Diphtherie

Diphtherie ist eine ansteckende Infektionskrankheit, die vor allem Kinder betrifft. Klassische Symptome der Kehlkopf- und Rachendiphtherie sind bellender Husten, zunehmende Heiserkeit und inspiratorischer Stridor. Zur Prophylaxe steht eine Diphtherie-Schutzimpfung zur Verfügung.

ICD-10 Code
Diphtherie

Definition

Diphtherie (ICD-10 A36.-) ist eine akute ansteckende Infektionskrankheit, die insbesondere im Kindesalter auftritt. Auslösende Erreger sind Corynebakterien unterschiedlicher Stämme. Einige dieser Stämme sondern Diphtherie-Exotoxin ab, das Zellen in unterschiedlichen Körperregionen zerstört. Die Symptome richten sich nach der Lokalisation der Gewebsschädigung und können beispielsweise Pharynx, Larynx, Tonsillen, Nase, Konjunktiven, Haut und Wunden betreffen. Am häufigsten manifestiert sich die Erstinfektion als Rachendiphtherie mit pseudomembranösen Belegen und süßlich-faulem Mundgeruch, gefolgt von einer Kehlkopfdiphtherie mit bellendem Husten, zunehmender Heiserkeit und inspiratorischem Stridor (echter Krupp). Ohne die Gabe von Diphtherie-Antitoxin kann sich die Intoxikation systemisch ausbreiten und letal verlaufen. Den besten Schutz vor Diphtherie bietet eine Impfung.

Epidemiologie

In Deutschland sind Diphtherie-Fälle glücklicherweise selten geworden. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es hierzulande noch gehäuft Diphtherie-Epidemien; die letzte zwischen 1942 und 1945. 1943 ging man von rund 245.000 Erkrankungen aus.

Im August 1894 war im Deutschen Reich erstmals ein Diphtherie-Serum als passive Immunisierung in Apotheken erhältlich. 1925 wurde der erste Impfstoff gegen das Diphtherie-Toxoid auf den Markt gebracht. Die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg verzögerte aber die breite Einführung der Impfung.

In der ehemaligen DDR gab es seit 1961 eine Pflichtimpfung gegen Diphtherie, die alle Säuglinge und Kinder erhielten. In den darauffolgenden Jahren sank die Zahl der Diphtherie-Fälle deutlich bzw. ging auf Null zurück.

In den westdeutschen Bundesländern verbreitete sich die Impfung ab 1960. Die Ständige Impfkommission (STIKO) des Robert Koch-Instituts (RKI) Berlin nahm sie jedoch erst 1974 als Standardimpfung in den Impfkalender für Säuglinge und Kinder auf. Zwischen 1984 und 1990 lagen die jährlichen Fallzahlen in der BRD im einstelligen Bereich.

Die Diphtherie-Auffrischimpfung für Erwachsene wird im vereinten Deutschland ab 1991 empfohlen, seit 2002 als regelmäßige Auffrischimpfung in Kombination mit einem Tetanus-Impfstoff alle zehn Jahre. Nach der Wiedervereinigung sind vereinzelt Diphtherie-Infektionen zu beobachten; seit 2010 steigen die Fallzahlen. Das ist vordergründig auf eine Zunahme von Hautdiphtherie zurückzuführen.

Zwischen 2001 und 2016 wurden dem RKI insgesamt 80 Erkrankungen durch toxinbildende Corynebakterien übermittelt. Saisonale Häufigkeitsgipfel von Diphtherie-Fällen gibt es in den Herbst- und Wintermonaten.

Impfepidemiologische Daten in Deutschland

Seit 2005 erfasst das RKI jährlich die Impfquoten von Schulanfängern. Für Diphtherie liegt die Impfrate bei Kindern kontinuierlich bei über 95 Prozent. Im Gegensatz dazu zeigte eine bundesweite Studie (DEGS 1) in den Jahren 2008 bis 2011, dass trotz STIKO-Empfehlungen nur knapp über die Hälfte der Erwachsenen in den letzten zehn Jahren eine Auffrischimpfung gegen Diphtherie erhalten hatte. Die Impfquoten in den Altersgruppen zwischen 18 und 79 Jahren unterschieden sich dabei nur unwesentlich voneinander. Die geringe Erkrankungsrate bei Erwachsenen resultiert lediglich aus der hohen Durchimpfungsrate der Kinder und dem somit bedingten Herdenschutz.

Cave: Bei Auslandsreisen entfällt dieser Schutz, sodass eine Immunisierung zumindest vor Reisen in Endemiegebiete unbedingt aktualisiert werden sollte.

Epidemiologie weltweit

Infektionen mit dem Corynebacterium (C.) diphtheriae kommen weltweit vor. Seit Einführung der Diphtherie-Impfung in regionalen und überregionalen Säuglings- und Kinderimpfprogrammen ging die Diphtherie-bedingte Morbidität und Mortalität insgesamt drastisch zurück. Dieser Erfolg könnte jedoch noch erheblich besser ausfallen. 2015 erreichten nur zwei Drittel aller Staaten eine Diphtherie-Tetanus-Pertussis-Impfquote von mehr als 90 Prozent. In sechs Staaten lag die Impfquote bei Säuglingen 2015 sogar unter 50 Prozent. Hierzu gehören Syrien, Somalia, der Südsudan, die Zentralafrikanische Republik und Äquatorial-Guinea außerhalb Europas und die Ukraine innerhalb von Europa.

Die Mehrzahl der Diphtherie-Fälle tritt laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) in subtropischen Ländern, speziell Indien, auf. In den 1990er-Jahren wurde sie darüber hinaus vermehrt in Ländern der ehemaligen Sowjetunion beobachtet.

Corynebacterium diphtheriae vs. Corynebacterium ulcerans

In vielen Ländern Afrikas, Asiens, des Südpazifiks und Osteuropas werden endemische Diphtherie-Fälle vor allem durch das C. diphtheriae gemeldet. Humane Infektionen mit dem toxigenen C. ulcerans kommen demgegenüber meist in westlichen Industrienationen vor, in der Mitte des 20. Jahrhunderts hauptsächlich nach Kontakt zu Rindern und besonders nach Verzehr von rohen Milchprodukten. Ein Großteil der seither in Deutschland diagnostizierten Infektionen wurde im Inland erworben und basiert auf Kontakten zu Haustieren (Hunde und Katzen), aber auch zu Nutztieren (zum Beispiel Schweinen).

