Ernährung und Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen

Die Ernährung beeinflusst das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und kardiovaskulärer Todesfälle auch unter Berücksichtigung einer kulturellen und sozioökonomischen Vielfalt und einem sehr breiten Spektrum von Ernährungsgewohnheiten.

niedriger Glykämischer Index

Hintergrund

In den letzten Jahren sind kohlenhydratarme Ernährungsweisen immer populärer geworden. Nicht zuletzt aufgrund der Propaganda in den Medien über die Besorgnis von gesundheitlichen Auswirkungen bei der Aufnahme von „schlechten“ Kohlenhydraten mit der Nahrung oder Getränken. Zu den Lebensmitteln mit „schlechten“ Kohlenhydraten zählt man insbesondere solche mit einem geringen Anteil an Ballaststoffen und einem hohen glykämischen Index. Der glykämische Index gibt an, wie stark und wie lange der Blutzuckerspiegel beim Verzehr von 50 g Kohlenhydraten eines bestimmten Lebensmittels ansteigt.

Viele Studien haben gezeigt, dass die Ernährung unter Berücksichtigung eines niedrigen glykämischen Index Diabetes mellitus vorbeugen bzw. diesen verbessern kann. Mit Blick auf eine Verringerung des kardiovaskulären Risikos sind die Ergebnisse hingegen gemischt und basieren darüber hinaus meist auf Daten der westlichen Bevölkerung mit einem hohen Einkommen. Daten zu nicht-westlichen Ernährungsweisen mit einem niedrigen bis mittleren vergleichbaren Einkommen gibt es nur wenig.

Zielsetzung

Die Studie untersucht den Zusammenhang zwischen dem glykämischen Index und dem Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bzw. kardiovaskulärer Todesfälle in einer weltweiten Kohorte mit einem breiten Spektrum der Kohlenhydratzufuhr und unterschiedlichen Ernährungsgewohnheiten.

Methodik

In die Studie eingeschlossen wurden Teilnehmer mit einem Alter von 35 bis 70 Jahren aus 20 verschiedenen Ländern aller fünf Kontinenten (4 einkommensstarke Länder, 11 Länder mit mittlerem Einkommen und fünf einkommensschwache Länder). Mittels Fragebogen wurden folgende Parameter ermittelt: demografische Faktoren, sozioökonomischer Status, Lebensstil, Krankheitsgeschichte und Medikamenteneinnahme. Zusätzlich wurden Daten zu Gewicht, Größe, Taillen- und Hüftumfang sowie Blutdruck erfasst. Mittels Fallberichtsformularen wurden kardiovaskuläre Ereignisse und Todesfälle dokumentiert.

In Bezug auf die Ernährung wurden länderspezifische Fragebögen zur Häufigkeit der Nahrungsaufnahme und des geschätzten glykämischen Index verwendet. Hazard Ratios wurden unter Verwendung multivariabler Cox-Frailty-Modelle berechnet.

Der primäre Endpunkt setzte sich zusammen aus dem Auftreten von schweren kardiovaskulären Ereignissen (kardiovaskulärer Tod, nicht-tödliche Myokardinfarkte, Schlaganfall und Herzinsuffizienz) oder dem Tod jeglicher Ursache.

Ergebnisse

Insgesamt umfasste die Studienkohorte 137.851 Teilnehmer mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 9,5 Jahren (Zeitspanne: 3,2-11,9 Jahre). Der primäre Endpunkt trat bei 14.075 Teilnehmern auf. Hiervon waren 8.780 Todesfälle zu verzeichnen, wobei 3.229 Todesfälle eine kardiovaskuläre Ursache hatten. 8.252 Teilnehmer berichteten von mindestens einem schweren kardiovaskulären Ereignis (Myokardinfarkt n = 3.579; Schlaganfall: n = 3.840; Herzinsuffizienz: n = 923).

Es zeigte sich, dass eine Ernährungsweise basierend auf einem hohem glykämischen Index mit einem erhöhten Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse oder Todesfälle assoziiert ist. Dies trifft sowohl auf Teilnehmer mit einer vorbestehenden kardiovaskulären Erkrankung zu (Hazard Ratio (HR): 1,51; 95%-Konfidenzintervall (KI): 1,25-1,82) als auch auf solche ohne vorbestehende kardiovaskuläre Erkrankungen (HR: 1,21; 95%-KI: 1,11-1,34). Vergleichbare Zusammenhänge konnten ebenfalls zwischen dem glykämischen Index und einzelnen Ereignissen wie dem kardiovaskulären Tod und einem Schlaganfall gezeigt werden sowie für die glykämische Last bei Teilnehmern mit vorbestehenden kardiovaskulären Erkrankungen.

Weiterhin zeigte sich, dass der Zusammenhang zwischen dem glykämischen Index und dem primär zusammengesetzten Endpunkt bei Teilnehmern mit einem höheren Body Mass Index (BMI) ≥ 25 signifikant stärker war als bei denen mit einem niedrigen BMI von < 25 (p<0,01). Kein Zusammenhang konnte für den glykämischen Index und dem Bewegungsstatus, dem Raucherstatus oder der Verwendung von Blutdruckmedikamenten oder Statinen nachgewiesen werden.

Fazit

Es zeigt sich, dass auch unter Berücksichtigung mehrerer Länder mit unterschiedlichen geografischen und wirtschaftlichen Faktoren, die Ernährungsweise mit einem hohem glykämischen Index zu einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und Todesfälle führt als bei Ernährungsweisen mit einem niedrigen glykämischen Index. Die kulturelle und sozioökonomische Vielfalt der Studie erlaubte es ein sehr breites Spektrum von Ernährungsgewohnheiten einzuschließen.

Weiterhin zeigte sich, dass das Risiko für Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie erwartet bei Teilnehmern mit einem höheren BMI stärker anstieg.

Autor:
Stand:
10.03.2021
Quelle:

Jenkins D.J.A. et al. (20201): Glycemic Index, Glycemic Load, and Cardiovascular Disease and Mortality. New England Journal of Medicine, DOI: 10.1056/NEJMoa2007123

  • Teilen
  • Teilen
  • Teilen
  • Drucken
  • Senden

Anzeige