Hintergrund
Die Messung natriuretischer Peptide, insbesondere BNP und NT-proBNP, hat sich in der Diagnostik kardialer Erkrankungen bewährt. Als Biomarker zeigen die natriuretischen Peptide den hämodynamischen kardialen Stress an, der bei erhöhtem kardialen Füllungsdruck und -volumen entsteht. Die natriuretischen Peptide sind daher nicht nur bei einer Herzinsuffizienz, sondern auch bei anderen kardialen Erkrankungen sowie Lungenhochdruck erhöht.
Sinnvoller Gebrauch natriuretischer Peptide
Beim Einsatz der Messung der natriuretischen Peptide in der Praxis besteht jedoch mitunter Unsicherheit. Ein europäisches Kardiologenteam innerhalb der European Society of Cardiology (ESC) hat unter Federführung von Prof. Dr. Christian Mueller, Leiter der Klinische Forschung und stationäre Kardiologie des Universitätsspitals Basel, Empfehlungen zum sinnvollen Gebrauch natriuretischer Peptide erarbeitet.
Empfehlungen für die Praxis
Die elf Empfehlungen nennen Indikationen und zeigen Möglichkeiten wie Grenzen der Messung natriuretischer Peptide auf.
Werte nie isoliert betrachten
Natriuretische Peptide sollen immer im Zusammenhang mit anderen Befunden interpretiert werden.
Marker für den Wandstress
Natriuretische Peptide sind akzeptable Surrogatmarker für den intrakardialen Füllungsdruck und das intrakardiale Volumen.
Früherkennung und Risikostratifikation
Die Bestimmung der natriuretischen Peptide vereinfacht die frühzeitige Diagnose und Risikostratifikation einer Herzinsuffizienz und sollte daher bei allen Patienten durchgeführt werden, die sich mit verdächtigen Symptomen, wie Dyspnoe oder Fatigue, vorstellen.
Ausschluss anderer Ursachen für eine Dyspnoe
Mithilfe der Messung von natriuretischen Peptiden lässt sich eine Herzinsuffizienz mit hoher Genauigkeit von anderen Ursachen für eine Dyspnoe unterscheiden. Je höher die Messwerte sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Patient unter einer Herzinsuffizienz leidet.
Schwellenwerte bei akuten und chronischen Erkrankungen
Bei Patienten mit akuter Dyspnoe infolge einer akuten Herzinsuffizienz liegen die Schwellenwerte für natriuretische Peptide (z. B. BNP > 400 pg/ml) aufgrund der sehr hohen Füllungsdrücke höher als bei chronischen Erkrankungen. Bei Werten unter 100 pg/ml schließen die Autoren eine akute Herzinsuffizienz aus. Bei Patienten mit milder Dyspnoe nach Anstrengung gelten Werte von BNP < 35 pg/ml als Ausschluss einer chronischen Herzinsuffizienz; Werte darüber bedürfen weiterer diagnostischer Abklärung.
Niedrigere Grenzwerte bei Adipositas
Bei Personen mit Adipositas sind die Konzentrationen an natriuretischen Peptiden geringer. Es wird daher empfohlen, bei diesen Patienten die Schwellenwerte zu halbieren.
Vorhersagewert der natriuretischen Peptide
Die Konzentrationen an natriuretischen Peptiden haben einen prognostischen Wert für die Hospitalisierung und das Sterberisiko sowohl bei Patienten mit stabiler Herzinsuffizienz als auch bei anderen Herzerkrankungen, wie Myokardinfarkt, Herzklappenerkrankungen, Vorhofflimmern und Lungenembolie.
Routinemessungen fördern Früherkennung und Prävention
Screenings auf natriuretische Peptide bei Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren erlauben eine Früherkennung von kardialen Erkrankungen inklusive einer linksventrikulären Dysfunktion. Eine gezielte Prävention der Herzinsuffizienz kann dann frühzeitig eingeleitet werden.
Gleiche Aussagekraft, andere Referenzbereiche
BNP, NT‐proBNP und MR‐proANP weisen eine vergleichbare diagnostische und prognostische Genauigkeit auf (cave: unterschiedliche Referenzbereiche und Schwellenwerte).
Bei Schock nur zur Prognose
Bei Patienten im Schock haben natriuretische Peptide keine diagnostische aber eine prognostische Aussagekraft.
Zur Abklärung ist bildgebende Diagnostik unerlässlich
Natriuretische Peptide sind nicht geeignet, um die Ursache einer Herzinsuffizienz zu identifizieren. Wenn sie erhöht sind, ist eine weiterführende bildgebende Diagnostik zur Abklärung der Ursachen unerlässlich.