Ursachen

Diphtherie wird hauptsächlich durch das Corynebacterium diphtheriae, selten durch C. ulcerans und C. pseudotuberculosis verursacht. Respiratorische Diphtherien mit Lokalisation in Pharynx und Kehlkopf sowie kutane Diphtherie gehen klassischerweise auf Diphtherie-Toxin-produzierende Stämme von C. diphtheriae aus der Familie der Actinomycetales, Genus Corynebacterium, zurück.

Corynebakterien sind fakultativ anaerobe, unbewegliche, nicht-sporenbildende, unbekapselte, Katalase-positive, grampositive Stäbchen mit typischerweise keulenförmigem Aussehen. Von C. diphtheriae werden aufgrund verschiedener biochemischer Kriterien wie Kolonien-Morphologie, hämolytische Aktivität und Zuckerfermentations-Reaktionen vier Biotypen differenziert: C. gravis, intermedius, mitis und belfanti.

Neben dem klassischen Erreger C. diphtheriae gewinnen zunehmend toxigene Stämme der vorrangig zoonotischen Spezies C. ulcerans (Vorkommen in zahlreichen Tierarten) und sehr selten C. pseudotuberculosis (Vorkommen bei Schafen und Ziegen als Erreger der Lymphadenitis caseosa) an Bedeutung. Beim Menschen löst das Corynebacterium ulcerans in erster Linie Hautdiphtherien aus.

Diphtherie-Toxin

Die Virulenz der Diphtherie-Erreger hängt primär vom Diphtherie-Toxin (DT) ab. Das Gen für die Toxinbildung ist auf spezifischen Corynephagen kodiert. Nicht-toxigene C.-diphtheriae-Stämme können die DT-Synthese durch Phagenkonversion erwerben.

Die epidemiologische Relevanz und klinische Bedeutung von nicht-toxigenen Stämmen sind bislang unklar. Das klinische Bild ist variabel und reicht von Halsschmerzen bis zu einzelnen Fällen von schwerer Endokarditis.

Asymptomatische Träger von toxigenen C. diphtheriae kommen in Westeuropa extrem selten vor bzw. sind nahezu ausgeschlossen. Obendrein werden in westeuropäischen Ländern weitaus öfter nicht-toxigene C. diphtheriae (vor allem bei Wundinfektionen) als toxigene C. diphtheriae nachgewiesen. Das Symptomspektrum der toxigenen C. diphtheriae reicht von asymptomatischen Haut- und/oder Schleimhautbesiedlungen bis zu invasiven Infektionen mit potenziell letal verlaufenden toxinbedingten Symptomen wie Arrhythmie und Atemlähmung.

Infektionsweg

C. diphtheriae wird bei respiratorischem Befall gewöhnlich über Tröpfcheninfektion durch Husten, Niesen oder Küssen übertragen. Andere Infektionswege sind der direkte Kontakt mit Hautdiphtherie-Läsionen oder infektiösen Ausscheidungen. Darüber hinaus gibt es indirekte Übertragungen durch kontaminiertes Material – insbesondere in Ausbruchssituationen bei Personengruppen mit schlechten Hygienestandards. Laborinfektionen durch Tätigkeiten, die zur Aerosolbildung führen, sind ebenfalls beschrieben.

C. ulcerans wird fast ausschließlich durch Kontakt mit infizierten oder kolonisierten Tieren wie Hunden und Katzen übertragen, speziell in Großbritannien. Darüber hinaus ist eine Ansteckung durch den Verzehr von unpasteurisierten Milchprodukten nicht ausgeschlossen. Mensch-zu-Mensch-Übertragungen von C. ulcerans sind nahezu unbekannt.

Inkubationszeit

Die Inkubationszeit beträgt in der Regel zwei bis fünf, selten bis zu zehn Tage.

Asymptomatische Personen können toxigene Corynebakterien in der Inkubationszeit, über viele Wochen während der Genesung und noch einige Zeit nach der Rekonvaleszenz tragen und weitergeben; gleichermaßen Gesunde für eine unbestimmte Zeit. Mit einer Antibiotika-Therapie ist eine Sanierung der Keimträger möglich.

Dauer der Ansteckung

Diphtherie-Patienten sind solange ansteckungsfähig, wie Corynebakterien in Sekreten und Wunden nachweisbar sind. Unbehandelte geben die Erreger im Mittel über zwei bis vier Wochen weiter. Patienten mit chronischen Hautläsionen, zum Beispiel Ulzerationen bei Diabetes oder chronisch venöser Insuffizienz können sechs Monate und länger mit den Bakterien kolonisiert sein.

Eine wirksame antibiotische Therapie beendet die Erregerausscheidung und somit die Infektiosität nach etwa 48 bis 96 Stunden. Lokal antiseptische Maßnahmen unterstützen die Sanierung einer chronischen Wundinfektion bzw. Kolonisation.

Pathogenese

Diphtheriebakterien gelangen nach Übertragung über Schleimhäute, Wunden und Konjunktiven in den Organismus und vermehren sich dort. Das von Stämmen des C. diphtheriae gebildete Diphtherie-Toxin setzt sich aus einer kleineren Untereinheit A und einem größeren Fragment B zusammen. Mit seinem A-Teil bindet das Toxin an die Wirtszelle. Das anschließend abgespaltene B-Fragment dringt in die Zielzelle ein und dockt an den Heparin-binding EGF-like growth factor (HB-EGF) an. Das Toxin wird intrazellulär in einer Vakuole aufgenommen und das A-Teil spaltet sich ab. Nach einer enzyminduzierten Inhibition des Elongationsfaktors werden die Transfer-RNA-Translokase inaktiviert und die Proteinbiosynthese gehemmt – die Zelle stirbt ab. Zum Abtöten einer Zelle genügt ein Toxinmolekül.

Im oberen Respirationstrakt, insbesondere im Nasopharyngealbereich, lagert sich innerhalb von wenigen Tagen ein nekrotisches Koagulum aus Bakterien, abgeschilferten Epithelzellen, Fibrin, Leukozyten und Erythrozyten ab. Daraus entstehen die für Diphtherie typischen gräulich-schmutzigen, adhärenten Pseudomembranen. Breiten sich diese auf den Larynx aus, kommt es zu den typischen Symptomen der Kehlkopfdiphtherie.

