Mammakarzinom: Neoadjuvante Therapie ohne OP?

Die neoadjuvante Systemtherapie hat sich insbesondere beim HER2-positiven oder tripelnegativen Mammakarzinom durchgesetzt . Empfohlen wird dieses Vorgehen vor allem zum Downstaging und Erreichen einer brusterhaltenden Therapie.

Machine learning

Eine Empfehlung, bei optimalem Ansprechen auf die neoadjuvante Therapie in bestimmten Situationen ganz auf die Chirurgie zu verzichten, gibt es nicht. Immerhin fast 70% der Frauen mit einem HER2+ Mammakarzinom erreichen mit der Systemtherapie vor der OP eine pathologische Komplettremission, beim tripelnegativen Mammakarzinom (TNBC) sind es mit Atezolizumab plus Chemotherapie fast 60%, erläutert Dr. André Pfob von der Universitätsfrauenklinik Heidelberg anlässlich des DGGG-Kongresses 2022 [2-4].

Deeskalation der chirurgischen Intervention

Möglicherweise hat die chirurgische Behandlung von Mamma und Axilla ohne Hinweis auf ein Residuum nach neoadjuvanter Therapie keinen therapeutischen Effekt, sondern birgt vor allem das Risiko einer mit dem Eingriff verbundenen Morbidität, diskutierte die Heidelberger Gruppe von Pfab in der international renommierten Fachzeitschrift The Lancet Oncology [5]. Entscheidend bleibt, wie Frauen identifiziert werden können, die wirklich kein Residuum mehr aufweisen, wenn nicht operiert wird. Letztlich ist die Chirurgie nach neoadjuvanter Behandlung häufig ja eher ein diagnostisches als ein therapeutisches Mittel, meinte Pfob.

Bildgebung ist nicht genau genug

Egal, welche Bildgebungsmodalität verwendet wird, aktuell sind die Falsch-negativ-Raten (FNR) für den Ausschluss von residualem Tumorgewebe zu hoch, weiß der Heidelberger auch. Die Mammographie entdeckt Residuen mit einer Sensitivität von 80% und einer Spezifität von 77%. Mit Ultraschall liegen die Sensitivität bei 90% und die Spezifität bei 80%. Bei der diffusionsgewichteten Magnetresonanztomographie wird die Sensitivität mit 93%, die Spezifität mit 82% angegeben. Das PET-CT erreicht eine Sensitivität von 84% und eine Spezifität von 71%. Die sich daraus ergebenden 9% bis 29% falsch-negativen Befunde sind laut Pfob nicht akzeptabel.

Biopsie als deeskalierter diagnostischer Eingriff?

Eine Alternative könnte eine erneute vakuumassistierte Biopsie nach der neoadjuvanten Therapie sein. Eine entsprechende in Deutschland durchgeführte Studie ergab allerdings, dass in der Biopsie wider Erwarten in 18% der Fälle eine pathologische Komplettremission festgestellt wurde, die sich in der nachfolgenden OP nicht bestätigte [6]. Auch hier ist also die FNR zu hoch. Insbesondere kleine und heterogen ansprechende Tumorfoci wurden nicht entdeckt.

Der Weg zur intelligenten Vakuumbiopsie

Die Heidelberger Arbeitsgruppe analysierte daraufhin noch einmal alle Grundannahmen ihres Vorgehens, um in prädiktiven Modellen die komplexen Assoziationen von Einflussfaktoren auf das Therapieansprechen zu berücksichtigen. Wichtig sind dabei nicht nur Ergebnisse der Biopsie, sondern auch Charakteristika von Patientinnen und Tumoren. In Kooperation mit dem MD Anderson Cancer Center in Houston, Texas, und der Universitätsklinik in Seoul, Südkorea, wurde ein Machine-Learning-Algorithmus entwickelt, der helfen soll, Frauen mit einem pathologischen Komplettansprechen sicher zu identifizieren [7].

Niedrige FNR möglich

Die damit ausgestattete „intelligente“ Vakuumbiopsie erreichte in einer Validierungsstudie eine FNR von 0,0% bis 5,2% [8]. Die Spezifität war mit 37,5% bis 40,0% zwar gering, die AUC (für engl. area under the receiver operating characteristic curve) für die Entdeckung eines Residuums des Tumors oder in einem Lymphknoten mit 0,91 bis 0,92 aber hoch.

Weitere prospektive Studien sollen klären, ob und bei welchen Patientinnen nach den Befunden der intelligenten Biopsie der Verzicht auf eine Resektion bei Komplettansprechen auf eine neoadjuvante Therapie möglich ist.

Autor:
Stand:
29.11.2022
Quelle:
  1. Vortrag Dr. André Pfob: „Wieviel  Chirurgie der Brust ist nach neoadjuvanter Systemtherapie erforderlich?“ am 13.10.2022 anlässlich des 64. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe in München vom 12.–15. Oktober 2022.
  2. Murphy BL, Day CN, Hoskin TL et al. (2018): Neoadjuvant Chemotherapy Use in Breast Cancer is Greatest in Excellent Responders: Triple-Negative and HER2+ Subtypes. Annals of Surgical Oncology. DOI: 10.1245/s10434-018-6531-5
  3. Van Ramshorst MS , van der Voort A, van Werkhoven ED et al. (2018): Neoadjuvant chemotherapy with or without anthracyclines in the presence of dual HER2 blockade for HER2-positive breast cancer (TRAIN-2): a multicentre, open-label, randomised, phase 3 trial. The Lancet Oncology. DOI: 10.1016/S1470-2045(18)30570-9
  4. Mittendorf EA, Zhang H, Barrios CH et al. (2020): Neoadjuvant atezolizumab in combination with sequential nab-paclitaxel and anthracycline-based chemotherapy versus placebo and chemotherapy in patients with early-stage triple-negative breast cancer (IMpassion031): a randomised, double-blind, phase 3 trial. The Lancet. DOI: 10.1016/S0140-6736(20)31953-X
  5. Heil J, Pfob A, Morrow M. (2021): De-escalation of breast and axillary surgery in exceptional responders to neoadjuvant systemic treatment. The Lancet Oncology. DOI: 10.1016/S1470-2045(21)00057-7
  6. Heil J, Pfob A, Sinn HP et al. (2022): Diagnosing Pathologic Complete Response in the Breast After Neoadjuvant Systemic Treatment of Breast Cancer Patients by Minimal Invasive Biopsy: Oral Presentation at the San Antonio Breast Cancer Symposium on Friday, December 13, 2019, Program Number GS5-03. Annals of Surgery. DOI: 10.1097/SLA.0000000000004246
  7. Pfob A, Sidey-Gibbons C, Lee HB et al. (2021) Identification of breast cancer patients with pathologic complete response in the breast after neoadjuvant systemic treatment by an intelligent vacuum-assisted biopsy. European Journal of Cancer. DOI: 10.1016/j.ejca.2020.11.006
  8. Pfob A, Sidey-Gibbons C, Rauch G et al. (2022) Intelligent Vacuum-Assisted Biopsy to Identify Breast Cancer Patients With Pathologic Complete Response (ypT0 and ypN0) After Neoadjuvant Systemic Treatment for Omission of Breast and Axillary Surgery. Journal of Clinical Oncology. DOI: 10.1200/JCO.21.02439

 

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