
Hintergrund
Brustkrebs ist die am häufigsten diagnostizierte Krebsart. Humaner epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor 2 (human epidermal growth factor receptor 2 [HER2])-positiver Brustkrebs ist eine besonders aggressive Form der Krankheit, die etwa 15-20% der Menschen mit dieser Erkrankung trifft.
Heute gelten HER2-gerichtete Therapien als Standard der Versorgung in der fortgeschrittenen und frühen Krankheitssituation. Trastuzumab hat als Zugabe zur Chemotherapie eine Verbesserung des Gesamtüberlebens (overall survival [OS]) bei Patienten mit fortgeschrittenem und frühem HER2-positivem Brustkrebs gezeigt.
Pertuzumab plus Trastuzumab und Taxan gilt heute als Standard-Erstlinientherapie für Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung und als Teil eines neoadjuvanten Regimes für Patienten in Hochrisiko-Untergruppen.
Die Zulassung von Pertuzumab als Adjuvans zu Trastuzumab und Chemotherapie beruht auf der Primäranalyse der APHINITY-Studie, in der Forscher einen Vorteil für die duale HER2-Blockade im Hinblick auf das Überleben ohne invasive Krankheit (invasive disease–free survival [IDFS] ermittelten (Hazard Ratio [HR] 0,81 (95%-Konfidenzintervall [KI] 0,66 bis 1,00, P = 0,045; 0,9% Unterschied im IDFS in drei Jahren) [1].
Über Pertuzumab
Pertuzumab (Handelsname Perjeta) ist ein monoklonaler Antikörper, der auf den HER2-Rezeptor abzielt, ein Protein, das auf der Außenseite vieler normaler Zellen und bei HER2-positiven Krebsarten in hohen Mengen auf Krebszellen vorkommt. Perjeta wurde speziell entwickelt, um zu verhindern, dass sich der HER2-Rezeptor mit anderen HER-Rezeptoren (EGFR/HER1, HER3 und HER4) auf der Oberfläche von Zellen dimerisiert. Vermutlich spielt dieser Prozess eine Rolle beim Wachstum und Überleben von Tumoren. Die Bindung von Pertuzumab an HER2 kann auch dem körpereigenen Immunsystem signalisieren, die Krebszellen zu zerstören.
Wissenschaftler nehmen an, dass sich die Wirkmechanismen von Pertuzumab und Trastuzumab ergänzen, da beide Wirkstoffe an den HER2-Rezeptor, aber an unterschiedliche Stellen binden. Die Kombination von Pertuzumab und Trastuzumab könnte eine umfassendere, duale Blockade der HER-Signalwege ermöglichen und so das Wachstum und Überleben von Tumorzellen verhindern.
Über die APHINITY-Brustkrebsstudie
Die APHINITY (Adjuvant Pertuzumab and Herceptin IN Initial TherapY in Breast Cancer)-Studie ist eine globale, randomisierte, doppelt verblindete, placebokontrollierte, zweiarmige Studie der Phase 3. Ziel der Studie ist es, die Sicherheit und Wirksamkeit von Pertuzumab, das zusätzlich zur Chemotherapie plus Trastuzumab für ein Jahr als adjuvante Therapie bei Patienten mit operablem HER2-positivem primärem Brustkrebs gegeben wurde, zu bewerten. Die Kontrollgruppe erhielt Placebo zusätzlich zur Chemotherapie plus Trastuzumab.
Der primäre Endpunkt ist das IDFS, definiert als Zeit, ohne Wiederauftreten von invasivem Brustkrebs (lokales Rezidiv oder Auftreten im umgebenden Brustgewebe und/ oder darüber hinaus) oder Tod aus jedwedem Grund nach postoperativer Behandlung. Zu den sekundären Endpunkten gehörten u.a. die kardiale und allgemeine Therapiesicherheit, das Gesamtüberleben (overall survival [OS]) und die gesundheitsbezogene Lebensqualität. Die Beobachtungsphase dauert fünfzehn Jahre lang ab dem Zeitpunkt, an dem der letzte Patient in die Studie aufgenommen wurde.
Insgesamt wurden von November 2011 bis August 2013 4.805 Patienten an 545 Kliniken in 42 Ländern in die Studie aufgenommen. 2.400 Patienten wurden nach dem Zufallsprinzip der Pertuzumabgruppe und 2.405 Patienten der Placebogruppe zugeordnet.