Abhängig von der Manifestation vermitteln die Toxine mitunter Lähmungen der lokalen Muskulatur. Nach systemischer Invasion und Toxinabsorption sind nekrotische Schädigungen an den Nierentubuli und im Leberparenchym möglich; darüber hinaus eine aregenerative Thrombopenie, ausgeprägte Kardiomyopathie und neuronale Demyelinisierung.

Symptome

Die Symptome manifestieren sich etwa zwei bis sechs Tage nach Infektion mit dem Erreger. Das klinische Bild hängt dabei maßgeblich von der Toxizität des Bakterienstamms sowie der Eintrittspforte, systemischer Ausbreitung und individueller Immunitätslage ab.

Grundsätzlich wird zwischen respiratorischer und kutaner Diphtherie unterschieden. Die respiratorische Diphtherie umfasst vor allem die Infektionen von Tonsillen, Pharynx, Larynx und Nase. Alle Formen können ineinander übergehen. Zu der kutanen Form zählen die Haut-, Bindehaut- und Wunddiphtherie.

Mandel- und Rachendiphtherie

Nach Erregerinvasion im oberen Respirationstrakt beginnt die Symptomatik klassischerweise im Bereich von Pharynx und Tonsillen. Eine Mandel- und Rachendiphtherie geht prodromal einher mit:

  • allgemeinem Krankheitsgefühl
  • Abgeschlagenheit
  • Müdigkeit
  • Übelkeit (gemeinhin ohne Erbrechen)
  • Kopf-, Glieder- und Abdominalschmerzen
  • staffelförmig ansteigendem Fieber, jedoch ohne charakteristische Temperaturkurve
  • ggf. Schüttelfrost

Im weiteren Verlauf kommt es zu ausgeprägtem Krankheitsgefühl, Halsschmerzen, Schluckstörungen, Heiserkeit, inspiratorischem Stridor, Gaumensegelparesen und schmerzhaften Schwellungen der vorderen Halslymphknoten. Innerhalb von zwei bis drei Tagen sind Pharynx und Gaumen, später auch Uvula und Tonsillen, von weißlich-grauen bis gelb-bräunlichen festhaftenden Pseudomembranen bedeckt. Diese Angina lacunaris verursacht häufig einen für Diphtherie typischen süßlich-faulen Foetor ex ore. Die Belege sind oft rot tingiert und bluten beim Versuch, diese zu entfernen. Die Membranen können sich auf den Kehlkopf ausbreiten und eine Kehlkopfdiphtherie verursachen.

Kehlkopfdiphtherie

Die Kehlkopfdiphtherie bzw. echter Krupp ist meist Folge einer pharyngealen Diphtherie, kann aber auch als Primäraffekt vorkommen. Typische Beschwerden sind:

  • zunehmende Heiserkeit bis hin zu Aphonie
  • bellender Husten bzw. Krupphusten
  • Dyspnoe
  • sich steigernder inspiratorischer Stridor
  • juguläre und interkostale Einziehungen
  • Blässe
  • Zyanose
  • evtl. Fieber
  • Angst und Unruhe
  • Stupor
  • Koma

Weitere charakteristische Symptome der Larynxdiphtherie sind Ödeme und druckdolente, schmerzhaft geschwollene Lymphknoten. Die Schwellung setzt sich von den Kieferwinkeln ausgehend auf die Lymphknoten von Ohren, Hals, Kinn und Nacken fort. Die teigig verdickte Hals- und Unterkieferregion ist als sogenannter Caesarenhals bzw. Collum proconsulare bekannt.

Je stärker die Atemwege verlegt sind, umso geringer ist die Luftzufuhr. Teilweise gelöste, im Larynxbereich flottierende Membranen können die Luftwege vollständig obstruieren und zusätzliche Laryngospasmen verursachen. Nach der Aspiration von Membranteilchen, Bakterien und/oder Eiter entwickelt sich zuweilen eine abszedierende Bronchopneumonie.

Ohne Behandlung versterben die Patienten am Erstickungstod. Aufgrund dieser Klinik wird die laryngeale Diphtherie auch als Würgeengel der Kinder bezeichnet.

Nasale Diphtherie

Die nasale Diphtherie ist heutzutage selten geworden. Wenn, tritt sie bevorzugt als milde Form bei Säuglingen und Kleinkindern auf. Symptome sind leichtes Unwohlsein, Unruhe, behinderte Nasenatmung und Trinkschwäche bzw. eingeschränkte Nahrungsaufnahme infolge einer Dysphagie. Anfangs zeigt sich ein- oder beidseitig auftretendes seröses, später auch blutig-eitriges Nasensekret. Typisch sind gereizte Nasenlöcher sowie weißliche pseudomembranöse Flecken am Nasenseptum mit Zelluntergang und Krustenbildung.

Nicht-klassische respiratorische Diphtherie

In Populationen mit hoher Impfrate sind vorwiegend abgeschwächte Krankheitsverläufe als sogenannte nicht-klassische respiratorische Diphtherie zu beobachten. Die diagnostizierten Fälle ähneln klinisch einer Streptokokken-Angina bzw. einer bakteriellen Pharyngitis ohne Pseudomembranbildung. Von diesen milden Verläufen sind vor allem nicht vollständig grundimmunisierte Personen betroffen, aufgrund nachlassender Immunität auch Personen mit fehlender oder zu lange zurückliegender Auffrischimpfung.

Hautdiphtherie

Haut- oder Wunddiphtherie variiert im klinischen Bild und ähnelt häufig anderen dermalen Krankheiten wie Ekzemen, Psoriasis und Impetigo contagiosa. Sie manifestiert sich insbesondere nach einem Bagatelltrauma oder Insektenstichen. Auf Haut und Schleimhaut bilden sich schmierige Exsudate, gelegentlich mit grauen Belägen. In der Regel sind die unteren Extremitäten befallen. Charakteristisch sind nicht-heilende, wie ausgestanzt wirkende Ulzerationen, Erytheme und Schwellungen. Mischinfektionen mit Streptokokken und/oder Staphylokokken sind möglich.

