
Hintergrund
Zu den weltweit häufigsten Todesursachen zählen sowohl Herz-Kreislauf-Erkrankungen als auch Alkoholkonsum. Ob es einen Zusammenhang zwischen beiden gibt, ist umstritten. Beobachtungsstudien haben in der Vergangenheit nachgewiesen, dass ein leichter bis mäßiger Alkoholkonsum im Vergleich zur Abstinenz das kardiovaskuläre Erkrankungsrisiko senkt. Ethische Gründe schließen die Durchführung von randomisierten Studien zu diesem Thema aus, weshalb auf Techniken, die humangenetische Daten wie die Mendelsche Randomisierung (MR) verwenden, zurückgegriffen wurde. Diese konnten einen kausalen Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen liefern.
Die MR-Methoden setzen häufig Linearität voraus und können daher bei der Bewertung der relativen Risiken bei verschiedenen Mengen an Alkoholkonsum eingeschränkt sein und haben deswegen die Dosis-Wirkungs-Schätzungen des Risikos bei unterschiedlichem Alkoholkonsum nicht vollständig bewertet. Weiterhin liegen wenige quantitative Daten, die sich auf die Folgen eines moderaten Alkoholkonsum konzentrieren, vor. Dies führt dazu, dass sich Empfehlungen über den Alkoholkonsum weltweit unterscheiden.
Zielsetzung
Die hier vorliegende Kohortenstudie beschäftigt sich daher mit der folgenden Frage: Welches kardiovaskuläre Risiko besteht bei unterschiedlichem gewohnheitsmäßigen Alkoholkonsum? [1]
Methodik
Die Kohortenstudie basiert auf der britischen Biobank aus den Jahren 2006 bis 2010 und dazugehörigen Nachbeobachtungen bis 2016. Es wird sowohl die traditionelle lineare MR angewendet als auch ein nichtlinearer Ansatz, um einen potenziellen Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und kardiovaskulären Erkrankungen zu evaluieren. Ausgewählte Analysen wurden mit Daten der Mass General Brigham Biobank repliziert.
Die studienspezifischen Endpunkte waren sechs verschiedene kardiovaskuläre Erkrankungen. Diese waren: Hypertonie, koronare Herzkrankheit (KHK), Myokardinfarkt (MI), Schlaganfall, Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern. Der Alkoholkonsum wurde eingeteilt in Abstinenz (0 alkoholische Getränke (aG)/Woche), leichter Alkoholkonsum (0 bis 8,4 aG/Woche), moderater Alkoholkonsum (>8,4 bis 15,4 aG/Woche), schwerer Alkoholkonsum (>15,4 bis 24,5 aG/Woche) und Alkoholabhängigkeit (>24,5 aG/Woche)
Ergebnisse
Die Gesamtkohorte umfasste 371.463 Probanden mit einem mittleren Alter von 57,0 ± 7,9 Jahren. 172.400 Probanden (46%) waren Männer. Durchschnittlich wurden 9,2 ± 10,6 alkoholische Getränke konsumiert. Hypertonie war bei 121.708 Probanden (33%) diagnostiziert und eine KHK bei 27.667 Probanden. Ein leichter Alkoholkonsum bestand im Mittel aus 4,9 ± 2,7 aG/Woche und ein schwerer Alkoholkonsum aus 21,0 ± 3,8 aG/Woche.
Zusammenhang zwischen kardiovaskulären Erkrankungen und Lebensstil
Die Probanden mit einem leichten bis moderaten Alkoholkonsum wiesen einen gesünderen Lebensstil auf als Probanden, die abstinent waren. Nach eigenen Angaben hatten diese einen besseren allgemeinen Gesundheitszustand, eine geringere Raucherquote, einen niedrigeren BMI und eine höhere körperliche Aktivität sowie einen höheren Gemüsekonsum. Die Anpassung der Lebensstilfaktoren schwächte die kardioprotektive Assoziation des mäßigen Alkoholkonsums ab.
Mendelsche Randomisierung
Die genetischen Analysen zeigten, dass Probanden mit genetischen Variationen, die einen höheren Alkoholkonsum voraussagen, tatsächlich größere Mengen an Alkohol konsumierten und häufiger an Hypertonie und KHK litten. Ebenfalls zeigen sich erhebliche Unterschiede im kardiovaskulären Risiko in Abhängigkeit vom Alkoholkonsum.
In den linearen MR-Analysen war ein Anstieg des genetisch vorhergesagten Alkoholkonsums mit einem 1,3-fachen höheren Risiko für Bluthochdruck (Odds Ratio [OR]: 1,3; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 1,2-1,4; p<0,001) und einem 1,4-fachen höheren Risiko für koronare Herzkrankheiten (OR: 1,4; 95%-KI: 1,1-1,8; p=0,006) verbunden.
Die nichtlinearen MR-Analysen zeigten nicht-lineare Assoziationen zwischen Alkoholkonsum und Bluthochdruck sowie KHK. Dabei war ein leichter Alkoholkonsum mit einem minimal erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziiert, während ein höherer Alkoholkonsum mit einem exponentiellen Anstieg des Risikos sowohl für klinische als auch für subklinische kardiovaskuläre Erkrankungen assoziiert war. Dieser exponentielle Anstieg konnte in der kleineren Kohorte der Mass General Brigham Biobank mit 30.716 Probanden verifiziert werden.
Fazit
Die Studie zeigt, dass Alkoholkonsum und das Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen miteinander assoziiert sind. Ein leichter bis mäßiger Alkoholkonsum war mit dem geringsten Risiko für Herzerkrankungen assoziiert, gefolgt von Menschen, die abstinent leben. Das geringere Risiko kann aber insgesamt auf einen gesünderen Lebensstil dieser Menschen zurückgeführt werden und nicht auf den Alkoholkonsum. Mit steigendem Alkoholkonsum steigt das kardiovaskuläre Risiko exponentiell an. Somit kann eine Reduktion des Alkoholkonsums von einem alkoholischen Getränk pro Tag bereits einen gesundheitlichen Vorteil mit sich bringen und ist bei einem hohen Alkoholkonsum vielleicht sogar klinisch bedeutsamer.
Im Allgemeinen zeigt sich, dass Alkoholkonsum nicht zur Verbesserung der kardiovaskulären Gesundheit beiträgt und ein Verzicht auf Alkohol das kardiovaskuläre Risiko bei allen Menschen verringert, wenn auch in unterschiedlichen Maßen und in Abhängigkeit der aktuell konsumierten Alkoholmenge.