Trastuzumab wurde mit einer Aufsättigungsdosis von 8 mg/kg Körpergewicht intravenös verabreicht, dann als 6 mg/kg-Dosis einmal alle drei Wochen für ein Jahr (entsprechend 18 Zyklen). Patienten in der Pertuzumabgruppe erhielten eine feste Aufsättigungsdosis von 840 mg intravenös, dann eine feste Dosis von 420 mg einmal alle drei Wochen für ein Jahr.
Die Forscher konnten zwischen zwei Arten von Chemotherapien wählen. Die Anti-HER2-Therapie sollte gleichzeitig mit der ersten Taxanverabreichung beginnen, entweder mit einem sequenziellen Anthrazyklin-Taxan-Regime oder einem dreiwöchentlichen Docetaxel-plus-Carboplatin-Regime (ohne Anthrazyklin) in sechs Zyklen.
Rezidive und Vitalstatus der Patienten werden jährlich bis zehn Jahre nach der Aufnahme des letzten Patienten in die Studie beobachtet. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der kardialen Gesundheit.
Die primäre Analyse zeigte, dass die Zugabe von Pertuzumab zu Trastuzumab plus Chemotherapie das IDFS statistisch signifikant verbesserte, was zu einem neuen Behandlungsstandard für Hochrisikopatienten führte. Zwei vordefinierte Analysen des OS erreichten keine statistische Signifikanz.
Wissenschaftler berichteten nun nach einer medianen Nachbeobachtung von 8,4 Jahren (101 Monaten) über die Ergebnisse der dritten vorab festgelegten Analyse des OS und aktualisierter deskriptiver Analysen der IDFS- und Sicherheitsdaten [2, 3].
Ergebnisse
In der Pertuzumabgruppe wurden im Vergleich zur Plazebogruppe weniger Todesfälle beobachtet (168 [7,0%] vs. 202 [8,4%]. Die HR für das OS (92,7% vs. 92,0%) betrug 0,83 [95%-KI 0,68-1,02; p=0,078]. Die statistische Signifikanz wurde nicht erreicht. Die OS-Daten sind jedoch noch unreif.
Das Risiko eines Rezidivs oder zu versterben war unter Pertuzumab plus Trastuzumab und Chemotherapie im Vergleich zu Placebo plus Trastuzumab und Chemotherapie um 23% reduziert. Die aktualisierte Analyse der IDFS-Ergebnisse (88,4% vs. 85,8%) basierend auf 609 Ereignissen in der ITT-Population ergab eine HR von 0,77 (95%-KI 0,66–0,91). Der Unterschied war hauptsächlich auf die Verringerung von Fern- (6,2% vs. 8,5%) und lokoregionären (1,3% vs. 2,4%) Rezidiven zurückzuführen.
Den größten Nutzen beobachteten die Wissenschaftler weiterhin bei Patienten mit hohem Rezidivrisiko, vor allem bei lymphknotenpositiven Patienten. Das Risiko für ein Rezidiv oder den Tod war für diese Patienten unter dem Pertuzumab-basierten Schema um 28% reduziert (HR = 0,72; 95%-KI 0,60-0,87). Der absolute Nutzen betrug 4,9% (86,1% gegenüber 81,2%). In der lymphknotennegativen Kohorte betrug die HR für das IDFS 1,01, wobei mehr als 92% der Patienten in beiden Studienarmen nach acht Jahren ereignisfrei waren.
In Übereinstimmung mit der vorherigen Analyse wurde die Wirkung des Pertuzumab-basierten Schemas unabhängig vom Hormonrezeptor (HR)-Status beobachtet. Die Wissenschaftler ermittelten eine 25% bzw. 18%ige Verringerung des Risikos für ein Rezidiv oder den Tod bei Patienten mit HR-positiver Erkrankung (HR für IDFS = 0,75; 95%-KI 0,61-0,92) und bei Patienten mit HR-negativer Erkrankung (HR für IDFS = 0,82; 95%-KI 0,64-1,06).
Das Sicherheitsprofil stimmte mit dem in früheren Studien beobachteten überein. Es wurden keine neuen oder unerwarteten Sicherheitssignale identifiziert. Es traten auch keine neuen Bedenken bezüglich der kardialen Sicherheit auf.