Hautinfektionen durch toxigene C.-diphtheriae-Stämme werden häufig in den Tropen oder Subtropen erworben. Bei einer Läsionsgröße unter 2 cm2 ist die Toxin-Freisetzung gering, sodass toxische Komplikationen kaum zu erwarten sind. Mitunter stellen Patienten mit Wunddiphtherie allerdings eine Infektionsquelle für eine Rachendiphtherie bei sich selbst bzw. bei engen Kontaktpersonen dar.

Im Gegensatz zu den importierten Hautdiphtherie verursachenden toxigenen Stämmen ist die große Mehrzahl der in westlichen Industrienationen erworbenen C.-diphtheriae-Hautinfektionen auf nicht-toxigene Stämme zurückzuführen. Risikopatienten sind vornehmlich Menschen mit geringen Hygienestandards, zum Beispiel Obdachlose oder Personen mit Alkohol- und/oder Drogenabusus.

Maligne systemische Diphtherie

Eine primär toxische Diphtherie kann sich innerhalb weniger Stunden nach einem scheinbar milden Beginn entwickeln. Mund- und Rachenschleimhaut schwellen ödematös an und sind von grünlich-schwarzen Belegen überzogen.

Eine sekundär toxische Diphtherie entsteht trotz frühzeitiger Serotherapie. Die Belege gehen auf die Tonsillen über und färben diese bräunlich. Weiterhin typisch sind:

  • peritonsilläre und glanduläre Ödeme
  • nasale Blutungen
  • Hämaturie, Hämatochezie
  • Myokarditis, Endokarditis
  • renale Beteiligung mit Albuminurie sowie Ausscheidung hyaliner Zylinder und Tubulusepithelien
  • demyelinisierende periphere Neuritis
  • Polyneuropathie
  • Velumparese mit näselnder Sprache und Dysphagie (nach zwei Wochen)
  • Parese von Augen-, Gesichts-, Rumpf- und Atemmuskulatur (in Woche drei und vier)
  • kardiovaskuläre Dysregulation bis hin zum kardiogenen Schock
  • plötzlicher Herztod früh im Erkrankungsverlauf, zuweilen auch erst nach vier bis sechs Wochen schon bei geringfügiger Belastung – deshalb konsequente Bettruhe erforderlich

Komplikationen

Bei Diphtherie sind vielfältige Komplikationen denkbar. Das Risikopotenzial hängt vom Erreger und Immunstatus ab. Häufig sind respiratorische, kardiale, neurologische und renale Schädigungen:

  • respiratorische Obstruktion der oberen Atemwege infolge ausgeprägter Pseudomembranbildung
  • Pneumonie
  • Myokarditis mit Arrhythmien und AV-Block
  • vasomotorischer Schock
  • neurologische Affektionen wie aszendierende Paralyse ähnlich eines Guillain-Barré-Syndroms mit Parästhesien (Landrysche Paralyse)
  • akutes Nierenversagen
  • Stauungsleber
  • Lungenembolie

Differentialdiagnosen

Differentialdiagnosen bei respiratorischer Diphtherie (klassisch oder nicht-klassisch) sind unter anderem:

  • Streptokokken-induzierte oder virale Pharyngitis und Tonsillitis
  • Angina (vor allem Angina Plaut-Vincenti)
  • infektiöse Mononukleose
  • akute Epiglottitis
  • Pseudokrupp
  • orale Candidiasis
  • orale Syphilis
  • Adenovirus-Infektionen

Differentialdiagnosen bei Hautdiphtherie sind vornehmlich Impetigo, Wundinfektionen und Ulzerationen anderer Genese.

Diagnostik

Die Diphtherie-Diagnose beruht in erster Linie auf Anamnese (inklusive Tierkontakten), Klinik und körperlicher Untersuchung. Bereits bei geringem Verdacht auf Diphtherie ist eine stationäre Einweisung in die Wege zu leiten. Dort wird die Diagnose labordiagnostisch bestätigt oder ausgeschlossen.

Labordiagnostik

Bei klinischem Diphtherie-Verdacht ist die Labordiagnostik mit einem Erregernachweis aus Rachenabstrichen (besonders unter den Pseudomembranen, sofern vorhanden), Nasen- oder Wundabstrichen umgehend einzuleiten. Die Abstriche sind sofort nach Klinikzuführung und noch vor Beginn der spezifischen Therapie zu entnehmen. Da für die Anzucht Spezialnährböden notwendig sind, muss dem Labor die Verdachtsdiagnose Diphtherie unbedingt vorab mitgeteilt werden.

Der kulturelle Nachweis erfolgt über Anreicherungs- und Selektivmedien. Bis zum Ergebnis einer biochemischen Differenzierung oder einer Detektion mittels matrixunterstützter Laser-Desorptions-Ionisation mit Flugzeitmassenspektrometer bzw. Matrix Assisted Laser Desorption Ionization – Time of Flight Mass Spectrometry (MALDI-TOF-MS) vergehen zwei bis vier Tage. Die MALDI-TOF-MS-assoziierte Hochdurchsatz-Genotypisierung wird zur Erregeridentifikation und -analyse auch in Routinelaboratorien eingesetzt. Das führt zu kontinuierlich ansteigenden Befunden von C. diphtheriae und C. ulcerans – teilweise nur als Zufallsbefund bei Mischinfektionen oder Kolonisationen.

Aufgrund der klinischen und epidemiologischen DT-Fähigkeit der Stämme empfiehlt das RKI, die drei potenziell toxigenen Corynebacterium spp. (C. diphtheriae, C. ulcerans und C. pseudotuberculosis) auf Toxigenität zu untersuchen.

Bei klassischer respiratorischer Diphtherie umfasst die labordiagnostische Untersuchung die Erregerisolierung sowie den Nachweis des sezernierten Diphtherie-Toxins aus dem isolierten Stamm. Geeignete Methoden sind die tox-PCR und der Elek-Ouchterlony-Immunpräzipitationstest. Letzterer ist angesichts etwaiger tox-positiver, nicht DT-sezernierender Stämme empfohlen – wird aber aufgrund falsch negativer Resultate in vielen Laboren nur noch äußerst selten angewandt. Das RKI bietet die Möglichkeit, verdächtige Stämme zum kostenfreien Toxinnachweis unverzüglich in das Konsiliarlabor für Diphtherie zu senden. Dort sind gleichzeitig Resistenztestungen, Stammdifferenzierungen und -typisierungen, zum Beispiel mittels MLST oder Next Generation Sequencing zur Identifizierung von Infektionsketten, durchführbar.

