
Hintergrund
In einer kürzlich im Fachmagazin „Science“ veröffentlichten Studie belegte eine Arbeitsgruppe um Dr. Young-Jun Park vom Department of Biochemistry der University of Washington in Seattle erneut, dass eine hybride Immunität oder eine Auffrischimpfung eine relevante neutralisierende Plasmaaktivität gegen die Omikron-Sublinien BA.1, BA.2, BA.2.12.1 und BA.4/5 erzielen. Eine mukosale Immunität wurde jedoch nur bei Personen mit einer Durchbruchsinfektion erzeugt.
Zielsetzung
Die Forschenden bewerteten zunächst das Ausmaß der Immunfluchtfähigkeiten der Omikron-Sublinien. Darüber hinaus verglichen sie die mukosale Antikörperreaktion von Personen mit einer BA.1-Durchbruchsinfektion und Probanden, die nur gegen Covid-19 geimpft waren.
Methodik
Die untersuchten Plasmaproben entstammten aus sechs Kohorten:
- SARS-CoV-2-Infizierte, die nach der Infektion zweimal mit einem Covid-19-Impfstoff geimpft wurden
- SARS-CoV-2-Infizierte, die nach der Infektion drei Dosen eines Covid-19-Impfstoffs erhalten haben
- Personen mit einer Delta-Infektion nach zwei Impfdosen eines Covid-19-Impfstoffs
- Personen mit einer Omikron-BA.1-Infektion nach zwei Covid-19-Impfungen
- Personen mit einer Omikron-BA.1-Infektion nach drei Covid-19-Impfdosen
- Personen, die dreimal mit einem Covid-19-Impfstoff geimpft wurden
Alle Proben wurden durch Inkubation mit pseudotypisierten nicht-replikativen vesikulären Stomatitis-Viren (VSV) charakterisiert, die die Spike-Proteinregion des SARS-CoV-2-Wildtyps, der BA.1-, BA.2-, BA.2.12.1- und BA.4/5-Omikron-Varianten sowie von SARS-CoV enthielten.
Die mukosale Antikörperreaktion ermittelten die Wissenschaftler anhand der IgG- und IgA-Bindungstiter in Nasalabstrichen.
Ergebnisse
Neutralisierende Antikörper-Titer im Vergleich
Die höchsten neutralisierenden Antikörper-Titer in den Proben richteten sich gegen den SARS-CoV-2-Wildtyp. Im Vergleich dazu waren die geometrischen mittleren Titer (GMT) gegen BA.1 um das 1,4- bis 8,2-Fache und gegen BA.2 um das 1,6- bis 4-Fache reduziert; für BA.2.12.1 lagen die GTM noch einmal niedriger.
Die stärkste Reduktion der GTM (um das 5- bis 14-Fache im Vergleich zum Wildtyp) war für pseudotypisierte Viren mit dem Spike-Protein von BA.4/5 erkennbar.
Schleimhautimmunität
Spike-spezifische IgG- und in geringerem Maße auch IgA-Bindungstiter konnten in Nasalabstrichen von Personen mit Durchbruchsinfektionen nachgewiesen werden – nicht jedoch bei Probanden, die nur gegen COVID-19 geimpft waren.
Ultrapotenten pan-Varianten-neutralisierenden Antikörper identifiziert
Zudem identifizierten die Forschenden einen ultrapotenten pan-Varianten-neutralisierenden Antikörper. Der mAb S2X324 blieb von S-Mutationen aller Omikron-Sublinien unbeeinflusst. Seine neutralisierende Wirkung war gegenüber den Omikron-Varianten BA.1, BA.2, BA.3, BA.4, BA.5, BA.2.12.1 und BA.2.75 nachweisbar.
Darüber hinaus reagierte er – mit Ausnahme von BA.2.75 – mit allen SARS-CoV-2-Varianten und neutralisierte sie mit einer halbmaximalen Hemmkonzentration (IC 50) unter 10 ng/ml.
Die prophylaktische Gabe von S2X324 schützte Hamster nach einer Infektion mit der Delta-Mutation. In einer Dosierung von 5 mg/kg verringerte die vorbeugende Verabreichung von S2X324 die virale tracheale und pulmonale RNA-Konzentration von mit BA.2-infizierten Hamstern auf Werte unterhalb der Nachweisgrenze.
Fazit
Bisher konzentrierten sich alle Studien ausschließlich auf Serumantikörper und die systemische zellvermittelte Immunität zur Bekämpfung von Covid-19. Die Schleimhautoberfläche in den oberen Atemwegen interagiert jedoch zuerst mit dem Virus, der Eintrittspforte von SARS-CoV-2.
Die Erkenntnis, dass Durchbruchsinfektionen eine neutralisierende Aktivität in der Nasenschleimhaut hervorrufen, eröffnet die Möglichkeit, die mukosale Immunität für vorteilhafte therapeutische oder prophylaktische Zwecke zu erforschen, so die Wissenschaftler.
Zudem würden die Beobachtungen die Entwicklung der nächsten Generation von Covid-19-Impfstoffen unterstützen, insbesondere solcher zur intranasalen Applikation.