Fazit
Die Ergebnisse nach 8,4 Jahren medianer Nachbeobachtungszeit zeigen den anhaltenden Nutzen der Kombination von Pertuzumab, Trastuzumab und Chemotherapie als adjuvante, intravenöse Behandlung für Patienten mit Lymphknoten-positivem, HER2-positivem Brustkrebs im Frühstadium, die ein hohes Rezidivrisiko haben, im Vergleich zu Placebo, Trastuzumab und Chemotherapie.
Patienten mit Lymphknoten-positiver Erkrankung profitierten von einer 28%igen Reduktion des Rezidiv- oder Todesrisikos, was einem absoluten Nutzen nach acht Jahren von 4,9% entsprach (IDFS).
Es wurde kein statistisch signifikanter Unterschied im OS gefunden. Die Wissenschaftler halten eine kontinuierliche Nachbeobachtung der Patienten für erforderlich, um den möglichen Überlebensvorteil und die langfristige Sicherheit der Zugabe von adjuvantem Pertuzumab zu Trastuzumab zu bestimmen. Die abschließende OS-Analyse ist für den Zeitpunkt geplant, wenn 640 Todesfälle aufgetreten sind.
"Die Ergebnisse aus der APHINITY-Studie nach acht Jahren zeigen die großen Fortschritte bei der Behandlung dieser aggressiven Form von Brustkrebs im Frühstadium", so Dr. Levi Garraway, Chief Medical Officer und Head of Global Product Development bei Roche. "HER2-positive Brustkrebserkrankungen treten nach der Operation häufiger wieder auf als andere Subtypen. Daher ist eine gezielte Behandlung entscheidend, um die besten Heilungschancen zu bieten."
Prof. Sibylle Loibl, Vorsitzende der German Breast Group (GBG) und Geschäftsführerin der German Breast Group (GBG) Forschungs GmbH sowie Leiterin der APHINITY-Studie, sagte: "Diese aktualisierten APHINITY-Daten zeigen eine weitere Verringerung des Risikos für ein Krebsrezidiv oder den Tod mit einem Pertuzumab-basierten Regime bei Patienten mit Lymphknoten-positivem, HER2-positivem Brustkrebs im Frühstadium, unabhängig vom HR-Status. Der Trend zu einem Überlebensvorteil ist auf die Lymphknoten-positive Kohorte zurückzuführen, und eine zusätzliche Nachbeobachtung ist sehr wichtig, um den möglichen Überlebensnutzen und die langfristige Sicherheit dieses Regimes zu bestimmen."
Diese Studie ist unter der Nummer NCT01358877 bei Clinicaltrials.gov registriert und wurde vom Unternehmen Hoffmann-La Roche finanziert.
Basierend auf der Primäranalyse der Studie im Jahr 2017 wurde der klinische Wert von Pertuzumab von den Gesundheitsbehörden weltweit anerkannt. Pertuzumab ist unter dem Handelsnamen Perjeta in mehr als 100 Ländern, darunter die Vereinigten Staaten (USA), den Ländern der Europäischen Union (EU) und China für die Behandlung von Menschen mit Brustkrebs im Frühstadium mit hohem Rezidivrisiko zugelassen.
Es wurde auch in mehrere internationale Behandlungsleitlinien aufgenommen, darunter die der American Society of Clinical Oncology (ASCO), der European Society for Medical Oncology (ESMO), des National Comprehensive Cancer Network (NCCN) und der St. Gallen International Breast Cancer Conference, die es als Standard für die postoperative Behandlung von Menschen mit HER2-positivem Brustkrebs im Frühstadium mit hohem Rezidivrisiko empfiehlt.
Patienten mit HER2-positivem Brustkrebs im Frühstadium oder mit metastasierendem Brustkrebs können Pertuzumab und Trastuzumab gleichzeitig in einer einzigen subkutanen Injektion erhalten. Unter dem Handelsnamen Phesgo ist eine Fixdosis-Kombination verfügbar, die eine schnellere subkutane Verabreichung in nur wenigen Minuten im Vergleich zu Stunden mit einer Standard-i.v.-Verabreichung ermöglicht. Phesgo wurde in Kombination mit einer intravenösen Chemotherapie in 73 Ländern, darunter die USA und die Länder der EU, für die Behandlung von Menschen mit HER2-positivem Brustkrebs im Frühstadium und mit metastasierendem Brustkrebs zugelassen.