Trotz Infektion ist keine sichere Antikörperantwort gegeben. Spezifische Toxoid-Antikörper können im Serum mit kommerziellen Tests quantifiziert werden. Goldstandard sind derzeit jedoch Neutralisationstests auf Zellkulturen. Diese Tests sind hauptsächlich für epidemiologische Erhebungen heranzuziehen – und nur in Ausnahmefällen zur Überprüfung des Impfstatus.

Im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) wurden weitere Einzelheiten zur mikrobiologischen Diagnostik erarbeitet. Diese sind in den Mikrobiologisch-infektiologischen Qualitätsstandards (MiQ) nachzulesen.

Therapie

Eine frühzeitige Behandlung wirkt sich entscheidend auf den Krankheitsverlauf aus. Deshalb müssen Patienten schon beim geringsten Verdacht auf respiratorische Diphtherie notfallmäßig stationär aufgenommen und isoliert untergebracht werden.

Nach einem Abstrich sind – ohne den labordiagnostischen Nachweis abzuwarten – eine spezifische Antitoxin-Gabe und parallel dazu eine unterstützende Antibiotika-Therapie unverzüglich einzuleiten. Der rasche Behandlungsbeginn ist deshalb so zwingend, da zellulär gebundenes Diphtherie-Toxin nicht mehr neutralisierbar ist.  

Die gleichzeitige antibiotische Therapie ersetzt keinesfalls die Antitoxin-Gabe. Sie dient lediglich der Eradikation der Erreger.

Komplikationen wie Lungenembolie, Nierenversagen, ZNS-Erkrankungen, Herzinsuffizienz oder Arrhythmien erfordern mitunter eine intensivmedizinische Behandlung, ggf. mit Intubation und maschineller Beatmung.

Antitoxin-Gabe

Diphtherie-Antitoxin neutralisiert frei zirkulierendes, noch nicht intrazellulär aufgenommenes (und somit zellungebundenes) Toxin und verhindert die Progression der Erkrankung. Das Diphtherie-Antitoxin besteht aus Immunglobulinen vom Pferd, die beim Menschen häufig schwere anaphylaktische Reaktion auslösen. Deshalb wird die Gabe ausdrücklich nur unter stationären Bedingungen empfohlen. Entsprechend den Herstellerangaben ist vor der Verabreichung eine Vortestung sinnvoll. Antitoxine sind bei den von den Landesapothekerkammern eingerichteten Notfalldepots für Arzneimittel bestellbar.

Bei den meisten Patienten mit Hautdiphtherie reicht die absorbierte Toxinmenge nicht, um systemische Symptome auszulösen. Daher ist eine Antitoxin-Gabe üblicherweise nicht erforderlich. Lediglich bei großen Ulzerationen von mehr als 2 cm2 mit Pseudomembranbildung kann diese Option diskutiert werden.

Antibiotische Eradikationstherapie

Ziel der Antibiotikatherapie ist die Eradikation der Diphtherie-Erreger, um weitere Infektionen zu verhindern. Sie wird immer nur begleitend und nicht anstelle einer indizierten Antitoxin-Gabe eingesetzt.

Vor Beginn der Antibiotikatherapie ist die Entnahme bakteriologische Proben zur Bestimmung der Empfindlichkeit bzw. Sensibilität der Erreger (Resistogramm) obligat. Geeignete Wirkstoffe einer kalkulierten antibiotischen Behandlung sind Penicillin oder Erythromycin, bei Unverträglichkeit auch andere Makrolide, zum Beispiel Azithromycin oder Clarithromycin.

C. ulcerans zeigt, anders als C. diphtheriae, regelmäßig in vitro Resistenzen gegen Clindamycin.

Die Therapie wird abhängig von der Antibiotikaresistenztestung über insgesamt 14 Tage fortgeführt. Der Erfolg der Behandlung ist mittels nasopharyngealer Proben und/oder Rachenabstriche bzw. bei Hautdiphtherie durch nasopharyngeale Proben und Hautabstriche zu überprüfen.

Prognose

Die Prognose richtet sich nach der Virulenz der beteiligten Corynebakterien-Stämme, der Lokalisation der Infektion, dem Alter und dem Immunstatus bzw. Impfschutz des Patienten sowie der Latenz bis zur Antitoxin-Gabe.

Die Gesamtletalität der respiratorischen Diphtherie liegt bei 5 bis 10 Prozent. Bei Kindern vor dem 5. Lebensjahr und Erwachsenen älter als 40 Jahre kann sie 20 bis 40 Prozent, bei kardialer Beteiligung bis zu 100 Prozent betragen. Werden die toxischen Symptome überstanden, ist die Prognose relativ gut.

Cave: Eine überstandene Erkrankung bewirkt keine lang-anhaltende Immunität. Deshalb ist eine Impfung mitunter auch nach anamnestischer Diphtherie indiziert.

Prophylaxe

Die derzeit wirksamste Prophylaxe bietet die Schutzimpfung gegen Diphtherie. Die Impfung richtet sich dabei gegen das Diphtherie-Toxin, nicht gegen das Corynebacterium selbst. Eine impfvermittelte antitoxische Immunität verhindert weitgehend Diphtherie-Erkrankungen, insbesondere schwerwiegende Krankheitsverläufe. Eine Infektion bzw. Kolonisation mit Corynebacterien ssp. ist allerdings weiterhin möglich. Demzufolge entwickeln Geimpfte oft nicht-klassische Diphtheriesymptome oder treten als Keimträger auf.

Der Impfstoff basiert auf dem Diphtherie-Toxin von C. diphtheriae. Aufgrund von Sequenzunterschieden im Toxin von C. diphtheriae und C. ulcerans ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht klar zu beurteilen, wie gut der Impfstoff auch gegen Diphtherie-Erkrankungen schützt, die durch C. ulcerans ausgelöst wurden. Die Impfexperten halten jedoch eine Protektion durch kreuzreagierende Antikörper für sehr wahrscheinlich.

Impfempfehlungen

Die STIKO empfiehlt die Diphtherie-Impfung als Standardimpfung für Säuglinge, Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Die Grundimmunisierung sollte im Alter von 2, 3, 4 und 11 bis 14 Monaten erfolgen, die Auffrischimpfung zwischen 5 und 6 Jahren sowie 9 und 17 Jahren.

