
Die jüngsten Ausbrüche von Affenpocken stellen weiterhin ein weltweites Gesundheitsproblem dar. Die meisten Menschen haben zwar einen leichten Krankheitsverlauf mit meist milden Symptomen, einige Gruppen wie Kinder oder Personen mit geschwächtem Immunsystem können jedoch schwerer erkranken. Spezifische Impfstoffe auf der Grundlage des Vacciniavirus (VACV) haben sich in der Vergangenheit als hochwirksam gegen Affenpockenviren (MPXV) erwiesen und gelten als wichtige Maßnahme zur Bekämpfung der Erkrankung.
Die bei dem aktuellen Ausbruch beobachteten Viren weisen jedoch unterschiedliche genetische Mutationen auf, die die impfstoffinduzierte Immunerkennung beeinträchtigen können. Daten aus einer in der Fachzeitschrift Viruses veröffentlichten Studie deuten jedoch drauf hin, dass VACV-Impfstoffe eine wirksame Reaktion auch gegen die aktuellen Affenpockenvirus-Varianten hervorrufen. Zwei dieser Impfstoffe sind Imvanex (Modified Vaccinia Ankara, Bavarian-Nordic; MVA-BN) von Bavarian Nordic und ACAM2000 von Emergent BioSolutions. Letzterer ist nur in den USA und Kanada zugelassen.
Zielsetzung
Das aktuelle Affenpockenvirus weist andere genetische Variationen auf als die Varianten, die Experten in der Vergangenheit beobachtet haben. Dies könnte die Wirksamkeit der verfügbaren Impfstoffe beeinflussen. In einer Studie untersuchten Forscher, inwieweit sich die genetischen Unterschiede bei den derzeit kursierenden Affenpockenviren (MPXV-2022) auf die durch VACV-basierte Impfstoffe ausgelösten Immunreaktionen auswirken könnten.
Methodik
Die Wissenschaftler nutzten 513 vollständige Genomsequenzen des Affenpockenvirus sowie immunologische Daten, um die potenzielle Immunantwort und die Wirksamkeit der Affenpockenimpfstoffe vorherzusagen. „Zur Bewertung der kreuzreaktiven impfstoffinduzierten Immunreaktionen gegen MPXV haben wir die VACV-Referenzsequenz als Vertreter der VACV-basierten Impfstoffe verwendet“, erklären die Studienautoren Prof. Matthew McKay vom Peter Doherty Institut für Infektion und Immunität an der Universität von Melbourne, Australien, und Dr. Ahmed Abdul Quadeer von der Universität für Wissenschaft und Technik Hongkong in China. Um eine wahrscheinliche immunologische Kreuzreaktivität abzuleiten wurden Computeralgorithmen eingesetzt.
Ergebnisse
VACV-Proteine, gegen die neutralisierende Antikörper gerichtet sind, weisen eine hohe Sequenzähnlichkeit mit den derzeit kursierenden Affenpockenvirus-Varianten auf (84%). Von acht VACV-Proteinen ist bekannt, dass sie neutralisierende Antikörper (NAbs) auslösen. Alle acht zeigen eine hohe genetische Ähnlichkeit (94–98%) zwischen den VACV-Sequenzen und der MPXV-2022-Konsensussequenz als auch der MPXV-Kongobecken-Referenzsequenz (MPXV-CB).
Spezifische Mutationen zwischen den in VACV vorhandenen immunogenen Proteinen und sowohl der MPXV-2022-Konsensussequenz als auch der MPXV-CB-Referenzsequenz haben bei der Hälfte (4/8) der Proteine die gleichen Mutationscluster. Bei den übrigen Proteinen stimmen die Mutationen mehrheitlich überein. Bei einer genetischen Ähnlichkeit von mehr als 96 Prozent innerhalb der immunogenen Proteine, auf die die NAbs abzielen, ist davon auszugehen, dass die VACV-impfstoffinduzierte humorale Immunität gegen MPXV-2002 ähnlich ist wie die gegen MPXV-CB.
Weiterhin ergab die Analyse, dass die meisten bekannten VACV-T-Zell-Epitope in MPXV-2022 vollständig konserviert sind. Obwohl eine bemerkenswerte Variation innerhalb der VACV-T-Zell-Epitope in MPXV-2022 existiert, sind die meisten dieser Variationen identisch mit denen, die für MPXV-CB beobachtet wurden. Das legt eine beträchtliche Kreuzreaktivität von VACV-stimulierten T-Zell-Antworten gegen MPXV-2022 nahe. Die Forscher vermuten, dass die VACV-impfstoffinduzierte zelluläre Immunität gegen MPXV-2022 mit derjenigen der Impfstoffe der ersten Generation gegen MPXV-CB vergleichbar ist.
Fazit
Die Daten aus dieser Studie sind ermutigend und unterstützen die bisherigen Erkenntnisse. Einschränkend muss jedoch erwähnt werden, dass es sich hierbei um eine reine Sequenzanalyse ohne begleitende immunologische Tests handelt. Für eine sichere Aussage, dass Vacciniavirus-Impfstoffe gegen alle Stämme von Affenpocken schützen, sind zusätzliche immunologische Studien und/oder klinische Nachweise notwendig.