
Seit Louise Brown 1978 als erstes per in-vitro-Fertilisation (IVF) gezeugtes Kind auf die Welt kam, fragen sich Paare mit Kinderwunsch, ob diese Form der Zeugung nicht gesundheitliche Risiken für den Nachwuchs mit sich bringt.
Frühere Studien weisen auf CV-Risiko hin
Doch wie real sind diese Befürchtungen? Von besonderem Interesse ist, inwieweit sich die Zeugung durch assistierten reproduktionsmedizinischen Eingriff (Assisted reproductive technology=ART) auf das Herz-Kreislauf-System auswirkt. Frühere Studien mit kleinen Kohorten haben Hinweise auf Veränderungen der kardiometabolischen Risikofaktoren bei Kindern gefunden, die nach ART geboren wurden.
Skandinavische Kohortenstudie mit über 7 Mio. Datensätzen
Wie groß das kardiovaskuläre Risiko für ART-Geborene tatsächlich ist, wollten skandinavische Reproduktionsmediziner und Epidemiologen wissen. Dazu verglichen sie in ihrer bevölkerungsbasierten Kohortenstudie die Daten von ART-Geborenen (mit IVF oder intrazytoplasmatischer Spermien-Injektion gezeugt) mit den Daten von natürlich gezeugten Kindern. Sie filterten aus den Geburtenregistern und ART-Registern von Dänemark, Finnland, Schweden und Norwegen Datensätze von insgesamt 122.429 ART-Kinder und 7.574.685 natürlich gezeugten (SC=spontaneous conception) Kindern.
Das Durchschnittsalter der Mütter betrug fast 34 Jahre für ART und knapp 30 Jahre für SC; rund zwei Drittel (ART) und 41,8 % (SC) waren Erstgebärende. Die mittlere Nachbeobachtungszeit betrug 8,6 Jahre bei ART-Kindern und 14 bei SC-Kindern.
Kein erhöhtes kardiovaskuläres- und Diabetes-Risiko
Insgesamt wurden bei 135 (0,11 %), 645 (0,65 %) und 18 (0,01 %) Kindern, die nach der ART geboren wurden, kardiovaskuläre Erkrankungen (ischämische Herzkrankheit, Kardiomyopathie, Herzinsuffizienz oder zerebrovaskuläre Erkrankungen), Fettleibigkeit bzw. Typ-2-Diabetes diagnostiziert. Bei den SC-Kindern lagen die entsprechenden Werte 10 702 (0,14 %), 30 308 (0,74 %) und 2 919 (0,04 %). In der unbereinigten Analyse hatten ART-Kinder ein signifikant höheres Risiko für Herz-Kreislauf- und Typ-2-Diabetes (Hazard Rato HR 1,71; 95% Konfidenzintervall KI 1,08-2,73; p = 0,02). Nach Herausrechnen der Störfaktoren ergab sich allerdings ein anderes Bild: Jetzt bestand kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen, weder beim Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen (adjustierte Hazard ratio aHR 1,02; 95% KI 0,86-1,22; p = 0,80) noch für Typ-2-Diabetes (aHR 1,31; 95% KI 0,82-2,09; p= 0,25).
ART-Kinder neigen zu Adipositas
In Sachen Fettleibigkeit fand sich geringes, aber signifikant erhöhtes Risiko bei ART-Kindern (aHR 1,14; 95% KI 1,06-1,23; p = 0,001). Nach Ansicht der Untersucher liegt das Adipositas-Risiko vermutlich höher, weil Übergewicht oft nicht als Krankheit betrachtet und daher nicht in Registern erfasst wird, was wahrscheinlich zu einer Unterschätzung der Adipositas führt.
Die skandinavischen Wissenschaftler schränken in ihrem Fazit ihre Ergebnisse etwas ein: So war für die Risikoauswertung die Zahl der Ereignisse bei Typ-2-Diabetes und den meisten Herz-Kreislauf-Erkrankungen nur sehr begrenzt und die Nachbeobachtungszeit relativ kurz bzw. die ART-Population noch sehr jung. Um eine Aussage bezüglich des kardiovaskulären Risikos auch für das spätere Leben zu treffen, wären weitere Studien mit längerer Nachbeobachtung in diesem Bereich erforderlich, so die Autoren.