Der Impfschutz lässt mit der Zeit nach. Deshalb wird im Erwachsenenalter alle zehn Jahre eine Boosterung als Td-Impfung bzw. einmalig in Kombination mit einer Pertussis-Komponente als Tdap oder bei entsprechender Indikation zusätzlich mit einer Polio-Komponente als Tdap-IPV empfohlen.

Empfehlungen zu Nachholimpfungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit unvollständigem oder unbekanntem Impfstatus gegen Diphtherie (inklusive potenzieller Impfstoffe für die Erstimmunisierung von Kindern über fünf bis sechs Jahre und Erwachsenen) finden sich in Abschnitt 6 der aktuellen Empfehlungen der STIKO.

Maßnahmen bei Einzelerkrankungen (Diphtherie-Erkrankung und Verdachtsfälle)

An Diphtherie erkrankte oder dessen verdächtige Personen sollten nach stationärer Aufnahme sofort isoliert werden. Betreuungspersonen müssen über einen aktuellen Impfschutz verfügen. Bei Betreten des Patientenzimmers sind Schutzmaßnahmen gegen Tröpfcheninfektionen (respiratorische Diphtherie) oder Kontaktübertragung (Hautdiphtherie) einzuhalten. Wunden und Ulzera von Patienten mit Hautdiphtherie müssen zur Vermeidung einer Ansteckung gut abgedeckt sein.

Die Isolierung, einschließlich der Schutzmaßnahmen gegenüber Tröpfchen- und Kontaktübertragungen, darf erst wieder aufgehoben werden, wenn die Kulturen zweier Abstriche von Rachen und Nase bzw. bei Hautdiphtherie von Rachen und Haut ein negatives Ergebnis für toxinbildende C. diphtheriae, C. ulcerans oder C. pseudotuberculosis zeigen. Vor Abnahme des ersten Abstrichs müssen mindestens 24 Stunden nach Abschluss der Antibiotikatherapie vergangen sein. Ferner muss zwischen beiden Abstrichen ein Abstand von mindestens 24 Stunden liegen. Ein Kontroll-Abstrich kann unter Umständen nach weiteren zwei Wochen indiziert sein.

Bei an Hautdiphtherie erkrankten Person mit gutem Allgemeinzustand ist ggf. eine ambulante Behandlung zu erwägen. Kontakte zu anderen Personen sind weitestgehend zu vermeiden, bis eine antibiotische Eradikationstherapie abgeschlossen ist. Der Eradikationserfolg wird labordiagnostisch überprüft. Genau wie bei stationären Fällen müssen die betreuenden bzw. pflegenden Personen über einen Diphtherie-Impfschutz verfügen und entsprechende Schutzmaßnahmen gegen Kontaktübertragung einhalten.

Bei Personen mit atypischem Krankheitsbild – mit milder respiratorischer Symptomatik ohne Pseudomembranen oder bei Hautulzerationen – und nachgewiesenen Erregern der Stämme C. diphtheriae oder C. ulcerans, aber noch ohne Toxin-Bestätigung, kann der Beginn der Infektionsschutzmaßnahmen bis zum Erhalt des Toxinbefunds hinausgezögert werden. Die Entscheidung fällt das Gesundheitsamt unter Berücksichtigung von:

  • individuellen Risiken
  • epidemiologischen Zusammenhängen
  • Reiseanamnese
  • Expositionsrisiko
  • Tätigkeit der betroffenen Person
  • voraussichtlicher Dauer bis zum Erhalt des Toxinbefunds

Ansteckung verhindern

Um eine Übertragung der Erreger und somit eine Ansteckung zu verhindern, sind adäquate Desinfektionsmaßnahmen in der Umgebung, zum Beispiel im Krankenhauszimmer oder der Wohnung des Erkrankten, einzuhalten. Alle Gegenstände, mit denen der Patient oder dessen Ausscheidungen Kontakt hatten, müssen mit einem Flächendesinfektionsmittel mit nachgewiesener antibakterieller Wirksamkeit desinfiziert werden. Eine korrekte Händedesinfektion ist unerlässlich. Details der Desinfektionsmaßnahmen sind mit der Krankenhaushygiene-Abteilung bzw. dem zuständigen Gesundheitsamt abzusprechen.

Ist nach einer Infektion mit Diphtherie-Erregern keine langfristige Immunität nachweisbar, empfiehlt das RKI im Anschluss an die Rekonvaleszenz – je nach dokumentiertem Impfstatus – eine Grundimmunisierung. Ist die letzte Impfung länger als zwölf Monate her, wird eine Auffrischimpfung gegen Diphtherie empfohlen.

Verhalten in Gemeinschaftseinrichtungen

Gemäß § 34 Abs. 1 IfSG dürfen Personen, die an Diphtherie erkrankt oder dessen verdächtig sind, Gemeinschaftseinrichtungen wie Kindergärten, Schulen und Heime nach § 33 IfSG nicht besuchen. Ferner dürfen keine Tätigkeiten ausgeübt werden, bei denen Kontakt zu den dort Betreuten besteht. Die Maßnahmen sind solange zu befolgen, bis nach ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung der Krankheit nicht mehr zu befürchten ist.

Gemäß § 34 Abs. 2 IfSG dürfen Ausscheider von toxinpositiven Corynebacterium spp. nur mit Zustimmung des Gesundheitsamtes und unter Beachtung von Schutzmaßnahmen:

  • die dem Betrieb der Gemeinschaftsinstitution dienenden Räume betreten
  • Einrichtungen der Institution benutzen
  • an Veranstaltungen der Gemeinschaftseinrichtung teilnehmen

Nach § 34 Abs. 7 IfSG gibt es für die in § 33 IfSG aufgeführten Einrichtungen Ausnahmen von den genannten Verboten. Über eine Genehmigung entscheidet die zuständige Behörde gemeinsam mit dem Gesundheitsamt, wenn durch bestimmte Maßnahmen eine Übertragung der Diphtherie verhindert werden kann.

