assoziation zwischen der Dysfunktion und den Subgruppen berechnet.

Methodik

Für die Studie wurden Daten von der German Diabetes Study (GDS) verwendet. Diese prospektive Beobachtungsstudie läuft seit 2005. Eingeschlossen wurden Männer zwischen 18 und 69 Jahren, deren Diabetes seit weniger als einem Jahr bestand. Die Diabetes-Diagnose wurde anhand der ADA-Kriterien gestellt.

Insgesamt konnten 351 Männer mit einer Diabetesdauer unter einem Jahr eingeschlossen werden. Zusätzlich wurden 124 Männer ohne Diabetes eingeschlossen, die mindestens 18 Jahre alt waren, eine normale Glukosetoleranz hatten, keine erstgradigen Verwandten mit Diabetes und zu denen Daten zu erektilen Dysfunktionen vorlagen.

Von den Teilnehmenden wurden unter anderem Labordaten zum HbA1c, dem Nüchtern-C-Peptid, Nüchternblutzucker, HDL-Cholesterol, LDL-Cholesterol, Triacylglycerol und GAD-Antikörpern erhoben. Die erektile Dysfunktion wurde anhand des »International Index of Erectile Function« (IIEF)-Fragebogens festgestellt. Zusätzlich wurden Blutdruckwerte und Daten unter anderem zu kardiovaskulären Erkrankungen, Neuropathien und Depressionen erhoben. Dafür wurden validierte Fragebögen und Scores eingesetzt.

Ergebnisse

Wie vorab vermutet, waren Männer mit Diabetes fast doppelt so häufig von erektiler Dysfunktion betroffen wie Männer ohne Diabetes (23% vs. 11%, p=0,004). Die betroffenen Männer waren tendenziell eher älter, hatten einen höheren Body-Mass-Index (BMI), höhere HOMA2-IRs, höhere Triacylglycerol-Werte und höhere hs-CRP-Werte (high-sensitivity CRP) bei niedrigeren HDL-Cholesterolwerten.

Prävalenz der Subgruppen

Die höchste Prävalenz für eine erektile Dysfunktion hatten mit 52% Männer mit SIRD. Diese Subgruppe ist charakterisiert durch Adipositas und eine ausgeprägte Insulinresistenz. Am seltensten waren Männer mit SAID betroffen. Bei dieser Form des schweren Autoimmundiabetes gaben nur 7% der Männer eine erektile Dysfunktion an. Unter den Männern mit einem SIDD waren 31% von einer erektilen Dysfunktion betroffen, bei MOD (Subgruppe charakterisiert durch Adipositas, nicht aber durch Insulinresistenz) 18% und bei MARD 29%. Diese drei Prävalenzen waren ebenfalls statistisch signifikant (p<0,0001).

Vorkommen im Vergleich zu Nichtdiabetikern

Im Vergleich zu Nichtdiabetikern trat eine erektile Dysfunktion bei Patienten mit SIRD und SIDD signifikant häufiger auf (adjustiertes Relatives Risiko [RR] 1,93; 95%-Konfidenzintervall [KI] 1,04-3,58; p=0,038 bzw. RR 3,27; 95%-KI 1,18-9,10; p=0,023). Bei SAID lag das Relative Risiko für eine erektile Dysfunktion bei 0,26 (95%-KI 0,11-0,58; p=0,001) und bei MARD bei 1,52 (95%-KI 1,04-2,22; p=0,027). Wurden diese Werte jedoch gegen Störvariablen bereinigt, waren die Assoziationen bei SAID und MARD nicht mehr statistisch signifikant. Zwischen MOD und erektiler Dysfunktion konnte gar keine Assoziation nachgewiesen werden.

Sonstige Subgruppen-Charakterisitika

Auch die Subgruppen an sich unterschieden sich in den Charakteristika der betroffenen Männer. Während Männer mit SAID tendenziell jünger waren, hatten die mit SIDD eine schlechtere glykämische Kontrolle, niedrigere HOMA2-B und höhere Prävalenzen von CAN (Cardiac autonomic neuropathy, kardiale autonome Neuropathie). Bei SIRD-Betroffenen war die Insulinresistenz besonders ausgeprägt, sie hatten eine niedrigere eGFR, höhere Triacylglycerol-Level, öfter eine Hypertonie und höhere hs-CRP-werte. Betroffene der MOD-Subgruppe hatten einen höheren BMI und die der MARD-Subgruppe waren älter. Die Betroffenen der SIRD-Subgruppe hatten neben der ausgeprägteren Insulinresistenz auch die niedrigsten HbA1c-Werte aller Subgruppen. Das lässt vermuten, dass die glykämische Kontrolle vielleicht nicht die Hauptdeterminante für eine erektile Dysfunktion in der Studienpopulation ist. Ein weiterer Wert war auffällig: Bei Männern mit erektiler Dysfunktion war der hs-CRP erhöht.

Fazit

Männer mit einem neu aufgetretenen Diabetes (<1 Jahr) sind häufiger von erektiler Dysfunktion betroffen als Nichtdiabetiker. Aufgesplittet nach den vor einigen Jahren eingeführten fünf Diabetes-Subgruppen sind besonders die Gruppen SIRD und SIDD betroffen. Das Studienteam vermutet deshalb, dass Insulinresistenz und Insulinmangel Hauptfaktoren sein könnten, warum eine erektile Dysfunktion bei Diabetespatienten auftritt. Gleichzeitig sind die Prävalenzen in den unterschiedlichen Gruppen sehr verschieden. Das könnte wiederum darauf hinweisen, dass verschiedene Mechanismen in den jeweiligen Gruppen zur den Dysfunktionen geführt haben.

Ob diese Beobachtungen auch auf andere Diabetesbetroffene zutreffen, deren Diabetes seit mehr als einem Jahr besteht, werden weitere Studien zeigen müssen.

Autor:
Stand:
16.03.2022
Quelle:

Maalmi H. Et al. Differences in the prevalence of erectile dysfunction between novel subgroups of recent- onset diabetes. Diabetologica 2022; 65:552-562. DOI: 10.1007/s00125-021-05607-z.

  • Teilen
  • Teilen
  • Teilen
  • Drucken
  • Senden

Anzeige