Maßnahmen bei asymptomatischen Keimträgern

Auch asymptomatische Personen können mit toxigenen C. diphtheriae, C. ulcerans oder C. pseudotuberculosis besiedelt sein. Diese Keimträger sollten:

  • über das Krankheitsbild aufgeklärt werden
  • eine Anleitung zur Selbstbeobachtung erhalten
  • auf eine etwaige Symptomentwicklung achten
  • enge haushaltsähnliche Kontakte zu anderen Personen weitestgehend vermeiden (je nach Übertragungsrisiko ist ggf. eine Heimisolierung angebracht)
  • entsprechend dem Regime für enge Kontaktpersonen eine antibiotische Eradikationstherapie mit Penicillin oder Erythromycin bzw. Clarithromycin erhalten

Der Therapieerfolg wird nach Abschluss der Antibiotika-Gabe mit zwei Rachen- und Nasenabstrichen bzw. zwei Rachen- und Hautabstrichen bei Hautdiphtherie kontrolliert. Die erste Probe darf frühestens 24 Stunden nach Beendigung der Antibiotikatherapie entnommen werden. Ferner muss zwischen beiden Abstrichen ein Abstand von mindestens 24 Stunden liegen.
Falls die letzte Diphtherie-Auffrischimpfung länger als zwölf Monate zurückliegt, wird nach Abschluss der Behandlung einmalig eine Booster-Impfung gegen Diphtherie empfohlen. Bei unvollständiger oder fehlender Grundimmunisierung ist diese rasch zu vervollständigen bzw. einzuleiten.

Tätigkeitsverbote

Besteht das Risiko, das im medizinischen Bereich und/oder in Gemeinschaftseinrichtungen gemäß § 34 IfSG tätige Personen toxinbildende Corynebakterien übertragen könnten, ist allgemein ein sofortiges Tätigkeitsverbot gemäß § 31 IfSG auszusprechen. Das gleiche gilt auch für im Lebensmittelbereich arbeitende Patienten mit Hautdiphtherie, insbesondere bei der Herstellung und Verarbeitung von Milch und Milchprodukten (vgl. § 42 IfSG).

Umgang mit Kontaktpersonen

Das Risiko einer Diphtherie-Infektion hängt direkt von der Nähe und Kontaktdauer mit dem Erkrankten ab. Aufgrund der epidemiologischen Relevanz empfiehlt das RKI engen Kontaktpersonen eine antibiotische postexpositionelle Prophylaxe (PEP). Enge Kontaktpersonen sind zum Beispiel Menschen im gemeinsamen Haushalt oder in Gemeinschaftseinrichtungen mit haushaltsähnlichem Charakter wie Internate, Wohnheime und Kasernen sowie Personen mit vorübergehender Nähe zu Erkrankten, wenn sie direkt oropharyngealen Sekreten eines Diphtherie-Patienten oder bei Hautdiphtherie einer unbedeckten Wunde ausgesetzt waren. Eine PEP ist allgemein sinnvoll, wenn der Kontakt innerhalb der möglichen Inkubationszeit besteht oder bestand.

Wer als enge Kontaktperson eingestuft wird und damit eine PEP erhalten sollte, entscheidet das zuständige Gesundheitsamt nach individueller Prüfung. Sehr wahrscheinlich ist die Einstufung von:

  • Personen, die im selben Haushalt schlafen wie die erkrankte Person
  • Personen, die sich eine Wohnung/Flur/Küche mit der erkrankten Person teilen (haushaltsähnlicher Charakter)
  • Kinder in derselben Kindergartengruppe (bzw. ggf. Einrichtung)
  • Mitschüler einer Klassengemeinschaft
  • Personen mit einem engen körperlichen Kontakt zur erkrankten Person, insbesondere beim Küssen, Petting oder Sex
  • Personen, die ohne entsprechende Schutzmaßnahmen eine Mund-zu-Mund-Beatmung oder Intubation absolvierten
  • Personen, die bei Hautdiphtherie ohne entsprechende Schutzvorkehrungen die Wundversorgung durchführten

Kontaktpersonen, die eher keine PEP benötigen, sind:

  • Freunde, Verwandte o. ä. Personen, die regelmäßig den Haushalt besuchen
  • Arbeitskollegen, die sich ein Büro teilen
  • Medizinisches Personal mit Kontakt zur erkrankten Person, aber ohne direkten Kontakt zu oropharyngealen Sekreten bzw. ohne Wundexposition

Cave: Die obenstehenden Beispiele dienen nur als Orientierung und haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Allgemeingültigkeit.

Bei allen engen Kontaktpersonen empfiehlt das RKI folgende Maßnahmen:

  • Abnahme von Nasen- und Rachenabstrichen oder von entsprechenden Hautläsionen bei kutaner Diphtherie für Kulturen vor Beginn der antibiotischen PEP
  • Information und Aufklärung über Diphtherie
  • Aufforderung zur Selbstbeobachtung
  • Hinweise bzgl. des Auftretens klinischer Symptome über einen Zeitraum von zehn Tagen, beginnend am Tag des letzten Kontakts mit dem Erkrankten
  • Gabe einer antibiotischen PEP, unabhängig vom Impfstatus und dem Resultat der Abstriche (zur Inkubations- und/oder Eradikationstherapie, um eine Infektkette zu vermeiden) mit Benzyl-Penicillin i.m. als Einmaldosis oder Erythromycin p.o. über sieben Tage (bei Unverträglichkeit sind unter anderem Azithromycin oder Clarithromycin geeignete PEP-Antibiotika)

Falls die letzte Diphtherie-Auffrischimpfung länger als fünf Jahre her ist, wird eine einmalige Diphtherie-Impfung empfohlen. Bei fehlender oder unvollständiger Grundimmunisierung sollte diese begonnen bzw. vervollständigt werden.

Die Gaben von Diphtherie-Antitoxin ist keine übliche PEP-Maßnahme bei engen Kontaktpersonen.

Nicht-eng klassifizierte Kontaktpersonen ohne PEP-Gabe, zum Beispiel in Gemeinschaftseinrichtungen, sind ebenfalls über das Krankheitsbild der Diphtherie aufzuklären und zur Selbstbeobachtung bzgl. des Auftretens klinischer Symptome anzuhalten. Eine Impfbuchkontrolle ist wünschenswert.

Alle genannten Vorschriften zu Gemeinschaftsinstitutionen gelten genauso für Personen, in deren Wohngemeinschaft nach ärztlichem Urteil eine Erkrankung an oder ein Verdacht auf Diphtherie besteht. Diese sind gemäß § 34 Abs. 3 IfSG unverzüglich aus der Gemeinschaftseinrichtung auszuschließen.

Eine Wiederzulassung in die Gemeinschaftseinrichtung bzw. Aufhebung des Tätigkeitsverbots wird vom jeweiligen Gesundheitsamt ausgesprochen.

Der erfolgreiche Abschluss einer Therapie und die Ergebnisse der mikrobiologischen Befunde sind mit einem schriftlichen Attest ärztlich zu bescheinigen.

Maßnahmen bei Ausbrüchen

Bei respiratorischer Diphtherie ist der günstigste Krankheitsverlauf zu erreichen, wenn:

  • die Verdachtsdiagnose so früh wie möglich gestellt wird
  • die stationäre Einweisung unverzüglich erfolgt
  • die Behandlung mit Antitoxin und Antibiotika sofort bei klinischem Verdacht beginnt

Diphtherie-Ausbrüche können mit einer hohen Impfquote in der Bevölkerung und einer zeitnahen antibiotischen PEP bei engen Kontaktpersonen verhindert werden. Das RKI empfiehlt in diesem Sinn, Diphtherie-Impflücken im Ausbruchsgeschehen entsprechend den Empfehlungen der zuständigen Gesundheitsbehörden zügig zu schließen.

Umgang mit Tieren als Infektionsquelle bei Infektionen mit C. ulcerans und C. pseudotuberculosis

Haus- und Nutztiere sind insbesondere bei humanen C.-ulcerans-Fällen häufige Infektionsquellen. Darum ist bei der Anamneseerhebung immer ein Tierkontakt abzufragen. Nach entsprechender Risikoabschätzung im Rahmen einer Quellensuche kann es sinnvoll sein, eine veterinärmedizinische Unterstützung zur Probengewinnung hinzuzuziehen.

Cave: Kostenübernahme vorher mit dem betreffenden Gesundheits- bzw. Veterinäramt klären

Human- und veterinärmedizinische Isolate mit epidemiologischer Relevanz können nach vorheriger Rücksprache zur Feintypisierung an das Konsiliarlabor für Diphtherie gesandt werden.

Derzeit gibt es keine evidenzbasierten Empfehlungen zum Umgang mit symptomatischen oder asymptomatischen Tieren, die Träger toxigener Corynebacterium spp. sind. Positive Einzelfallberichte über eine Eradikationstherapie bei Haustieren (Hunde, Katzen) im Rahmen des Infektionsschutzmanagements humaner Erkrankungen sind jedoch beschrieben.

Meldepflicht gemäß IfSG

Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 IfSG muss dem Gesundheitsamt der Krankheitsverdacht, die Erkrankung sowie der Tod an Diphtherie namentlich gemeldet werden. Das gleiche gilt gemäß § 7 Abs. 1 IfSG bei direktem oder indirektem Nachweis von Toxin-bildenden Corynebacterium spp., wenn gleichzeitig Hinweise auf eine akute Infektion vorliegen.

In Sachsen besteht nach der Verordnung über die Erweiterung der Meldepflicht übertragbarer Krankheiten und Krankheitserreger nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSGMeldeVO) darüber hinaus eine namentliche Meldepflicht für Ausscheider von Corynebacterium diphtheriae.

Die Meldungen sollten so rasch wie möglich erfolgen. Sie müssen dem Gesundheitsamt spätestens 24 Stunden nach erlangter Kenntnis vorliegen.

In § 8 IfSG sind die zur Meldung verpflichteten Personen benannt. In § 9 IfSG ist beschrieben, welche Angaben zur namentlichen Meldung an das Gesundheitsamt weitergegeben werden müssen/dürfen.

Benachrichtigungspflicht gemäß IfSG

Gemäß § 34 Abs. 6 IfSG müssen Leiterinnen und Leiter von Gemeinschaftseinrichtungen das zuständige Gesundheitsamt unverzüglich benachrichtigen:

  • wenn in ihrer Einrichtung betreute oder betreuende Personen an Diphtherie erkrankt oder dessen verdächtig sind,
  • wenn in ihrer Institution betreute oder betreuende Personen Toxin-bildende Corynebacterium spp. ausscheiden,
  • wenn in den Wohngemeinschaften ihrer Einrichtungen betreute oder betreuende Personen nach ärztlicher Einschätzung an Diphtherie erkrankt oder dessen verdächtig sind.

Übermittlung

Gemäß § 11 Abs. 1 IfSG übermittelt das Gesundheitsamt nur Erkrankungs- oder Todesfälle und Erregernachweise an die zuständige Landesbehörde, die der Falldefinition gemäß § 11 Abs. 2 IfSG entsprechen.

Hinweise

Am 4. Dezember 1890 erfuhr die Weltöffentlichkeit erstmals von einer Therapie gegen Diphtherie, die als passive antitoxische Immunisierung bezeichnet wurde. Erfinder dieser bahnbrechenden Entwicklung waren Emil von Behring und Shibasaburo Kitasato. Im Deutschen Reich starben im 19. Jahrhundert vor Einführung der neuen Behandlungsmethode etwa 50.000 Kinder pro Jahr an Diphtherie. Nach Verabreichung des Diphtherieserums sank die Mortalität binnen weniger Jahre von 52 auf 25 Prozent. Damit halbierte sich die Anzahl der Kinder, die an der gefährlichen Infektionskrankheit verstarben. Ärzte und Eltern feierten den Erfolg als Meilenstein der Medizin und von Behring als Retter der Kinder. 1901 wurde der deutsche Immunologe für seine Forschung in der Blutserumtherapie mit dem ersten Nobelpreis für Medizin (oder Physiologie) ausgezeichnet.

Autor:
Stand:
28.10.2019
Quelle:
  1. Robert Koch-Institut, RKI-Ratgeber: Diphtherie. Stand 10. Januar 2018.
  2. Speer, C. P. et al.: Pädiatrie. Springer Verlag. 5. Auflage, 18. Dezember 2018.
  3. Berner, R. et al.: DGPI Handbuch: Infektionen bei Kindern und Jugendlichen. Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie DGPI. Thieme Verlag. 7. Auflage, 05. September 2018.
  4. Hüntelmann, A.: Die Geburtsstunde der Immunologie (bis 1920). In: Immunologie in Deutschland: Geschichte einer Wissenschaft und ihrer Fachgesellschaft. Hrsg. v. der Deutschen Gesellschaft für Immunologie. be.bra wissenschaft verlag 2017.
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